2 Stadtentwicklung und Denkmalpflege nach 1945
2.1 Stadtentwicklung und Denkmalpflege auf Bundes- und Länderebene
2.1.1 Gesetzliche und organisatorische Grundlagen
Der Denkmalschutz fällt in Deutschland unter die Kulturhoheit der Bundesländer. Das Niedersächsische Denkmalschutzgesetz (NDSchG) wurde am 30. Mai 1978 verabschiedet und zuletzt am 26. Mai 2011 geändert.
Gemäß § 19 Abs. 1 NDSchG obliegen die Aufgaben der unteren Denkmalschutzbehörde den Gemeinden, die auch die Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde wahrnehmen, und im Übrigen den Landkreisen. Die oberste Denkmalschutzbehörde ist nach § 19 Abs. 1 NDSchG das zuständige Fachministerium.
Demnach ist das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur im vorliegenden Fall die oberste Denkmalschutzbehörde (vgl. NLD 2015). Es führt die Fachaufsicht über die unteren Denkmalschutzbehörden, d. h. Gemeinden mit eigener Bauaufsicht oder die Landkreise, die wiederum als Schnittstelle zur Bevölkerung fungieren (vgl. NLD 2015).
2.1.2 Stadtentwicklung und Denkmalpflege im Wandel
Die westdeutsche Stadtentwicklung und Denkmalpflege der Nachkriegszeit lässt sich zwar nicht allgemeingültig beschreiben (vgl. RULAND 2011, 183), allerdings sind aufgrund der gleichgelagerten Problemstellungen und Entwicklungen in den unterschiedlichen Städten zahlreiche Parallelen erkennbar.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg waren die deutschen Städte mit gewaltigen Herausforderungen konfrontiert, wobei die Wohnungsnot eines der größten Probleme war. Neben den vor allem in Großstädten vorhandenen großflächigen Zerstörungen durch Bombardements – und damit fehlendem Wohnraum für Einheimische – mussten zusätzlich zahlreiche Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten untergebracht werden (vgl. BBR 2000, 45). In vielen Städten war der Wohnraummangel so groß, dass einander fremde Menschen gezwungen waren, sich eine Wohnung zu teilen (vgl. BBR 2000, 46). Die Städte standen vor der Aufgabe, die Wohnungsnot durch schnelle und zweckmäßige Bauvorhaben zu lindern (vgl. BBR 2000, 46). Die damit in Verbindung stehenden Neubauprojekte waren von den bereits in den 1920er Jahren entstandenen Ideen der Funktionsteilung und der aufgelockerten Stadt geprägt (vgl. BBR 2000, 46).
In den 1960er Jahren führte eine erstarkende Wirtschaft zu erhöhtem Güterverkehr sowie zu steigendem Wohlstand der Bevölkerung, der vielen Haushalten erstmals ermöglichte, sich einen eigenen PKW zu leisten (vgl. BBR 2000, 47). Um den daraus resultierenden zusätzlichen Verkehr aufzunehmen, wurden existierende Straßen verbreitert und neue Straßen gebaut (vgl. RULAND 2011, 184).
Durch steigende Bevölkerungszahlen und den gestiegenen Wohlstand wuchs der Bedarf an Wohnraum weiter (vgl. BBR 2000, 47). Die Stadtentwicklung konzentrierte sich daher insbesondere auf den Wohnungsneubau und flächenhafte ‚Sanierungen‘ durch Abriss und Neubebauung mit ganzen Wohnblöcken (vgl. BBR 2000, 49–50). Oftmals machte diese Entwicklung auch vor den Innenstädten nicht Halt, wodurch zahlreiche historische Stadtstrukturen für immer verloren gingen (vgl. BBR 2000, 50). Der Verfall des alten Baubestands wurde durch ausbleibende Restaurierungsmaßnahmen noch verstärkt und wohlhabendere Bevölkerungsschichten zogen in die Neubausiedlungen (vgl. RULAND 2011, 184). Dies führte dazu, dass viele Innenstädte sich entweder zu Problemgebieten oder zu reinen Verkehrs- und Einkaufszentren entwickelten (vgl. RULAND 2011, 184).
Mit der Zeit stieß diese Art der Stadtentwicklung zunehmend auf Widerstand in der Bevölkerung, die ein Umdenken und einen anderen Umgang mit dem Wohnungsbestand forderte (vgl. BBR 2000, 49). Insbesondere in den zentrumsnahen Stadtvierteln begannen die Bewohner in den 1970er Jahren, sich zusammenzuschließen und gegen die Sanierungspraxis zu wehren (vgl. RULAND 2011, 184). In mehreren Städten kam es zu Hausbesetzungen und zur Gründung von Bürgerinitiativen, die Anspruch auf mehr Mitsprache erhoben (vgl. BIEBER 1973) und – auch in Bezug auf den Denkmalschutz – Einfluss auf die Politik auszuüben versuchten (vgl. POMP 2001b, 2).
Ungefähr zeitgleich dazu begann auch in der Fachöffentlichkeit ein Umdenken. So stand beispielsweise der im Mai 1971 in München stattfindende Deutsche Städtetag unter dem Motto ‚Rettet unsere Städte jetzt‘ (vgl. BMVBS 2011, 19).
Proteste und neues Denken zeigten letztlich Wirkung: Die Kommunen rückten von Flächenabrissen ab und wandten sich verstärkt der bestandserhaltenden Erneuerung zu (vgl. TILLE/PRÖMMEL 2008, 7).
Mit dem Städtebauförderungsgesetz (StBauFG) wurde 1971 „die zentrale Rechtsgrundlage für die Erneuerung der Städte als Gemeinschaftsaufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden geschaffen“ (BBR 2000, 49). Bedingung für die Förderung eines Gebietes war der Nachweis, dass dort ‚städtebauliche Missstände‘ vorlagen (vgl. BBR 2000, 49). Damit bewegte man sich weg von der Funktionstrennung und hin zu städtebaulicher Dichte und das kulturhistorische Erbe und traditionelle Architekturformen einbeziehenden Stadterneuerungen (vgl. BBR 2000, 50). Häufig war damit die Einrichtung von Fußgängerzonen und zusätzlichen Parkmöglichkeiten verbunden (vgl. BBR 2000, 50).
Das 1975 ausgerufene Europäische Jahr für Denkmalschutz stand unter dem Motto ‚Eine Zukunft für unsere Vergangenheit‘ (vgl. TILLE/PRÖMMEL 2008, 7). Dadurch wurden den seit Beginn des Jahrzehnts aufkommenden Bestrebungen, das historische Stadtbild zu erhalten, entscheidende Impulse verliehen (vgl. TILLE/PRÖMMEL 2008, 7) und den Abrissen erstmals Grenzen gesetzt (vgl. POMP 2001b, 3). Das primäre Ziel war die Begrenzung der durch große und teilweise schlecht integrierte Neubauten verursachten Zerstörungen alter Bausubstanz (vgl. RULAND 2011, 185) und die Anerkennung historisch wertvoller Bauwerke und Gebäudeensembles „als kulturelle und ökonomische Werte im Gefüge der Städte“ (RULAND 2011, 185).
1976 folgte eine Novellierung des StBauFG, wodurch die Förderung der Erhaltung von Altbauten auch rechtlich mit der Neubauförderung gleichgestellt wurde (vgl. RULAND 2011, 185).
Neben den Denkmalschutzgesetzen, die bis 1980 in allen westdeutschen Bundesländern erlassen worden waren, erfuhr der Denkmalschutz auch auf Bundesebene – beispielsweise durch eine steuerliche Gleichstellung von Altbaurestaurierungen und Neubauprojekten – stärkere Berücksichtigung (vgl. RULAND 2011, 185–186).
1985 wurde der Stellenwert des Denkmalschutzes mit der Gründung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten weiter gestärkt (vgl. DEUTSCHE STIFTUNG DENKMALSCHUTZ 2015a). Sie initiierte 1993 auch den seitdem einmal im Jahr bundesweit stattfindenden ‚Tag des offenen Denkmals‘ (vgl. DEUTSCHE STIFTUNG DENKMALSCHUTZ 2015b).
2.2 Stadtentwicklung und Denkmalpflege in Lüneburg
2.2.1 Aufbau der Stadtverwaltung
Als untere Denkmalschutzbehörden fungieren die Gemeinden mit eigener Bauaufsicht oder die Landkreise (siehe Kap. 2.1.1). Dementsprechend ist die Stadt Lüneburg als untere Denkmalschutzbehörde tätig. Oberhaupt der Stadtverwaltung Lüneburgs ist der Oberbürgermeister, die Stadtbaurätin führt die Aufsicht über die Fachbereiche 6 (Stadtentwicklung), 7 (Straßen- und Grünplanung, Ingenieurbau) sowie 8 (Gebäudewirtschaft), wobei Fachbereich 6 aus der Stadtplanung einerseits sowie der Bauaufsicht, Denkmalpflege andererseits besteht (vgl. HANSESTADT LÜNEBURG 2015a).
2.2.2 Entwicklungen in der Stadtverwaltung
Mit der Besetzung der Stelle eines Stadtbildpflegers im Jahr 1975 erfolgte auch in Lüneburg eine stärkere Berücksichtigung und Wertschätzung der historischen Bausubstanz (vgl. RING 1999b, 9). 1978 wurden die ‚Örtliche Bauvorschrift über die Gestaltung‘ sowie die ‚Örtliche Bauvorschrift über Außenwerbung‘ für die Lüneburger Altstadt verabschiedet (vgl. RING 2010, 14). Sie schufen „einen bedeutenden Rahmen für die Aufgaben der Stadtbildpflege“ (RING 1999b, 9) und sind bis heute ein wichtiger Bestandteil der Arbeit der Denkmalpflege (vgl. RING 2010, 14). Nachdem der Stadtbildpfleger 1983 in den Ruhestand ging, wurden diese Verantwortlichkeiten dem Leiter des Hochbauamtes übertragen, aufgrund des hohen Arbeitsaufwandes musste diese Stelle 1988 jedoch erneut eingerichtet werden (vgl. RING 1999b, 9–10).
Parallel zu diesen Entwicklungen wurde 1991 die Stelle eines Stadtarchäologen geschaffen (vgl. RING 1999b, 10). Bis Mitte der 1970er Jahre waren archäologische Tätigkeiten im Stadtgebiet durch das Museum für das Fürstentum Lüneburg durchgeführt worden, ab 1979 erfolgte diese Arbeit durch den am Institut für Denkmalpflege des Landes Niedersachsen tätigen Bezirksarchäologen (vgl. RING 2005, 47). Während viele Städte bereits in den 1970er und 1980er Jahren dazu übergingen, eine systematische Stadtarchäologie vor Ort einzurichten, geschah dies in Lüneburg erst zu Beginn der 1990er Jahre (vgl. RING 1999b, 10). Im August 1991 wurde diese Stelle erstmals besetzt (vgl. RING 2005, 47). Es folgte die Einstellung eines Grabungstechnikers und die eines Grabungshelfers (vgl. KÜHLBORN/RING 1996, 11).
Der Weggang der Stadtbildpflegerin im Jahr 1997 ermöglichte eine Neuordnung der Denkmalpflege in Lüneburg und die Zusammenfassung der bis dahin getrennten Bereiche Baudenkmalpflege und Stadtarchäologie in den zum Fachbereich 6 (Stadtentwicklung) zählenden Bereich Bauaufsicht, Denkmalpflege, der im August 1998 neu besetzt...