Service-Support
Betreff: Ihre Störungsmeldung
Kennzeichen: Niese/Sabine/Leben/Gesundheit
Bitte vergewissern Sie sich, dass folgende Schritte korrekt durchgeführt wurden:
Vorbereitung: Überzeugen Sie sich, dass Ihr Körper eingeschaltet und auf den Gesundheits-Wiedergabekanal eingestellt ist. Schalten Sie den Gesundheitskanal an und wählen Sie ein beliebiges Programm mit Ausnahme von »ALS«, »amyotrophe Lateralsklerose« und Motoneuronenerkrankung.
Starten Sie den automatischen Suchlauf. Wählen Sie dann ein Programm wie zum Beispiel Gesundheit, Wohlbefinden oder Gesundheitswiederherstellung. Drücken Sie nach beendeter Einspeicherung aller gewünschten Programme die Taste »Tuner Preset« zweimal.
Abstimmverfahren für direkte Kanaleingabe
Wenn die Programmplätze bekannt sind, auf denen die gewünschten Sender empfangen werden, können Sie diese anhand des folgenden Verfahrens einspeichern:
Halten Sie die Taste »Tuner Preset« länger als 2 Sekunden gedrückt. Wählen Sie einen Programmplatz mit den Tasten »+« und »-«.
Geben Sie den Programmnamen mithilfe Ihrer Gedanken ein.
Drücken Sie die Taste »Next« und wiederholen Sie die Schritte 1 bis 3 für jeden einzelnen Programmplatz.
Drücken Sie anschließend die Taste »Tuner Preset« zweimal!
Feinabstimmung:
Halten Sie die Taste »Tuner Preset« länger als 2 Sekunden gedrückt.
Drücken Sie die Taste »Feinabstimmung«.
Drücken Sie die Tasten »<« und »>«, bis das Programm optimal eingestellt ist.
Die Anzeige der Symptome erlischt, sobald das Programm optimal eingestellt ist. Drücken Sie abschließend die Taste »Tuner Preset«.
Sollten die genannten Probleme dennoch bestehen bleiben, wenden Sie sich bitte an einen Kundendienst in Ihrer Nähe.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Service-Team
Endlich, eines Morgens, etwa eine Woche nach der Entlassung, war der Datenstau im Gehirn abgetragen und ich erahnte einen Bruchteil von dem, was da auf mich zukam. Ich konnte mich nun endlich dem Inhalt des fremden Koffers zuwenden. Da saß ich dann auf meiner Bettkante und betrachtete, was mir das Schicksal im Trenchcoat überlassen hatte. Oh mein Gott, das war ganz und gar nicht meins … das ist mindestens eine Nummer zu groß für mich, stellte ich entsetzt fest.
Mein Gehirn erwachte wieder zu neuem Leben und ich merkte, wie meine Gedanken umherstreiften wie eine eingesperrte Löwin. Ich wollte mich auf keinen Fall damit zufriedengeben und darauf warten, bis mir jemand ein Stück angegammeltes Fleisch hinwarf. Ich musste was tun. Und so wurde ich zur Löwenmutter. Na gut, jede Mutter ist wahrscheinlich irgendwie eine Löwenmami, damals aber wurde ich dazu bestimmt, noch grün wie Hulk. Also, da war sie nun, die grüne Löwenmutti. Wild entschlossen, nicht verwundet in der Steppe liegen zu bleiben, sondern auf Angriff zu gehen. Nur: Wen sollte ich angreifen, wenn sich so spontan kein Opfer bot? Ich wollte nicht mein Leben zerpflücken mit: hätte, könnte und wenn. Denn wie ich zu sagen pflegte: Hätte meine Tante Eier, wäre sie mein Onkel.
Aber braucht man ein Opfer, um auf Angriff zu gehen? Und überhaupt, war ich nicht das Opfer und wollte mich durch Angriff irgendwie selbst befreien? Ich wollte meinen Koffer zurückhaben! Ernüchtert stellte ich schnell fest, dass ich weder die Kraft hatte, eine Löwenmutter zu sein, noch den Angriff zu starten. Ich war wohl eher eine Ertrinkende, die auf den Rettungsring hoffte. Gut! Also mal schauen: Wer könnte mir einen zuwerfen? Im Moment war kein Held in Sicht, also immer schön weiterstrampeln, die Augen offen halten und nur nicht aufgeben. Einen ganzen Tag schaffte ich das, dann war mir klar: Auch das war keine Lösung. Es stehen ja nicht überall die Helden am Strand.
Aber manche, wie ich an diesem Tag feststellte, stehen dafür im Telefonbuch.
Ich brauchte eine Art Kundenservice. Anrufen, Problem schildern und dann wird einem Step by Step erklärt, was zu tun ist. Und sollte es so nicht klappen, schicken sie einen Außendienstmitarbeiter vorbei.
Im Krankenhaus hatte ich bereits eine Beratung vom Sozialdienst erhalten. Aber wer soll sich unter diesen Umständen irgendetwas merken können? Es wurde über Rente, Pflegestufe und Schwerbehinderung gesprochen. Diese Themen schob ich aber erst mal ganz weit weg von mir. Also, so schlimm steht es ja noch nicht um mich! Hallo, ich bin Mitte dreißig. Und so prallte diese Beratung fruchtlos an mir ab.
Nun aber brauchte ich dringend eine Beratung, nur wo konnte ich hingehen? So, erst mal überlegen. Ich hatte überhaupt keine Lust, zu irgendeinem Amt zu gehen. Und da kam mir die Kirche in den Sinn. Wenn die mir nicht helfen, wer dann sonst? Ich blätterte im Telefonbuch und entschied mich für die Diakoniestation. Schwups, und ich hatte einen Beratungstermin. Ich war vorsichtig überrascht. Sollte es tatsächlich Hilfe geben?
Zwei Tage später machten wir uns mit dem vertauschten Koffer auf dem Weg zur Beratungsstelle. Nach dem Gespräch war uns klar: Dies wird kein Walt-Disney-Märchen, aber man kann eventuell Schadensbegrenzung betreiben und einiges regeln. Ausgestattet mit einem Plan für das weitere Vorgehen, mit weiteren Adressen, Telefonnummern und mit neuem Mut verließen wir die Diakoniestation.
Bis heute ist der nette Berater dort einer meiner persönlichen »Retter«. Er hat mir zwar nicht den Rettungsring zugeworfen, aber ich hatte das Gefühl, dass er ein Stück mit mir in diesem kalten Wasser geschwommen ist, mir gut zugeredet hat, mir das Ufer gezeigt hat. Gut, das Ufer konnte ich nicht wirklich sehen, aber ich hatte an diesem Tag, nach diesem ersten Gespräch in der Beratungsstelle, das Gefühl, irgendwo am Horizont das Leuchtturmfeuer zu erahnen.
Unser nächster Gang führte uns zum Integrationsamt, vielmehr kam die freundliche Frau zu uns. Wir erhielten sehr viele Informationen, aber das Beste war, dass sie ein Gutachten über die Wohnung verfasste, in der wir lebten, und uns so einen raschen Umzug ermöglichte. Nun haben wir ein schönes Haus im gleichen Ort, alles, was ich brauche, ist im Untergeschoss und für mich gut zu erreichen. Wir haben einen kleinen Garten und eine Terrasse. Nur die Kinderzimmer der beiden Großen sind oben, aber ich glaube, das finden die gar nicht so schlimm. So sehe ich wenigstens ihre Unordnung nicht.
Die Frau vom Integrationsamt schickte auch ihre Kolleginnen zu uns. Es kam zum Beispiel eine Mitarbeiterin, die uns die verschiedenen Pflegestufen erklärte und mit uns sozusagen »übte«. Das hat uns sehr geholfen und brachte für uns einen großen Aha-Effekt. Vorher hatten wir noch nie darüber nachgedacht, wie oft ich eigentlich am Tag aufs Klo muss …
Eine Mitarbeiterin war auch dabei, als der MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) zu uns kam. Das hat uns sehr beruhigt, denn ich hatte viele erschreckende Beiträge über Begutachtungen des MDK im Internet gelesen. Aber es war dann gar nicht schlimm. Der Herr vom MDK war auch sehr nett und stufte mich in die Pflegestufe 2 ein. Tja, sollte ich mich darüber freuen?
Im ersten Moment freute ich mich. Wieder eine Hürde genommen. Doch wirklich toll ist so eine Begutachtung nicht. Es geht ja nicht darum, wie gut du etwas kannst, und du bist ja auch nicht bei den Topmodels und es hagelt Komplimente. Nein, es wird festgestellt, was du nicht mehr kannst. Und mal ehrlich, wer lässt sich das schon gerne sagen, und noch viel schlimmer, wer erzählt so was schon, um etwas zu bekommen? Nun war meine Welt nicht nur völlig aus den Fugen geraten, sie stand auch noch Kopf. Meine Belohnung für die ganzen Defizite war also Pflegestufe 2.
Irgendwie wollte Freude so recht nicht aufkommen, und ich hoffte inständig, dass ich bis zur Pflegestufe 3 noch viel, viel Zeit haben würde. Ich versuchte diesen Tag irgendwie ausklingen zu lassen, ohne groß darüber zu reden. Aber das gelang mir natürlich nicht. Eine Frage wurde einfach nicht geklärt – für das Amt schon, für mich aber nicht: Warum bekommen Männer 5 bis 10 Minuten am Tag fürs Rasieren angerechnet, ich als Frau aber keine einzige Sekunde, wenn ich meine Tage habe? Da muss man doch mal drüber sprechen, oder nicht? Wenn ich meine Tage habe, fühle ich mich unwohl. Möchte öfters duschen und auch die Toilettengänge dauern länger. Einzelheiten führe ich jetzt nicht aus. Na ja, aber so ist das eben und ich fände es deshalb nur gerecht, wenn man dann statistische Minuten dazubekäme. Aber das gilt nicht, denn deine Tage hast du ja nur fünf Tage im Monat, also ist das kein überwiegender Bedarf. Ich fühlte mich wirklich benachteiligt und gerecht finde ich das auch heute noch nicht. Aber da ich mittlerweile erkannt habe, dass es in den Pflegegesetzen ausreichend andere und größere Fehler gibt, wäre es wohl Blödsinn, sich damit aufzuhalten.
Wir diskutierten dennoch mit dem MDK darüber, allerdings erfolglos, und ich beschloss dann, das so hinzunehmen, denn ich brauchte ja meine Kräfte, um den Koffer zurückzutauschen, und damit wäre dann die ganze Pflegesache ohnehin vom Tisch. Aber bevor ich die Pflegesache vom Tisch hatte, mussten wir den Tisch erst einmal ausziehen, denn warum einfach, wenn es auch kompliziert geht.
Die Wochen verstrichen und wir hörten nichts mehr wegen der Pflegestufe. Irgendwann kam dann heraus, dass meine vorherige Krankenkasse meine Versicherungszeiten nicht herausrückte und deshalb meine Pflegestufe nicht bewilligt werden konnte, denn es musste zunächst...