Vorwort zur deutschen Ausgabe
Fast mein ganzes Arbeitsleben lang hatte ich zwei Jobs: einerseits, abgetauchte Personen aufzuspüren, und andererseits, Menschen dabei zu helfen, spurlos zu verschwinden. Zu beiden Dienstleistungen gehört unabdingbar zweierlei, nämlich Informationsbeschaffung und Täuschung. Es gibt nicht immer einen geradlinigen Weg, Leute verschwinden zu lassen, und das gilt noch mehr, wenn man untergetauchte Personen ausfindig machen will. Der Grund dafür ist, dass Daten und Informationen in verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich geschützt werden. Für mich als Profi ist das allerdings kein Hindernis, sondern eher eine Herausforderung.
Wo es darum geht, sich Zugang zu bestimmten Daten über eine Person oder eine Organisation zu verschaffen, gibt es keine Sprachbarrieren oder rechtlichen Hürden, die einen Personenfahnder oder Betrüger wirklich aufhalten könnten. Es geht nur um Informationen, und solange es ein Telefon gibt und die Person am anderen Ende der Leitung Zugang zu den benötigten Daten besitzt, hat der Schnüffler in den meisten Fällen leichtes Spiel. Nur weil Regierungen Datenschutzgesetze erlassen, heißt das noch lange nicht, dass sich die Leute auch daran halten. In Wirklichkeit erhöhen strengere Gesetze nur den Preis der Informationen, halten die Wölfe aber nicht fern. Ich weiß das sicher, weil ich zwanzig Jahre lang selbst einer von ihnen war.
Wer sich gefährlichen Verfolgern entziehen will und zu verschwinden beschließt, muss einer unbequemen Wahrheit ins Auge sehen: Professionelle Personenfahnder werden alles daransetzen, ihre Beute zur Strecke zu bringen, auch wenn sie dazu Gesetze brechen müssen. Der gesetzliche Schutz Ihrer Mobilfunk- und Bankdaten ist für entschlossene Jäger kein Hindernis, und Ihre Geheimnisse sind auch bei Ihren Freunden und Familienmitgliedern nicht sicher. Vergessen Sie nie: Letztlich kann man an alle Informationen herankommen, ganz gleich wie tief sie vergraben sind.
Es besteht ein Missverständnis darüber, wie professionelle Personenfahnder zu Werke gehen. Wir müssen nicht notwendigerweise detaillierte Informationen über eine Zielperson besitzen. Was wir brauchen, ist ein Detail, das die Person von anderen Personen mit demselben Vor- und Zunamen unterscheidbar macht. Dieses Detail ist die eigentliche Personenkennung.
Einige Länder wie die Vereinigten Staaten machen es leicht, nach Personen zu suchen, da vielerorts eindeutige Personenkennzeichen wie die Sozialversicherungsnummer, das Geburtsdatum und andere Daten hinterlegt werden und sich relativ leicht ermitteln lassen. Es gibt außerdem eine Fülle von Datenbanken, die alte Telefonnummern, frühere Adressen und Verwandte der gesuchten Person auflisten. Dabei ist es gar nicht unbedingt von Vorteil, sehr viele Daten über eine gejagte Person zur Verfügung zu haben, denn in einer Flut von Informationen können Fahnder leicht den Überblick verlieren. Zudem wird vieles davon veraltet oder nutzlos sein. Man darf Daten und ihre leichtere oder schwerere Zugänglichkeit also nicht überbewerten: Es sind nicht Datenbanken, die eine Person aufspüren, sondern spezialisierte Menschenjäger. Eine gute Spürnase ist von Informationen nicht abhängig; Personenfahnder suchen nach den Fußabdrücken, die eine Zielperson zurückgelassen hat, und nach den Spuren, die Freunde und Familienmitglieder über sie erzeugt haben.
Wenn in der Öffentlichkeit vom Schutz persönlicher Daten und der Privatsphäre die Rede ist, denkt man für gewöhnlich an digitale Daten. Diese Auffassung ist kurzsichtig und konzentriert sich auf Mobilfunk-, Bank-, Internet- und andere Daten, die sich mit Computern ermitteln und abfischen lassen. Diese Vorstellung verleitet uns dazu, die beileibe nicht digitalen Handlungen und Fußspuren der Menschen außer Acht zu lassen.
Ein guter Personenfahnder sucht jenseits bloßer Informationen über die Zielperson nach den Spuren, die diese zurückgelassen hat oder die zu ihr führen. Ich brauche nicht unbedingt ein Geburtsdatum, eine Versicherungs- oder Personalausweisnummer. Es spielt dabei auch gar keine Rolle, ob ich Personen aus Deutschland, Frankreich, Österreich oder von den Fidschi-Inseln suche. Noch einmal: Ich benötige nur ein Detail, um die Person zu identifizieren und aufzuspüren. Das könnte der Name einer Schule sein, die sie besucht hat, der Name ihrer Schwester, ihr Geburtsort, ein Facebook-Post über eine Familienfeier, ihre Erwähnung in einem Blog oder ein alter Zeitungsartikel. Ein Detail wird mich zu ihrer Haustür führen.
Bei jeder Ermittlung frage ich mich vorher, für wen ich mich ausgeben will. Tue ich so, als wäre ich selbst die gesuchte Person, und erkundige mich nach meinen eigenen Daten, oder trete ich als Angestellter einer Telefongesellschaft, einer Bank oder einer staatlichen Behörde auf, um Zugriff auf ihre Kundenkonten zu erlangen? Sagen wir, ich müsste zu einer Mobilfunknummer einen Namen und die dazugehörige Adresse herausfinden. Ich könnte leicht die Nummer anrufen und ihrem Eigentümer einen Bären aufbinden:
»Hallo, Udo Täusch von DPD, wir haben ein nicht zustellbares Päckchen für Sie.«
Aus schierer Neugier wird die Person fragen, von wem es ist und wie sie es erhalten kann.
»Das Päckchen ist von Vodafone und enthält diverses Handy-Zubehör.«
Tatsächlich hatte ich bei den meisten Leuten mit dieser Masche Erfolg und bekam die echte Adresse der Zielperson heraus.
»Ach so, eine Sache noch: Wären Sie wohl so nett, Ihren Namen korrekt zu buchstabieren?«
Nachdem ich Name und Adresse der Zielperson herausgefunden habe, muss ich die Angaben auf Korrektheit überprüfen. Ich kann sie verifizieren, indem ich direkt die Mobilfunkgesellschaft anrufe, was illegal ist, weshalb wir das lieber vermeiden sollten. Aber denken Sie immer daran: Andere Schnüffler werden sich nicht an die Gesetze halten. Ein weiteres Problem ist, dass der Mobilfunkanbieter keine physische Adresse der Zielperson haben könnte, sondern nur ein Postfach, oder die Rechnungen werden elektronisch per E-Mail verschickt.
Der einzige verlässliche Weg, die Angaben zu überprüfen, besteht darin, den Stromversorger, den Kabelfernsehanbieter oder den Internetprovider der Zielperson anzuzapfen, denn diese drei Dienste sind anders als ein mobiles Telefon am Wohnort physisch installiert.
»Hallo, mein Name ist Hans Wild, Hausvogteiplatz 6 in 10117 Berlin. Ich hätte eine Bitte: Ob Sie mir wohl sagen könnten, ob ich meine letzte Rechnung bezahlt habe?«
»Guten Tag, Herr Wild, dafür bräuchte ich Ihre Kundenvertragsnummer oder die Zählernummer.«
Da ich keine dieser Nummern kenne und auch keine anderen Kennzeichen der Zielperson, muss ich die Unterhaltung in andere Bahnen lenken.
»Einen Moment bitte, ich muss in meinen Unterlagen nachsehen. Ach so, ganz kurz: Haben Sie mein Kundenkonto aufgerufen oder das meiner Frau?«
»Es ist Ihres, Herr Wild.«
Ohne es zu bemerken, hat der Kundenmitarbeiter die Information bestätigt. Alles hängt davon ab, wie man die Fragen stellt. Ob er mein Konto oder das meiner Frau aufgerufen hat, ist eine völlig harmlose Frage, nicht im Entferntesten kann er ahnen, dass er mir gerade das verraten hat, was ich hören wollte.
Eine andere Taktik, sich Informationen zu erschwindeln, besteht darin, an das Mitgefühl eines Kundenmitarbeiters zu appellieren und mein Problem zu seinem zu machen. Sagen wir, ich wurde angeheuert, um eine in München lebende Person zu lokalisieren, aber alles, was ich habe, ist ihr Name. Ich kann die Stromanbieter der Stadt durchtelefonieren und folgenden Vorwand benutzen:
»Hallo, mein Name ist Mark Dorfler. Es könnte sein, dass ich Ihnen noch Geld aus einem alten Stromliefervertrag schulde.«
Der Kundenmitarbeiter wird mich nun um meine Adresse bitten, die ich natürlich nicht kenne.
»Es ist mir sehr peinlich, ich hatte ein ernstes Alkohol- und Drogenproblem und war längere Zeit ohne Wohnsitz. Ich bin jetzt trocken und versuche, mein Leben wieder in den Griff zu kriegen. Ich hoffe, Sie können mir helfen.«
Ich schwafle weiter, wie ich mit verschiedenen Leuten in unterschiedlichen Wohnungen zusammengewohnt habe und nicht mehr wisse, ob der Strom auf meinen Namen lief oder nicht. Ich bleibe bei allen Angaben vage.
»Vielleicht können Sie einfach nach meinem Namen suchen. Ich habe nur in München gewohnt.«
Diese Vorgehensweise ist ein Stochern im Dunkeln, ihr Erfolg hängt vom Verständnis des Kundendienstmitarbeiters ab. Ich betrachte diese Art der Täuschung als eine Art Liebesgeplänkel, wo jedes Nein zu einem Ja führt. Ganz gleich, wie viele Anrufe es mich kostet, ob fünf oder fünfzehn, in einem großen Unternehmen findet sich am Ende immer jemand, der schließlich bereit ist, mir zu helfen.
Mit etwas Glück bekommt man auf diese Weise, was man sucht, solange der Name der Zielperson nicht allzu verbreitet ist. Die Kundenmitarbeiterin wird zuerst nach gekündigten Verträgen suchen und zum Beispiel fragen, ob ich am Effnerplatz, in der Hohenzollernstraße oder am Adornoweg wohnte. Während sie spricht, schreibe ich alles mit. Dann rücke ich mit dem heraus, was ich wirklich will.
»Gibt es irgendwelche offenen Kundenkonten unter meinem Namen?«
Alles, was ich will, ist ein Ja oder Nein. Falls sie verneint, verabschiede ich mich dankend und recherchiere die Adressen, die ich notiert habe. Falls sie die Frage bejaht, frage ich:
»Welche Straße steht da?«
Jetzt drücke ich mir die Daumen und hoffe, dass die Servicemitarbeiterin den Straßennamen nennt. Falls nicht, hänge ich auf und wähle...