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Sie nannten mich 'Held'

Wie ich als Deutscher in Syrien gegen den Islamischen Staat kämpfte

AutorChristian Haller
Verlagriva Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783959711173
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Christian Haller ist eigentlich ein ganz normaler Mann. Er hat einen guten Job als Veranstaltungstechniker und lebt in einer glücklichen Beziehung mit seiner Freundin. Doch nach den ersten Nachrichten über die Gräueltaten des Islamischen Staates, nach den Bildern von geköpften Geiseln, von Männern, die man zur Strafe für Verstöße gegen den Islam von Hochhäusern stößt und den Berichten über all die anderen Massaker weiß er, dass er seinen Beitrag leisten will, um den IS zu stoppen. Er nimmt Kontakt mit den kurdischen Kämpfern im Norden Syriens auf und reist nach wochenlangen Vorbereitungen endlich im Herbst 2014 zu ihnen an die Front. Seine Familie informiert er erst, als er schon in der Abflughalle des Flughafens wartet, damit sie ihn nicht von seinen Plänen abbringen. Nach seiner Ankunft in Syrien wird er bald schon mitten in die Kampfhandlungen hineingezogen. Er kämpft an der Front, neben ihm schlagen die Kugeln ein, er schläft in zerschossenen Häusern und lebt versteckt - immer auf der Hut vor den Terroristen. Er kämpft in einem brutalen Krieg, er sieht Dinge, die er nie mehr vergessen wird, er gewinnt Kameraden und verliert sie wieder auf dem Schlachtfeld. Nach sieben Monaten ist sein Einsatz vorbei, er wird von der Front abgezogen und kehrt nach Deutschland zurück. In diesem Buch berichtet zum ersten Mal ein Deutscher, wie der Krieg gegen den IS wirklich aussieht und warum es so wichtig ist, dass die Welt zusammenrückt und nicht nur zusieht, wie ein ganzer Kontinent in Brutalität, Chaos und Anarchie versinkt.

Christian Haller, geboren 1985 in einem kleinen Dorf in der Eifel, beschließt im Sommer 2014 nach Syrien zu reisen und mit der kurdischen Armee gegen den Islamischen Staat zu kämpfen. Seit Sommer 2015 ist er wieder zurück in Deutschland.

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Leseprobe

KAPITEL 1

Die Geschichte meines Lebens ist die Geschichte einer Entscheidung. Es gibt viele Möglichkeiten, diese Geschichte irgendwo beginnen zu lassen. Aber egal, welchen Anfang ich wähle, egal, wie ich sie erzählen möchte, sie wird doch immer nur von diesem einen Tag bestimmt, von diesem einen Moment, auf den alles hinauslaufen sollte. Der Moment, in dem ich beschloss, nach Syrien zu gehen.

Die ersten Jahre meines Lebens wohnte ich mit meinen Eltern in Osnabrück. Ich hatte dort eine unbeschwerte Kindheit, die ihr Ende fand, als ich sechs Jahre alt wurde und meine Mutter Karl kennenlernte. Sie verließ meinen Vater, und wir zogen gemeinsam mit ihrem neuen Mann in einen kleinen Ort in den Westerwald. Mein älterer Bruder und meine Schwester waren schon erwachsen und blieben in Osnabrück. Mir fiel der Umzug nicht leicht. Ich vermisste meine Freunde, litt unter der Trennung von meinem Vater und fand mich nicht gut in meinem neuen Umfeld zurecht. Ich war schon immer ein ruhiges und introvertiertes Kind gewesen. Nach dem Umzug zog ich mich komplett zurück. Ich versuchte auf meine eigene Art, mit meinen Sorgen umzugehen. Ich versuchte, mich in eine Art Parallelwelt zu flüchten. Ich las jede Menge Bücher. Und irgendwann entdeckte ich die ersten Abenteuerromane für mich. Das sollte alles verändern.

Ich liebte die Fünf Freunde-Bücher. Oder die Geschichten von Huckleberry Finn. In meinem Kopf erlebte ich sie alle mit. Ich stellte mir vor, wie ich mit George, Julian, Dick, Anne und Timmy über die Pirateninseln streifte und geheime Schätze entdeckte. Oder wie ich mit Huckleberry und Tom Sawyer auf einem kleinen Floß den Mississippi entlangtrieb. Es half mir, meinen Alltag zu vergessen. Und es veränderte etwas in meinem Denken. In meinem Verständnis von der Welt. Ich begriff sie nicht mehr als einen schlechten Ort, an dem ich mich nicht zurechtfinden konnte. Ich begriff sie plötzlich als einen großen Abenteuerspielplatz. Und ich wollte diesen Abenteuerspielplatz entdecken.

Nach der Schule bin ich mit meinen Mitschülern oft in den Wald gezogen. Wir haben uns Baumhäuser eingerichtet, kleine Dämme am Bach gebaut oder sind einfach nur auf Schatzsuche gegangen. Ich wurde zu einem richtigen Draußen-Kind. Ich war noch immer eher ruhig und zurückhaltend, aber ich entdeckte nun auch meine wilde Seite, die mir bislang verborgen war. Für mich war alles, was ich jetzt anstellte, ein einziges großes Abenteuer. Und ich wurde süchtig nach Abenteuern.

Trotzdem fehlte mir mein Vater. Ich habe ihn sehr geliebt und konnte mich nur schwer mit dem Gedanken anfreunden, dass aus meinem Vollzeit-Papa ein Wochenend-Papa werden sollte. Meine Mutter merkte, wie sehr mich diese Wochenendbeziehung belastete, und an meinem zehnten Geburtstag erlaubte sie mir das erste Mal, dass ich ihn alleine besuchen durfte. Das war für mich das Größte. Sie brachte mich zu der Bushaltestelle in unserem Dorf, und von dort fuhr ich zum Bahnhof, wo ich in den Zug stieg und dann etwa vier Stunden nach Osnabrück unterwegs war.

Für mich war diese Fahrt das größte Abenteuer überhaupt. Und ich durfte es Woche für Woche ganz alleine bestehen. Der große, lange Zug mit all den fremden Menschen, die großen Bahnhöfe, an denen ich ein- und ausstieg, die vielen Fahrgäste, die kamen und gingen – für mich war das extrem aufregend.

Mein Vater war Spediteur und hatte ein eigenes Unternehmen. Er richtete sich in seiner Firma eine kleine Wohnung ein, und wenn er samstags arbeiten musste, bin ich über das riesige Gelände gestromert und habe mir dort kleine Hütten gebaut. An den Sonntagen versuchte mein Vater immer, mir etwas Besonderes zu bieten. Wir sind dann ins Disneyland Paris gefahren oder haben einen Tagesausflug nach Frankreich gemacht. In das Schlumpfdorf, das mittlerweile kein Schlumpfdorf mehr, sondern ein normaler Freizeitpark ist. Aber die großen Achterbahnen gab es damals schon.

Mein Vater war ein richtiger Oldschool-Typ. Ein echter Gentleman. Die Leute liebten seinen Charme. Er legte sehr viel Wert auf Höflichkeit und Respekt. Das impfte er mir richtig ein. »Jeder Mensch«, wiederholte er immer wieder, »hat deinen Respekt verdient. So lange zumindest, bis er dieses Recht verwirkt.« Kein Mensch kann sich frei machen von Vorurteilen. Aber es ist eine Stärke, seine Urteile auf den Prüfstand zu stellen und sie ändern zu können. Das hat sich mir stark eingeprägt. Mein Vater war aber auch ein Sturkopf. Ein Mann, der sich nie hat helfen lassen. Er dachte immer, er könnte seine Probleme selber lösen. Wenn er sich verletzte, ging er nicht zum Arzt. Das heilt schon von alleine, sagte er.

Und dann ist mein Vater gestorben. Ich war dreizehn Jahre alt, und sein Tod hat mich fertiggemacht. Er erlitt einen Herzinfarkt, den er eigentlich gut überstand. Zumindest dachten wir das. Er blieb noch einen Monat im Krankenhaus und starb völlig unerwartet an einem Folgeinfarkt im Schlaf. Als ich die Nachricht bekam, war ich vollkommen am Ende. Sein Tod hat mich komplett aus der Bahn geworfen.

Die wilde Seite, die ich an mir entdeckt hatte, wurde immer ausgeprägter. Als ich älter wurde, reichten mir die Abenteuer in den Baumhäusern nicht mehr. Ich war ein Kind der MTV-Jahre, und MTV stand damals ganz im Zeichen der Anarchie. Jackass war unser Lieblingsformat. Ein Haufen durchgeknallter Vollidioten, die den Tag über nichts anderes machen, als sich möglichst kreativ selbst oder gegenseitig in die Scheiße zu reiten. Das konnten wir auch. Wir vermengten eine riesige Schüssel Kartoffelpüree mit Ketchup und Mayo und verklebten damit die Hauswände unseres verhassten Nachbarn, wir wagten Sprünge von unseren Hausdächern in die Hecken der Nachbarn oder sind nachts in irgendwelche Schwimmbäder eingebrochen, um nackt zu baden.

Aber nachdem mein Vater gestorben war, verlor ich meine Mitte. Von diesem Moment an wurde aus dem wilden Kind ein Sorgenkind. Meine Sucht nach Abenteuern wurde immer größer, und ich geriet in einen Kreislauf, der mich immer tiefer runterzog. Meine Noten wurden schlechter, und je schlechter sie waren, desto mehr lenkte ich mich davon ab, indem ich noch mehr Mist baute, was wiederum einen noch schlimmeren Effekt auf meine schulischen Leistungen hatte.

Ich konnte einfach nichts mehr richtig machen. Einmal spielte ich mit meinen Jungs vor dem Schulunterricht eine Runde Basketball. Wir waren schon damals ziemlich heftig unterwegs, und gerade als ich zum spielentscheidenden Wurf ansetzte, wurde ich von einem Kollegen übelst gecheckt. Dabei muss mir irgendwie ein Wirbel rausgerutscht sein. Ich hatte höllische Schmerzen und ging zu meinem Sportlehrer, um ihm davon zu erzählen. Aber er kaufte es mir nicht ab. Er dachte, ich simuliere. Das schwarze Schaf in der Klasse war ich sowieso schon. Immer etwas zu vorlaut, immer etwas zu wild. Der Junge, der macht, was er will.

Darum schleppte er mich mit in den Stadtpark, wo an dem Tag Ausdauerlauf anstand. Jeder Schritt war für mich eine Qual, aber mein Lehrer zwang mich einfach weiterzulaufen. Irgendwann habe ich die Schmerzen nicht mehr ausgehalten. Meine Mitschüler konnten ihn davon überzeugen, dass ich nicht markierte, und er rief meine Mutter an, die mich vom Unterricht abholte. Als ich am nächsten Tag mit einer schweren Halsbinde in die Schule kam, schaute er mich zwar schuldbewusst an, eine Entschuldigung bekam ich von ihm aber nicht zu hören.

Zu diesem Zeitpunkt begann ich, ein sehr feines Gespür für Recht und Unrecht zu gewinnen. Ich wusste sehr genau, wann ich Mist gebaut hatte, und ich war immer bereit, dafür geradezustehen. Aber ich konnte es nicht ertragen, wenn ich oder irgendjemand anderes zu Unrecht bestraft wurde. Ich ließ mich sogar zum Klassensprecher wählen, weil ich das Gefühl hatte, auf diese Weise wäre ich in einer Position, in der ich die Willkür mancher Lehrer etwas ausbremsen könnte.

Aber es brachte alles nichts. In der neunten Klasse bin ich von der Schule geflogen. Ich kam von der Real- auf die Hauptschule, und das zwei Monate, bevor das Schuljahr vorbei war. Das war für mich eine furchtbare Demütigung. Auch weil ich in der fünften und sechsten Klasse ja auf dem Gymnasium angefangen hatte und langsam selber merkte, wie es Stück für Stück abwärts ging. Ich wurde vom ersten Tag an auf der neuen Schule in eine Schublade gesteckt. Das habe ich gehasst. Ich musste immer daran denken, was mein Vater mir gesagt hatte. Dass jeder Mensch eine Chance verdient. Und ich hatte das Gefühl, dass niemand bereit war, mir eine Chance zu geben, dass ich mich beweisen könnte.

***

Ich hätte meine Geschichte auch in Münster beginnen lassen können. Ein paar Jahre später in einer feucht-fröhlichen Nacht im November 2010. Eine Nacht, deren Folgen für mich bis heute spürbar sind. Ich war in einer schäbigen Kneipe gelandet und wurde in eine üble Schlägerei verwickelt, und Schuld daran hatte nur der Pauli – auf sehr indirekte Weise, zugegebenermaßen, und natürlich würde ich ihm nie einen Vorwurf deswegen machen. Die Sache war nämlich die: Ich hatte mich irgendwann doch noch zusammengerissen und meine Schule ordentlich fertig gemacht. Und das nur deshalb, weil ich immer die Worte von meinem Vater im Ohr hatte. »Wenn du in der Schule nichts leistest, landest du noch bei Pauli im Graben.« Der Pauli war unser örtlicher Bauunternehmer gewesen – und bei Pauli im Graben zu landen die Schreckensvision meiner Jugend. Bildung war für meinen Vater schon immer sehr, sehr wichtig. Mein Bruder hatte sein Abi gemacht, studiert und war mittlerweile Diplom-Elektroingenieur bei einem großen Unternehmen. Die Erwartungshaltung, dass ich entsprechend nachzog, lastete also auf meinen Schultern.

Nach der Schule...

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