Leben heißt Veränderung
Unzählige Erfahrungen von Wandel und Veränderungen prägen das Leben jedes Einzelnen von uns – ob wir es wollen oder nicht. Sie zwingen uns, loszulassen und uns auf etwas Neues einzulassen. Keine Kleinigkeit! Veränderungssituationen können unter die Haut gehen und uns herausfordern. Wir können sie aber auch meistern und daran wachsen.
AUS HERAUSFORDERUNGEN WERDEN CHANCEN
Vielleicht befinden Sie sich gerade in einer Situation wie dieser: Seit einiger Zeit zeichnet sich eine bestimmte Veränderung in Ihrem Leben ab. Möglicherweise ist es eine, die Sie selbst herbeisehnen, oder aber sie wird von außen an Sie herangetragen. Vielleicht ist aber auch ganz plötzlich etwas passiert, das Ihr Leben von Grund auf umkrempelt. Klar ist in jedem Fall, dass demnächst einige Entscheidungen zu treffen sind, und das verursacht Ihnen zunehmend Kopfschmerzen. Was können Sie jetzt tun, um klarer und gelassener zu handeln? Bleiben Sie vor allem geduldig und sich selbst gegenüber mitfühlend. Lebensveränderungen sind oft nicht so leicht wegzustecken! Gemeinsam können wir uns ein paar Gedanken machen, wie man sie annehmen und gestalten kann.
Als Coach habe ich viele Klientinnen und Klienten durch Veränderungsprozesse begleitet – Schritt für Schritt, von Woche zu Woche. Darüber hinaus biete ich seit Jahren Coaching-Seminare an, in denen die Teilnehmenden Abstand vom Alltagsgeschäft finden und sich ungestört mit den gegenwärtigen oder zukünftigen Veränderungen in ihrem Leben beschäftigen können. Dreimal pro Jahr finden diese sechstägigen Seminare auf der Insel Amrum statt.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, wie wichtig es ist, Zeit zu haben, um sich den anstehenden Fragen und Themen möglichst gefasst zuzuwenden. Doch Ruhe ist eigentlich so ziemlich das Letzte, was einem in Zeiten des Umbruchs üppig zur Verfügung steht. Stattdessen fühlt man sich eher geplagt von Sorgen und Zweifeln, getrieben von Hoffnungen und Wünschen. In der Flut von Gedanken möchte man am liebsten nach einer schnellen Lösung greifen. Doch die Dinge brauchen ihre Zeit, um sich zu klären, und vorübergehende Phasen der Ungewissheit und Unklarheit wollen toleriert werden. Etwas Abstand zu finden, tut
da häufig gut. Aber auch wenn für Sie im Moment keine längere Auszeit möglich ist, kann dieses Buch Ihnen helfen, Mut zu fassen und eine für Sie richtige Lösung auszuloten. Weil ich auch buddhistische Meditationslehrerin bin, beziehe ich häufig Aspekte der Lehren über Weisheit und Mitgefühl sowie entsprechende Übungen in den Coaching-Prozess mit ein. Sie schenken Ruhe, schärfen den Blick und verändern die Perspektive. Sie sind eine wertvolle Hilfe, auch ohne dass man sich als Buddhist versteht.
SITUATIONEN, DIE UNS FORDERN
Zeiten, in denen sich Lebensumstände spürbar verändern, kennt jeder. Sie führen dazu, dass wir vertraute Gewohnheiten und Konstellationen loslassen und uns auf eine weniger vertraute oder bis dahin sogar unbekannte Situation einlassen müssen. Solche Veränderungen kommen als gewollte Herausforderungen oder auch als ungewollte Überraschungen daher. Sie wecken Hoffnungen und Ängste gleichermaßen. Diese Erfahrung machen beispielsweise Mitarbeiter eines Unternehmens, wenn ein struktureller Umbau ansteht oder eine Fusion geplant ist. Weil am Anfang noch keiner genau weiß, was auf ihn zukommt, tauchen verständlicherweise bange Fragen auf: »Was wird aus meinem Job? Wird er gestrichen? Wird mir gekündigt? Womit werde ich in Zukunft mein Geld verdienen?« Oder geheime Wünsche nach einer Beförderung oder einem Jobwechsel werden wach. Doch auch dann ist die Ruhe erst einmal dahin.
Ganz gleich, mit welcher Art von Veränderung wir es gerade zu tun haben, wir müssen einen Weg finden, um angemessen mit Befürchtungen und potenziellen Chancen umzugehen. Ein Schwerpunkt unserer Überlegungen wird daher sein, wie man gegenüber den Ängsten und anderen Gefühlen ein gesundes Maß an Toleranz entwickeln kann. Dann können wir auch die Klarheit finden, um Veränderungen und Umbrüche besser zu durchdenken und umsichtig zu gestalten.
DIE PHASEN DES LEBENS
Einschneidende Lebensveränderungen sind oft mit markanten Wendepunkten oder empfindlichen Übergangszeiten verbunden. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie uns emotional berühren, ja aufwühlen können. Schon die Geburt eines Menschen ist einer der beeindruckendsten Wendepunkte im Leben: Mutter und Kind müssen einander loslassen, sich körperlich entflechten – und gleichzeitig in einen neuen innigen Kontakt miteinander treten. Ein psychologisches (und manchmal auch körperliches) Kunststück!
Sowohl der Beginn als auch das Ende der Kindergarten- und Schulzeit sind für jedes Kind einschneidende Lebensveränderungen, die immer eine Zeit des Übergangs, der Verunsicherung und schließlich der Anpassung an die neue Lebenssituation erfordern. Schließlich kommt der bis dahin kaum vorstellbare Moment des Abschieds von der Schulzeit, und nicht selten fließen dabei Tränen. Übergänge, Umbrüche und Veränderungen treffen uns eben stark emotional. Wir sind aufgeregt oder fühlen uns ratlos: Wie wird es weitergehen? Dem einen schwirrt der Kopf vor lauter Ideen, nur weiß er nicht, welche er davon auswählen und weiterverfolgen soll. Der andere fürchtet sich und tut sich auf seine Weise schwer: Er fühlt sich wie allein an einem nebeligen Novembertag in der obersten Etage des Empire State Building in New York – und möchte am liebsten wieder nach Hause! Wandlungsprozesse sind oft gefühlsmäßig anstrengend und eben auch ein wenig verunsichernd, sodass wir neue Orientierung suchen.
Auch in Liebesbeziehungen gibt es im Laufe der Jahre Wendepunkte. Paare müssen sich immer wieder neu aufeinander einstellen und die Veränderungen gestalten. Das wird besonders dann schwierig, wenn sich zwei Menschen eingestehen müssen, dass sie ihre Liebe füreinander verloren haben und sie ihre Partnerschaft beenden wollen. Sie lösen die vertraute, aber nun nicht mehr passende Lebenssituation auf. Beide müssen es aushalten, sich auf neue Wege einzulassen, die sie sich vielleicht in der Gegenwart noch gar nicht vorstellen können.
RUHE BEWAHREN – TROTZ ALLEDEM
Sobald Veränderungen auf uns zukommen, tendieren wir dazu, uns anzuspannen. Die Mehrzahl der anstehenden Neuerungen lässt sich jedoch auch ruhig und besonnen angehen. Es ist nicht notwendig, sich unter Druck zu setzen. Meistens ist dies ohnehin kontraproduktiv. Gerade unter Stress reflektiert man seine Argumente für oder gegen eine Entscheidung weniger ausführlich. Daher kommt es leichter zu Fehlentscheidungen. Abstand und ein gewisser zeitlicher Spielraum sind notwendig, um gründlich nachzudenken und abzuwägen.
Und noch ein weiterer Grund spricht dafür, Umbruchsituationen möglichst in Ruhe zu gestalten: Man braucht Zeit, um sich mit Leib und Seele auf einen Wandel einzulassen. Sogar eine herbeigewünschte Veränderung lässt ja nicht nur eine neue, spannende Zeit anbrechen. Sie erfordert auch, Altes loszulassen. Daher ist es für viele Menschen ein seelisches Bedürfnis, noch einmal anzuhalten und zurückzuschauen. Sie möchten das, was sie erlebt haben, würdigen und bewusst verabschieden. Immer wieder höre ich von Klienten, wie gut es für sie war, sich während eines Veränderungsprozesses eine gewisse Auszeit zu nehmen. Ein Seminarteilnehmer, der für zwei Monate freigestellt wurde, weil sein Arbeitsplatz eingespart werden sollte, sagte: »Das war Glück im Unglück, denn ich konnte mich während der Zeit in Ruhe sortieren und überlegen, was jetzt für mich ansteht.«
»Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die einen Mauern und die anderen Windmühlen.«
CHINESISCHES SPRICHWORT
AKZEPTIEREN LERNEN
Oft fällt es uns allerdings schwer, eine Veränderung anzunehmen, besonders dann, wenn diese überraschend kommt und uns aufgezwungen wird. Sie haben bestimmt selbst schon die Erfahrung gemacht, dass Sie mit einer neuen Situation konfrontiert waren, die Sie partout nicht wollten, und diese schließlich doch akzeptieren mussten. Nicht dass wir uns falsch verstehen: Es ist wichtig, dass wir unsere Stimme erheben und nicht alles hinnehmen. Oft kann man unliebsame Pläne ganz oder teilweise verhindern oder sie wenigstens mitgestalten.
FALLGESCHICHTE
Nicht vergeblich eingesetzt
Eines Tages hielt Martin die Kündigung seiner Mietwohnung in den Händen. Sein Vermieter machte darin Eigenbedarf geltend und wollte in absehbarer Zeit wieder selbst in der Wohnung leben. Auszug? Für Martin ein ganz unvorstellbarer Gedanke. Es begann ein monatelanges Ringen um die sich abzeichnende Veränderung seiner Wohnsituation. Martin wehrte sich, protestierte, klagte vor Gott, schrieb Briefe und stand schließlich auch einen Gerichtsprozess durch, den er allerdings verlor. Am Ende musste er sich eine neue Wohnung suchen. Eine einschneidende Lebensveränderung, die er sich nicht ausgesucht hatte und nun doch akzeptieren musste. Überraschenderweise fiel ihm dies nun nicht mehr schwer. Als ein Freund ihn fragte, wie das sein könne, antwortete er: »Weißt du, als die Kündigung kam, konnte ich es wirklich nicht glauben. Aber ich denke, gerade weil ich alles versucht habe, was ich konnte, um den Umzug zu verhindern, kann ich jetzt akzeptieren, dass es so ist.«
Aber auch dann wird man die erzielten Kompromisse akzeptieren müssen, um mit ihnen ihren Frieden machen zu können. Viele Veränderungen, die wir in unserem Leben durchmachen, fragen nicht, ob wir sie wollen und ob sie uns willkommen sind. Sie geschehen einfach – etwa das...