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Spielend Lernen in der Kinderkrippe: Eine Analyse des Spielverhaltens von Kleinkindern in vier Krippengruppen

AutorPetra Schneider-Andrich
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl136 Seiten
ISBN9783842817289
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Der Alltag und die Umgebung unserer Kinder haben sich in den letzten Jahrzehnten enorm gewandelt. Das spontane, freie und ausgelassene Spiel auf den Straßen, auf dem Feld, im Wald, mit anderen Kindern, ist nur noch selten bis gar nicht mehr möglich - die Bullerbü-Zeiten sind vorbei. Denn Freunde wohnen oftmals kilometerweit voneinander entfernt und sind nur mit Verkehrsmitteln erreichbar. Oder die bauliche und infrastrukturelle Gestaltung der Städte verbietet Kindern allein draußen zu spielen, weil Straßen mit viel Verkehr oder beengte Räume zu gefährlich sind. Zudem gibt es zahlreiche Plätze, an denen das Spielen der Kinder untersagt ist. Die Kinder können sich meist nur zu Hause allein und isoliert beschäftigen, während die Eltern ihren Aufgaben nachgehen. Häufig fehlen Geschwister, so dass es beim Alleinspiel bleibt. Die Eltern versuchen durch allerlei Spielsachen, die Kinder zu entschädigen. Die Kreativität und natürliche Spiellust der Kinder geht dabei allerdings verloren, so dass oft nur noch Computer oder Fernseher helfen können, die Kinder zu beschäftigen und Langeweile zu vertreiben. Die wenige gemeinsame Zeit, die den Eltern mit ihren Kindern bleibt, wird oft für gezielte Angebote und Kurse genutzt. Durch die wachsende Leistungserwartung in der Gesellschaft sind auch Eltern in verstärktem Maße angehalten, ihre Kinder frühzeitig zu fördern. Daneben gibt es einen ganz erheblichen und steigenden Anteil an Familien, bei denen dies nicht möglich ist, denn sie sind von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen. Die daraus folgende Frustration und Depression überschatten den familiären Alltag und lassen sorglose Kindermomente selten zu.
All diese Phänomene zeigen einen Aspekt auf: Kinder erhalten heute immer seltener die Möglichkeit frei zu spielen. Ihnen wurden natürliche Räume, Zeiten und Möglichkeiten genommen. Es ist unsere Aufgabe ihnen genau diese Räume und Gegebenheiten wieder zur Verfügung zu stellen. Öffentliche Betreuungseinrichtungen können solch ein Ort dafür sein. Als kreative Begegnungsstätte und freien Lebensraum ermöglichen sie den Kindern auf Peers zu treffen, mit denen sie nach eigenen Vorstellungen spielen können.
Eine Form einer außerfamiliären Betreuung ist die Kinderkrippe. Das Anliegen des vorliegenden Buches ist, mit den heute noch vorkommenden Vorurteilen gegenüber Kinderkrippen ein Stück weit aufzuräumen und zu zeigen, dass Krippenkinder nach ihren Bedürfnissen begleitet und gefördert werden können, wenn sie eine sinnvolle, wenn nicht sogar notwendige, außerfamiliäre Betreuung erhalten. Die Krippe ist keine bloße Verwahrung für Kinder, deren Eltern arbeiten müssen. Sie ist eine Bildungsinstitution, die Kinder in ihrer Entwicklung zusätzlich zur Familie fördern und unterstützen kann.

Petra Schneider-Andrich, Jahrgang 1982, studierte Diplom-Soziologie an der Freien Universität in Berlin mit den Schwerpunkten Bildungssoziologie der frühen Kindheit und Erziehungswissenschaft. Bereits während ihres Studiums sammelte die Autorin umfassend Erfahrungen im Bereich der Qualitätsfeststellung, -sicherung und -entwicklung in Kindertagesstätten und Kinderkrippen. Ihre Begegnungen mit der Praxis motivierten sie, sich im Rahmen ihrer Diplomarbeit der Thematik des vorliegenden Buches zu widmen und damit einen Beitrag zur wissenschaftlichen Begleitung des Krippenausbaus in Deutschland zu leisten. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Peerbeziehungen im frühen Kindesalter, Gruppenprozesse in der frühen außerfamiliären Betreuung sowie qualitative Betreuungsbedingungen für Kinder unter drei Jahren in Deutschland.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 5, Die Bedarfsfrage: Knapp 10% der unter drei Jahre alten Kinder besuchen heute eine Krippeneinrichtung, wohingegen 43% der Kinder privat von anderen Personen betreut werden. Es scheint also ein Defizit an außerfamiliären Betreuungsangeboten vorhanden zu sein, so dass viele Eltern auf den Bekanntenkreis zurückgreifen müssen. Es stellt sich also die Frage, inwieweit der Bedarf der Eltern an Betreuungsplätzen von den Kommunen tatsächlich abgedeckt wird. Untersuchungen zur Erwerbstätigkeit von Müttern haben gezeigt, dass solche, die derzeit noch drei Jahre zu Hause bleiben, öfters zeitiger beginnen wollten zu arbeiten, wenn es entsprechende Betreuungsangebote gäbe. Mit dem neuen TAG liegt es nun bei den Ländern und Kommunen, bis 2010 eine genaue Bedarfsfeststellung durchzuführen. Dabei ist entscheidend, welche Bedarfskriterien zu Rate gezogen werden. Dazu hat der Bund jetzt ein Konzept zur Bemessung eines Mindestbedarfs vorgelegt. Demnach müssen mindestens dann Krippenplätze zur Verfügung gestellt werden, wenn die Eltern berufstätig, in Ausbildung, an einer Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit im Sinne des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt beteiligt sind oder die Gefährdung des Kindeswohls abgewehrt werden muss. Jedoch können auch noch andere Gründe dafür sprechen, dass eine außerfamiliäre Betreuung notwendig ist, zum Beispiel: aus Sicht der Eltern und des Kindes: Arbeitssuche, Wunsch nach Selbstverwirklichung, alleinerziehend, kranke und pflegebedürftige Familienmitglieder, Erkrankung eines Elternteils, ehrenamtliches Engagement, Kompensation nicht-deutscher Herkunft oder sozialer Benachteiligung, Ausgleich weniger Sozialkontakte, Bildungsprozesse ermöglichen. aus wirtschaftlicher Sicht: Erhaltung qualifizierter Arbeitskräfte ohne lange Pause, Leistungsfähigkeit und Qualifikationen unterstützen und erhalten, Erhaltung von Humankapital. aus staatlicher Sicht: Schaffung einer Gesellschaft mit gebildeten Mitgliedern, welche die Gesellschaft mit Innovationen und Neuerungen weiterbringen kann, Einnahmen durch Einzahlungen (Steuern), Schaffung neuer Arbeitsplätze, Unterstützung hoher Geburtenraten. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen Bedürfnis und Bedarf. Bedürfnisse sind individuelle Mangellagen, vor allem der Eltern und des Kindes. Sie sind die: '... subjektiven Wünsche, Interessen und Forderungen von Personen [...] zu einem Sachverhalt...'. Zum Beispiel hat eine Mutter das Bedürfnis nach außerfamiliärer Betreuung, damit sie ihren kranken Vater pflegen kann. Solche Bedürfnisse müssen aber gesellschaftlich konsensfähig sein, damit sie eine Chance auf Anerkennung und Erfüllung haben. Der Bedarf ist dann die kollektiv ausgehandelte und akzeptierte Mangellage. Es ist eine normative Kategorie, mit der die: '... Bedürfnisse und Nachfrage unter Berücksichtigung bestimmter Kriterien ermittelt, evaluiert und gebilligt werden...'. Die Feststellung des Bedarfs ist immer ein hoheitlicher und demokratischer Akt, der in einem dynamischen Aushandlungsprozess unter Berücksichtigung aller Beteiligten und gegebenen Situationen festgelegt wird. Eine Bedarfseinschätzung ist somit auch immer ein Indikator dafür, wo die Prioritäten einer Gesellschaft liegen. Was für die eine ein Luxusgut darstellt und als Bedarf nicht anerkannt würde, ist für die andere eine Selbstverständlichkeit. Es gibt in Deutschland verschiedene Bedarfsmessungen, die zum Teil auf unterschiedlichsten Kriterien beruhen und deswegen unterschiedliche Bedarfslagen ermitteln: Die Bedarfserhebungen der Jugendämter: Jede Kommune hat aufgrund des neuen TAG ihre eigene Bedarfsumfrage durchgeführt oder führt sie noch bis 2010 durch. Die kommunalen Befragungen unterscheiden sich voneinander stark in der Formulierung der Fragen und der Themenspannbreite, weshalb die Schätzungen für den Bedarf an Krippenplätzen in den Kommunen zwischen 30% bis 60% variieren. Deutlich wurde aber bei allen, dass die Eltern die institutionelle Betreuung in einer Krippe der Tagespflege vorzögen, eindeutig mehr Ganztagsplätze gebraucht würden und der angegebene Bedarf bei einer in Aussicht gestellten finanziellen Entlastung stiege. Das Sozioökonomisches Panel (SOEP): Das SOEP befragt alle 4 Jahre unter anderem Eltern zu unterschiedlichsten Themen, so auch zu den Bedürfnissen gegenüber Kinderbetreuung. So konnte bei der letzten Erhebung ermittelt werden, dass der Bedarf auf ca. 56% ansteigen würde, bezöge man auch unspezifische Bedürfnislagen, wie Krankheit, Erwerbssuche, soziale Benachteiligung, etc., mit ein. Betrachtet man zum Beispiel nur die Erwerbstätigkeit der Mütter, läge der Bedarf bei 11%, bezieht man aber den Erwerbswunsch mit ein, wäre er schon bei 27%. Sachsen-Anhalt: In Sachsen-Anhalt gibt es einen Rechtsanspruch auf Betreuung für alle Kinder von Geburt an. Deswegen kann man in diesem Bundesland am besten beobachten, wie viele Krippenplätze bei ausreichender Verfügbarkeit tatsächlich auch in Anspruch genommen werden. Es besuchen dort 5% der unter ein Jahr alten, 50% der einjährigen und 70% der zweijährigen Kinder eine Krippe. Insgesamt sind es 48% aller Null- bis dreijährigen, die den Rechtsanspruch nutzen. Somit liegt der Bedarf auch hier bei etwa 50%. Ähnlich in Schweden, wo Kinder ab dem ersten Lebensjahr Anspruch auf einen Platz haben und 48% der Null- bis dreijährigen eine öffentliche Einrichtung besuchen. In allen Bedarfserhebungen wird deutlich, dass in Deutschland die Betreuung der unter drei Jahre alten Kinder den Interessen der Eltern und Kinder bei weitem noch nicht gerecht wird. Geht man von einer maximalen Nachfrage unter Berücksichtigung aller verschiedenen Bedürfnisse aus, müssten ca. 1,2 Millionen neue Plätze geschaffen werden. Zurzeit rechnet man noch nicht mit wachsendem Bedarf in den westlichen Bundesländern, da viele Mütter aufgrund der traditionellen Rollenmuster lieber zu Hause ihr Kind versorgen wollen. In den neuen Bundesländern ist mit 40% der Bedarf heute schon weitgehend gedeckt. Deswegen strebt der Bund nun erst einmal bis zum Jahre 2010 einen gesamtdeutschen Versorgungsgrad von 20% an. In Westdeutschland benötigt man dafür 620.000 neue Plätze, ca. 25.000 wären es in den neuen Bundesländern. Diese pauschalen 20% stellen aber nur den Anfang im Ausbau des Frühbetreuungssystems dar, will man den Bedarfsschätzungen annähernd gerecht werden. Vor allem das Bedürfnis des Kindes nach früher Bildung wird bisher nicht berücksichtigt, dieser würde nämlich einen Rechtsanspruch für alle Kinder mit sich bringen, und derlei Bedarfserhebungen überflüssig machen.
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