Kapitel 1
Was ist finanzielle Intelligenz?
Als ich fünf Jahre alt war, wurde ich eiligst ins Krankenhaus gebracht und dort notoperiert. So wie ich es verstehe, hatte ich eine schwere Ohreninfektion, eine Komplikation meiner Erkrankung an Windpocken. Obwohl es eine beängstigende Erfahrung war, bewahre ich auch die kostbare Erinnerung an die Liebe meines Vaters, meines jüngeren Bruders und meiner beiden Schwestern, die auf dem Rasen vor dem Krankenhausfenster standen und mir winkten, wie ich dort im Bett lag. Meine Mutter war nicht dabei. Sie war zu Hause, selbst krank im Bett und hatte mit einem schwachen Herzen zu kämpfen.
Im selben Jahr wurde auch mein jüngerer Bruder ins Krankenhaus gebracht, nachdem er in der Garage gestürzt war und sich den Kopf angeschlagen hatte. Meine jüngere Schwester war die nächste. Sie brauchte eine Operation am Knie. Und die Jüngste, meine Schwester Beth, ein Neugeborenes, hatte eine schwere Hauterkrankung, die die Ärzte immer wieder vor ein Rätsel stellte.
Es war ein hartes Jahr für meinen Vater, und er war der Einzige von uns sechs, der keine medizinische Hilfe brauchte. Die gute Nachricht ist, dass wir uns alle erholt haben und danach ein gesundes Leben führten. Die schlechte Nachricht waren die Arztrechnungen, die sich nach und nach stapelten.
Mein Vater mag in diesem Jahr nicht krank geworden sein, aber er wurde mit einer lähmenden Bürde belastet – einem Berg an Schulden für die medizinische Versorgung seiner Familie.
Damals war mein Vater Doktorand an der Universität von Hawaii. Er war ein brillanter Student, erhielt seinen Bachelor-Abschluss nach nur zwei Jahren und träumte davon, eines Tages Hochschullehrer zu werden. Jetzt, mit einer sechsköpfigen Familie, einer Hypothek und hohen Arztrechnungen, gab er seinen Traum auf und nahm eine Stelle als stellvertretender Schulleiter in der kleinen Stadt Hilo auf der Big Island von Hawaii an. Damit er es sich leisten konnte, unsere Familie von einer Insel auf eine andere zu transportieren, musste er einen Kredit bei seinem eigenen Vater aufnehmen. Es war eine schwere Zeit für ihn und unsere Familie.
Obwohl er im Beruf enormen Erfolg hatte und schließlich seinen Doktortitel verliehen bekam, vermute ich, dass es meinen Vater bis ans Ende seines Lebens schmerzte, dass er nie seinen Traum verwirklichen konnte, Hochschullehrer zu werden. Er sagte oft: »Wenn ihr Kinder nicht mehr zu Hause seid, gehe ich zurück an die Schule und mache das, was ich liebe: unterrichten.«
Anstatt zu unterrichten, wurde er schließlich Leiter des Bildungsressorts des Staates Hawaii, arbeitete also in der Verwaltung, kandidierte dann als stellvertretender Gouverneur und verlor. Im Alter von 50 Jahren war er plötzlich arbeitslos. Bald nach der Wahl starb meine Mutter plötzlich im Alter von 48 Jahren an ihrem schwachen Herzen. Von diesem Verlust erholte sich mein Vater nie.
Wieder einmal häuften sich Geldprobleme. Jetzt, da er keine Arbeit mehr hatte, entschied er sich, die für seine Altersvorsorge gedachten Ersparnisse aufzulösen, und investierte in ein überregionales Eis-Franchise. Damit verlor er sein ganzes Geld.
Je älter er wurde, umso mehr fühlte sich mein Vater von seinen Altersgenossen im Stich gelassen; seine Karriere war vorbei. Ohne seine Stelle als Ressortleiter im Bildungsministerium hatte er seine Identität verloren. Er wurde immer wütender auf seine reichen Klassenkameraden, die ins Geschäftsleben gegangen waren und nicht wie er auf eine formelle Ausbildung gesetzt hatten. Verbittert beklagte er sich oft: »Ich habe mein Leben der Bildung der Kinder auf Hawaii gewidmet, und was bekomme ich? Nichts. Meine zu Bonzen mutierten Klassenkameraden werden reicher, und was bekomme ich? Nichts.«
Ich werde nie erfahren, warum er nicht zurück an die Universität gegangen ist, um zu unterrichten. Ich glaube, es war, weil er sich sehr bemüht hatte, schnell reich zu werden und die verlorene Zeit aufzuholen. Er jagte zweifelhaften Geschäften nach und umgab sich mit redegewandten Betrügern. Keine seiner Unternehmungen, die ihn schnell reich machen sollten, ging auf.
Wären da nicht die paar Gelegenheitsjobs und die Sozialversicherung gewesen, hätte er vielleicht bei einem seiner Kinder einziehen müssen. Ein paar Monate bevor er im Alter von 72 Jahren an Krebs starb, bat mich mein Vater zu sich ans Bett und entschuldigte sich dafür, dass er uns Kinder mit so wenig zurückließ. Ich hielt seine Hand, legte meinen Kopf auf diese, und wir weinten zusammen.
Nicht genug Geld
Mein armer Vater hatte sein ganzes Leben lang Geldprobleme. Egal, wie viel Geld er verdiente, sein Problem war, nicht genug Geld zu haben. Seine Unfähigkeit, dieses Problem zu lösen, verursachte ihm bis zu seinem Tod große Schmerzen. Tragischerweise fühlte er sich sowohl in beruflicher Hinsicht als auch als Vater als Versager.
Typisch für Akademiker, schob er seine finanziellen Probleme, so weit möglich, beiseite und widmete sein Leben einer höheren Sache als dem Geld. Er behauptete standhaft, dass Geld keine Rolle spiele, auch wenn es das tat. Er war ein großer Mann, ein großartiger Ehemann und Vater und ein brillanter Lehrer; doch es war diese Sache namens Geld, die oft den Ton angab, ihn im Stillen quälte und leider gegen Ende das Maß war, anhand dessen er sein Leben beurteilte. So klug er auch war, er hatte seine Geldprobleme nie gelöst.
Zu viel Geld
Mein reicher Vater, der begann, mir etwas über Geld beizubringen, als ich neun Jahre alt war, hatte auch Geldprobleme. Er löste seine Geldprobleme anders als mein armer Vater. Er erkannte an, dass Geld eine Rolle spielt, und deshalb bemühte er sich, seine finanzielle Intelligenz bei jeder Gelegenheit zu steigern. Für ihn bedeutete das, seine Geldprobleme direkt anzugehen und aus diesem Prozess zu lernen. Mein reicher Vater war akademisch gesehen nicht annähernd so klug wie mein armer Vater, aber weil er seine Geldprobleme anders löste und seine finanzielle Intelligenz steigerte, war das Geldproblem meines reichen Vaters, zu viel Geld zu besitzen.
Mit zwei Vätern, einem reichen und einem armen, lernte ich, dass wir alle Geldprobleme haben.
Die Geldprobleme der Armen sind:
Nicht genug Geld zu haben.
Kredite bei finanziellen Engpässen zu Hilfe zu nehmen.
Die steigenden Lebenshaltungskosten.
Je mehr sie verdienen, desto mehr Steuern zahlen sie.
Angst vor Notfällen.
Schlechte Finanzberatung.
Nicht genug Rente.
Die Geldprobleme der Reichen sind:
Zu viel Geld zu haben.
Es sicher und gut angelegt aufzubewahren.
Nicht zu wissen, ob die Leute sie mögen oder ihr Geld.
Klügere Finanzberater zu brauchen.
Verwöhnte Kinder großzuziehen.
Nachlass- und Erbschaftsplanung.
Zu hohe Steuern.
Mein armer Vater hatte sein ganzes Leben lang Geldprobleme. Egal, wie viel Geld er verdiente, sein Problem war, nicht genug Geld zu haben. Mein reicher Vater hatte auch Geldprobleme. Sein Problem war, zu viel Geld zu besitzen. Welches Geldproblem wollen Sie?
Schlechte Lösungen für Geldprobleme
Früh zu lernen, dass wir alle Geldprobleme haben, egal, wie reich oder wie arm wir sind, war für mich eine sehr wichtige Lektion. Viele Menschen glauben, dass wenn sie viel Geld hätten, ihre Geldprobleme vorbei wären. Sie wissen nicht, dass viel Geld noch mehr Geldprobleme verursacht.
Eine meiner Lieblingswerbungen ist die für ein Finanzdienstleistungsunternehmen, und sie beginnt mit dem Rapper MC Hammer, der mit schönen Frauen tanzt, mit einem Bentley und einem Ferrari und einer extrem überdimensionalen Villa hinter ihm. Im Hintergrund werden Luxusartikel in die Villa gebracht. Zu alldem wird MC Hammers One-Hit-Wonder »U Can’t Touch This« gespielt. Dann wird der Bildschirm schwarz, und die Worte »15 Minuten später« werden angezeigt. In der nächsten Szene sieht man MC Hammer, wie er auf einem Bordstein sitzt, den Kopf in die Hände gestützt, vor derselben tollen Villa, neben einem Schild mit der Aufschrift »ZWANGSVERSTEIGERT«. Der Sprecher sagt: »Das Leben holt dich schnell ein. Wir sind da, um zu helfen.« Die Welt ist voller Leute wie MC Hammer. Wir alle haben von Lotteriegewinnern gehört, die Millionen gewinnen und dann ein paar Jahre später tief verschuldet sind. Oder von dem jungen Profisportler, der, solange er spielt, in einer Villa lebt, und wenn seine aktive Zeit vorbei ist, unter einer Brücke. Oder der junge Rockstar, der in seinen Zwanzigern Multimillionär ist und in seinen Dreißigern eine Stelle sucht. (Oder der Rapper, der mit Finanzdienstleistungen hausiert, die er wahrscheinlich schon längst genutzt hatte, als er sein Geld verlor.)
Geld allein löst Ihre Geldprobleme nicht. Deshalb können die Geldprobleme armer Menschen nicht gelöst werden, indem man ihnen Geld gibt. In vielen Fällen bleibt dadurch das Problem nur länger bestehen und schafft mehr arme Menschen. Nehmen Sie zum Beispiel die Idee der Sozialhilfe. Von der Zeit der Weltwirtschaftskrise bis 1996 garantierte die Regierung der Vereinigten Staaten den Armen der Nation Geld unabhängig von persönlichen Umständen. Alles, was man tun musste, war, die Anforderungen für die Klassifikation für Armut zu erfüllen, um regelmäßige Zahlungen von der Regierung zu erhalten. Wenn man Initiative zeigte, eine Stelle fand und genug verdiente, um über der Armutsgrenze zu kommen, kürzte die Regierung die Leistungen. Natürlich hatten die Armen dann andere Kosten im Zusammenhang mit der Arbeit, die sie vorher nicht hatten, wie Uniformen,...