Essay aus dem Jahr 1996 im Fachbereich Ethik, , Sprache: Deutsch, Abstract: Seit Jahrtausenden versuchen moralische Gebote, Imperative, Appelle und Regeln die Menschen im Umgang miteinander zu einem 'besseren' Verhalten zu erziehen. Betrachtet man den moralischen Zustand der heutigen Menschheit, kommen Zweifel über den Erfolg dieser Bemühungen auf. Der Jahresbericht von Amnesty International registrierte auch 1995 Menschenrechtsverletzungen an Frauen und Männer in 151 Ländern der Welt - darunter auch Deutschland und die Schweiz. Tausende von Menschen wurden von staatlichen Behörden ihrer Länder getötet, viele ohne faire Gerichtsverhandlungen verurteilt und hingerichtet, andere Opfer politischer Morde durch Soldaten und Polizei oder extralegaler Todesschwadronen. Gefangene wurden zu Tode gefoltert oder starben an den Folgen vorsätzlicher Mißhandlungen und Vernachlässigung. Schlagen nicht schon diese wenigen Andeutungen über den desolaten moralischen Zustand der Menschheit Ethikern - den Spezialisten für moralische Imperative - ins Gesicht, wenn sie behaupten, gewisse ethische Prinzipien - wie z. B. die 'Berücksichtung der Interessen aller Betroffenen' - seien 'stark genug', eine Sklavenhaltergesellschaft oder krasse Formen von Rassismus und Sexismus auszuschließen? Warum sind so viele Versuche, Menschen über moralische Appelle, Gebote oder Verbote zu bessern, bisher gescheitert? Ist damit auch die Ethik für alle Zeiten diskreditiert? Zeigt sie sich gar als eine Geschichte gescheiterter Besserungsversuche? Oder ist vielleicht ihre eigentliche Aufgabe, den tieferen Sinn dieses Scheiterns aufzudecken? Ethik diente dann nicht mehr dazu, die Menschheit vom 'Bösen' weg zum 'Guten' hin zu führen, sondern eher das Bewußtsein für Gut und Böse zu schärfen.
Es ist eine alte Erfahrung: Zu bleiben wie man ist, erfordert oft mehr Energie als das Wagnis der Veränderung. Kirchen, Caritas und Diakonie müssen den sich ändernden ökonomischen, juristischen wie…
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