Kapitel 1: Wozu Sie Finanzwissen brauchen
»Es ist besser, einigermaßen richtig als komplett falschzuliegen.«
(John Maynard Keynes, britischer Wirtschaftswissenschaftler, 1883–1946)
1.1 Vorspiel
Vor einiger Zeit baten mich die Inhaber eines familiengeführten Handwerksbetriebes darum, doch einmal ihre finanzielle Gesamtsituation zu analysieren und sie bei der weiteren Finanzstrategie zu beraten. Wie bei vielen Selbstständigen waren auch in diesem Fall sämtliche in den Betrieb eingebundenen Familienmitglieder vollauf mit ihren tagtäglichen Aufgaben innerhalb der Firma beschäftigt. Und da der Arbeitsalltag bei allen Beteiligten stets im Vordergrund stand, wurde die Planung der eigenen finanziellen Zukunft von der gesamten Familie eher verdrängt oder zumindest nur sporadisch thematisiert. Hier sollte ich also nun Abhilfe schaffen.
Als ich mich an die Sichtung der Finanzunterlagen machte, stellte ich zunächst einmal fest, dass im Laufe der Jahre zumindest zwei Bankberater sowie drei Versicherungsvertreter sehr gut an dieser finanziellen Planlosigkeit verdient hatten: Insgesamt hatten diese Berater der Familie sage und schreibe 15 verschiedene Aktien- und Rentenfonds vermittelt! Doch damit nicht genug: Abgesehen davon, dass meinen Mandanten viel zu viele Anlageprodukte verkauft worden waren, investierten auch noch drei der Fonds in ähnliche Werte. Meine Mandanten hatten also praktisch dreimal das gleiche Produkt gekauft – nur eben von verschiedenen Anbietern. Zweifellos wäre es sinnvoller gewesen, das Investment in den bereits vorhandenen Fonds einfach aufzustocken. Warum die früheren Berater diese Möglichkeit nicht erwähnt, sondern der Familie stattdessen empfohlen hatten, immer wieder Geld in neue (aber nahezu identische) Fonds zu stecken, war offensichtlich: Ihre Provision fiel wesentlich höher aus, wenn sie einen Kunden von einem neuen Anlageprodukt überzeugten, anstatt ihm zu empfehlen, das vorhandene Kapital in eine bereits vorhandene Anlage zu investieren.
Immerhin: Fünf der genannten Fonds entpuppten sich als durchaus solide, und so riet ich meinen Mandanten, diese weiterhin zu behalten. Die Anteile an den zehn übrigen Fonds dagegen wurden auf mein Anraten hin verkauft. Mit dem dadurch frei gewordenen Kapital konnte die Familie ihre Investition in aussichtsreichere Anlageformen erhöhen. Als ich meine Mandanten im Laufe der Beratung fragte, warum sie die ursprünglichen (und größtenteils unsinnigen) Investitionen überhaupt getätigt hatten, reagierten sie mit einem hilflosen Schulterzucken: »Na ja, das wurde uns halt so empfohlen.«
Dieses Beispiel aus meiner täglichen Praxis als Finanzberater ist keineswegs eine Ausnahme. Stellvertretend für viele andere, ähnlich gelagerte Mandantenanfragen soll es Ihnen vor allem zeigen, was heutzutage wichtig für Anleger ist: seriöse und unabhängige Finanzinformationen zu erhalten. Dabei möchte ich Ihnen helfen.
1.2 Wozu Finanzwissen?
»Insgesamt verloren die deutschen Haushalte als Folge der Finanzkrise Geldvermögen in Höhe von etwa 260 Mrd. Euro«, heißt es in einer Pressemitteilung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge vom Juli 2009. Als ob diese Zahl alleine bereits nicht erschreckend genug wäre, legt das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz sogar noch nach: Rund 30 Milliarden Euro jährlich gehen Verbrauchern demnach hierzulande pro Jahr (!) verloren, weil sie sich in finanziellen Dingen falsch beraten lassen, so das Ministerium.
Höchste Zeit also, dass sich in dieser Hinsicht etwas ändert! Vermutlich war genau dies einer der Gründe dafür, dass Sie sich für den Kauf dieses Buches entschieden haben. Denn so, wie ein gutes Fundament die Grundlage für einen Hausbau bildet, benötigen Sie ein tragfähiges Fundament für Ihre zukünftigen Finanzentscheidungen. Auf den folgenden Seiten helfe ich Ihnen, Ihr persönliches Wissen so zu erweitern, dass Sie nach der Lektüre auf einem soliden Fundament in Sachen Finanzplanung und Geldanlage aufbauen können.
»Aus Fehlern lernt man«, weiß der Volksmund, und von dem österreichischen Schriftsteller Alfred Polgar stammt der Satz: »Erfahrung verbessert die Einsicht, ohne unsere Absichten zu verändern.« Bezieht man die beiden Weisheiten auf die gravierenden Veränderungen der vergangenen Jahre in der Finanzwelt, dann kann man schlussfolgern: Nach den Erfahrungen, die viele Verbraucher in finanzieller Hinsicht gemacht haben – nicht zuletzt im Zuge der weltweiten Finanzkrise, aber auch ganz allgemein aufgrund mangelhafter Beratung –, sind sie hoffentlich klüger geworden und schaffen es, ihre zukünftige persönliche Geldanlagestrategie zu verbessern.
Das Interesse zumindest scheint vorhanden: Laut der sogenannten DIA-Deutschland-Trend-Vorsorge des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (DIA) vom März 2009 ist die Zahl der Bundesbürger, die sich infolge der Finanzkrise verstärkt Gedanken über ihr finanzielles Auskommen im Alter machen, deutlich gestiegen (Quelle: www.all4finance.de). Und immerhin ein knappes Viertel der Befragten gab an, in den kommenden zwölf Monaten mehr für die eigene Altersvorsorge tun zu wollen.
Egal, ob Sie sich persönlich ebenfalls zu dieser Gruppe zählen: Eine der wichtigsten Erfahrungen aus der Finanzkrise sollte in jedem Fall die Erkenntnis sein, dass sich die sogenannte Bankberatung im Laufe der Jahre mittlerweile in einen reinen Provisionsverkauf verwandelt hat. Viele Bankkunden mussten am eigenen Geldbeutel die schmerzhafte Erfahrung machen: Die Interessen von Anleger und Berater passen in vielen Fällen ganz einfach nicht mehr zusammen. Genau aus diesem Grund aber ist es die Aufgabe eines jeden verantwortungsbewussten Anlegers, sich genauestens und sorgfältig über die wichtigsten zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur Geldanlage zu informieren. So, wie es heutzutage beispielsweise für einen Stromkunden selbstverständlich ist, die Tarifbedingungen der einzelnen Anbieter zu studieren, sollte dies auch der Bankkunde tun. Allerdings – und hier liegt das Problem – ist die Materie für den Stromkunden in der Regel leichter zu durchschauen ist als für einen Bankkunden.
Hätten Sie jemals geglaubt, dass eine Bank komplett pleitegehen könnte (Stichwort: Kaupthing und Lehman)? Hätten Sie es für möglich gehalten, dass die Dresdner Bank, das drittgrößte deutsche Finanzinstitut, von einem ihrer schärfsten Mitbewerber (der Commerzbank) einfach aufgekauft wird? Dass es sich bei der Bayerischen Hypo- und Vereinsbank mittlerweile nur noch um eine Filiale der italienischen UniCredit Group handelt? Auch, dass mit der Industrial and Commercial Bank of China inzwischen eine chinesische Bank in den Kreis der weltweit zehn größten Kreditinstitute vorgedrungen ist, hätte noch vor ein paar Jahren kaum jemand für möglich gehalten.
All dies verdeutlicht vor allem eines: Wir alle als Verbraucher und Bankkunden müssen uns bewusst machen, dass wir in Deutschland nicht länger auf einer Insel der finanziellen Unschuld leben. Als Exportweltmeister war unsere Industrie bereits seit Längerem daran gewöhnt, von ausländischen Märkten abhängig zu sein – nun hat sich diese Abhängigkeit auch auf den Sektor der Finanzwelt ausgedehnt und wird in den kommenden Jahren eher noch zunehmen. Kurzum: Alle Finanzentscheidungen, die wir persönlich für uns selbst treffen, sollten wir in Zukunft verstärkt vor dem Hintergrund globaler Märkte betrachten.
Keine Angst: Mit diesem Buch geht es mir keinesfalls nur darum, ständig den Finger in die Wunde zu legen und über die Finanzkrise zu jammern. Damit ist letztlich niemandem geholfen. Ich möchte vielmehr aufzeigen, dass wir alle aus der Krise lernen können – allerdings nur, sofern wir gewisse Grundregeln in Bezug auf den Finanzmarkt verstehen und verinnerlichen. So sollten wir uns unter anderem zunächst einmal fragen, wie es überhaupt zu der weltweiten Finanzkrise hat kommen können. Das wichtigste Stichwort, das mir persönlich in diesem Zusammenhang sofort einfällt, lautet »Verbriefung«.
Was es damit auf sich hat, erkläre ich Ihnen anhand eines Beispiels: Nehmen wir an, ein großer Automobilkonzern benötigt 500 Millionen Euro, um eine neue Produktionsstätte zu errichten – Lagerhallen und Maschinenpark inklusive. Diesen Wunsch trägt der Finanzvorstand des Konzerns der Firmen-Hausbank vor und bittet um einen entsprechenden Kredit. Was die Bank dann macht, kennt jeder, der schon einmal eine Immobilie finanzieren wollte: Der Antragsteller wird genauestens unter die Lupe genommen, sprich: Die Bilanzen und Auftragsbücher des Automobilherstellers werden analysiert, um zu schauen, ob der Kreditnehmer solvent ist.
Nehmen wir weiter an, dass die meist wochenlangen Analysen der Bank letztlich ergeben haben, dass der Antragsteller tatsächlich über ausreichenden Cashflow (zukünftige zu erwartende Einnahmen) verfügt. Außerdem gibt es als Sicherheiten das Firmengelände sowie gut gefüllte Auftragsbücher. Dann wird die Bank dem Automobilkonzern sagen: »Gut, wir gewähren euch den gewünschten Kredit über 500 Millionen Euro.« So weit, so gut. Doch was dann passiert, ist das eigentlich Interessante – und verdeutlicht, wie es überhaupt zur weltweiten Finanzkrise hat kommen können.
Die Bank setzt in unserem Beispiel nämlich keineswegs eigene vorhandene Mittel ein! Dafür ist ihr das Risiko, das mit der Bereitstellung eines solch hohen Betrages verbunden ist, dann doch zu groß. Denn falls etwas schieflaufen (also der Automobilkonzern wirtschaftlich ins Trudeln geraten) sollte, dann haftet die Bank für den Kredit – und sonst...