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E-Book

Sternenjäger

Meine Suche nach dem Stoff, aus dem das Universum gemacht ist

AutorJon Larsen
VerlagBenevento
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl344 Seiten
ISBN9783710950940
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis16,99 EUR
Staub aus dem All - eine Entdeckung, die die Astronomie revolutionierte Es klingt wie Poesie, dabei ist es eine wissenschaftliche Sensation: Sternenstaub, Mikrometeoriten. Das sind Milliarden Jahre alte Partikel aus dem Weltall, von denen täglich bis zu hundert Tonnen auf die Erde regnen. Astronomen und Astrogeologen erhoffen sich von ihnen neue Erkenntnisse über das Universum und die Entstehung unseres Sonnensystems. Doch keinem Wissenschaftler gelang es, diese winzigen Meteoriten, die nur unter dem Elektronenmikroskop sichtbar sind, auf der Erde zu finden. Bis ein Amateurforscher eine neue Methode entwickelte: - eine ungeheuerliche Mission: Die Jagd nach der ältesten Materie, die wir kennen - eine wissenschaftliche Sensation: Laut NASA wurde dadurch eine neue Tür zur Er-forschung unseres Sonnensystems geöffnet - geheimnisvolle Mikrometeoriten: winzige Mineralfragmente aus der Zeit, bevor die Planeten entstanden sind - ein spannendes Wissenschaftsbuch: anekdotisch, persönlich und unterhaltsam er-zählt Jon Larsen - ein Hobby-Astrogeologe, der Astronomen weltweit verblüffte Eines ist Jon Larsen nicht: ein promovierter Wissenschaftler. Doch dem Jazzgitarristen, der sich selbst als autodidaktischer Laie bezeichnet, gelang etwas, woran die Experten der NASA gescheitert waren. Alles begann mit einem winzigen, schimmernden Staubkorn. So erfuhr er zum ersten Mal vom Staub der Sterne, winzigen Partikeln, die mit einer Geschwindigkeit von 56.000 Kilometern pro Stunde durch das All rasen, bis sie von unserer Erdatmosphäre gebremst werden. Seine Neugier war geweckt. Lange Jahre suchte er mit Magneten Straßengräben und Dächer ab, filtert tütenweise Staub und Dreck. Bis ihm das Undenkbare gelingt: Mikrometeoriten zu identifizieren - und der Wissenschaft so völlig neue Erkenntnisse über unser Sonnensystem zu ermöglichen. In 'Sternenjäger. Meine Suche nach dem Stoff, aus dem das Universum gemacht ist.' nimmt er uns Leser mit auf seine Mission - ein spannendes Kapitel Wissenschaftsgeschichte!

Jon Larsen, 1959 in Norwegen geboren, ist ein international renommierter Jazzgitarrist, Produzent und Komponist - und Gastwissenschaftler an der Universität von Oslo, wo er sich der Erforschung von Sternenstaub widmet. Seine Methode zur Identifizierung von Mikrometeoriten wurde vom Discover Magazine zum bedeutendsten wissenschaftlichen Fund des Jahres 2017 gekürt.

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Leseprobe

2


2009


Es ist windstill. Die Sonne steht bereits hoch am blauen Himmel. Ich bereite den Höhepunkt des Sommers vor, Frühstück auf der Veranda mit einem Korb voll frisch gepflückter Erdbeeren. Ich wische die Wachsdecke ab, lege den Lappen beiseite und setze mich an den Tisch, um das Leben und die roten Beeren zu genießen. Rieche den Duft von Kiefern und Jasmin. Höre den Vögeln zu.

Etwas kratzt. Vor mir auf dem Tisch liegt ein winziges Staubkorn und glitzert in dem scharfen Licht. Einen Augenblick zuvor war es noch nicht da. Ich berühre es mit dem Finger. Es ist uneben und hart, kleiner als ein Punkt. Ein winziger Stein? Die Sonnenstrahlen werden reflektiert, als gäbe es Facetten auf der Oberfläche. Stein oder ein Stückchen Metall?

Könnte es von einem Flugzeug stammen? Oder einem Vogel? Es ist wolkenfrei, und der Punkt auf dem Tisch muss von oben gekommen sein. Mit wachsender Neugierde suche ich im Netz und stoße schnell auf einen aktuellen Artikel, The Classification of Micrometeorites. Könnte es sich bei dem kleinen Stein um etwas Außerirdisches handeln? Ist möglicherweise ein Meteorit aus dem Weltall auf meinem Frühstückstisch gelandet? Ich spüre eine heiße Welle von Adrenalin in meinem Körper. Der kleine Punkt wird in eine Streichholzschachtel gelegt, bevor ich mich wieder an den Computer setze, um nach weiteren Informationen über Mikrometeoriten zu suchen. Viel ist nicht zu finden, aber ich verschlinge jedes Wort. Kann kaum an etwas anderes denken. Noch vor Ende des Tages ist mein Schicksal besiegelt. Das Leben nimmt eine neue Richtung, und ich verwandle mich in einen Jäger. Auf der Jagd nach Sternenstaub.

Ohne dass ich es weiß, ist dies der Moment, in dem sich alle Fäden und sämtliche Erfahrungen in einem Punkt sammeln. Ein Nadelöhr in der Zeit. Von genau diesem Augenblick an wird alles anders werden. Wie ein Wechsel zwischen zwei geologischen Perioden im Kleinformat. Nun wird die Summe aus fünfzig Jahren Neugierde zu einem Teilchen in einem Puzzlespiel, das mir vorläufig noch völlig unbekannt ist. Nach und nach wird alles, was ich mit mir herumgetragen habe, ausgepackt und genutzt. Wie der Held im Märchen, der verschiedenste Prüfungen bestehen muss, um die Prinzessin zu gewinnen. Nach einem langen Leben als Steinsammler, Musiker und Maler sind es genau diese Erfahrungen, die mir durch das Labyrinth an Schwierigkeiten helfen werden, das ich in diesem Moment betreten habe.

Um die Aufgaben zu lösen, die in den nächsten sieben Jahren auf mich zukommen, braucht es einen Flickenteppich aus unterschiedlichsten Kenntnissen, für die es keine Ausbildung gibt. Es wird notwendig, bürgerliche Konventionen beiseitezulegen und in den größten Städten der Welt wie ein Hund auf allen vieren zu kriechen. Sich in die Rinnsteine zu graben. Per aspera ad astra, durch Schwierigkeiten zu den Sternen.

Die losen Fäden wurden durch das Nadelöhr des Augenblicks gefädelt, um in Aufgaben verwoben zu werden, von denen ich nicht wusste, dass sie auf mich warten. Zieh einen Faden heraus, und die ganze Geschichte löst sich auf. Ich hätte den kleinen Punkt auf der Decke ignorieren können. Oder mir sagen, es ist nur ein Krümel. Ein Fliegenschiss? In der sich anschließenden Zeit sollte ich auf die Probe gestellt werden und auf Widerstand stoßen. Ich sollte unter der langjährigen Suche und Wanderung leiden und kurz davorstehen aufzugeben. Um schließlich, ganz unerwartet, erhoben zu werden. Von einem bohemeartigen Jazzmusiker zu einem Wissenschaftler der Universität von Oslo. Alles wegen dieses Punktes auf der Tischdecke.

Einige Monate später wollte ich ihn mir näher ansehen. Das Mikroskop stand bereit. Aber wo hatte ich das kleine Partikel hingelegt? In eine Streichholzschachtel, aber in welche? In dem Wochenendhaus liegen überall Streichholzschachteln. Ich fand das Staubkörnchen nicht wieder. Doch da war es bereits zu spät. Die Jagd nach dem Sternenstaub hatte begonnen.

Mittellose Musiker und andere Menschen mit einem zeitweilig angestrengten Verhältnis zu ihren Gläubigern finden Trost in der Geologie. Ich wuchs mit einer Steinsammlung auf. Es braucht lediglich grundlegende Kenntnisse der Prozesse, die unseren Planeten, seine Berge und Täler, Kristalle und Fossilien formen, und schon stellt sich eine lindernde Zeitperspektive ein, und die scharfen Ecken und Kanten des Daseins verschwinden hinter einem Schleier der Versöhnung. Wenn beispielsweise Rückzahlungstermine ständig näher rücken, kann man mit etwas Glück ein wenig von der Angst vertreiben, indem man sich mit den geologischen Perioden und den dazugehörenden, dramatischen Massenausrottungen vertraut macht. Immer wieder musste sich das Leben auf der Erde mit knapper Not durch schwierige Phasen schleppen, am Rande der Vernichtung alles Lebenden. Und mehr als einmal kam die Bedrohung aus dem Weltraum. Selbst der grausame König der Echsen, Tyrannosaurus Rex, musste vor 66 Millionen Jahren nach einem Meteoriteneinschlag in Yucatán ins Gras beißen. Und den Globus irgendwelchem armseligen Gewürm überlassen, das in der nächsten Runde zu uns Menschen wurde.

An den stolzesten Bergzinnen nagt unerbittlich der Zahn der Zeit, jedes Mal ist es ein Staubkorn, und zurück bleibt kaum etwas anderes als ein bisschen Dreck. Bevor der Meeresboden gnadenlos vom Inneren der Erde verschluckt wird. Ein Inferno aus schmelzendem Gestein und Metall. Der alte Meeresboden wird zum Rohstoff für neue Vulkane und Kontinente, die sich verschieben, aneinanderstoßen und sich zu neuen Bergketten auffalten, höher als der Himalaya. So gesehen ist eine unerwartete Rechnung ein bisschen weniger bedrohlich.

Oder nehmen wir als Ausgangspunkt den großen Knall, Big Bang, und verweilen ein wenig bei den Milliarden von Sternen, die kontinuierlich geboren werden, sterben und neu entstehen. Gigantische, ausgebrannte Sonnen, die explodieren, wobei sie Fontänen an Sternenstaub versprühen. Ist es nicht geradezu schwindelerregend, sich vorzustellen, dass derartiger Sternenstaub anfängt zu rotieren und einen neuen Stern bildet, mit Planeten, Monden und Leben? Wir sind aus Sternenstaub geschaffen und leben auf einem winzigen blauen Punkt. Hier entfaltet sich das Leben mit all seinen Problemen und Freuden auf einer nahezu unsichtbaren Schicht, die dünner ist als die Schale eines Apfels. Unter uns ist glühende Lava. Über uns ist nichts. Das Gleichgewicht des Lebens ist ausgesprochen filigran. Eigentlich gibt es für nichts anderes Raum als für Freundlichkeit.

Aber konnte dieses kleine Partikel auf dem Tischtuch wirklich aus dem Weltall stammen? Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Niemand konnte darauf antworten. Hätte ich die richtigen Kontakte gehabt, zum Beispiel einen Bekannten bei der NASA, hätte ich eine Antwort bekommen. Dies ist deren Fachgebiet, und im Nachhinein weiß ich, dass die Auskunft kurz und klar gewesen wäre. Ich hätte nämlich dieselbe Antwort bekommen wie Tausende andere, die sich diese Frage gestellt haben. Es ist nicht außerirdisch. Aber ich kannte niemanden bei der NASA.

Glücklich unwissend setzte ich meine Untersuchungen fort. Die Neugierde ließ mir keine Ruhe. Ich musste versuchen, es herauszufinden. Aber wie findet man eigentlich etwas heraus? Natürlich indem man versucht, an weitere Informationen und Kenntnisse zu gelangen, und in unserer Zeit liegt es geradezu auf der Hand, dass man im Internet sucht. Doch im Netz fand ich nur wenig Handfestes über Mikrometeoriten. Nur dass sie am Südpol und im Weltall nachgewiesen werden konnten und es ansonsten unmöglich sei, sie zu finden. Yeti, Meerjungfrauen und Einhörner ließen sich vielleicht finden, aber kein Sternenstaub.

Ich gehöre inzwischen zu den letzten Vertretern einer Generation, die ohne Internet aufgewachsen ist, und dachte mir, wenn die Informationen über Mikrometeoriten aus irgendeinem Grund noch nicht in dem großen weiten Netz angekommen sind, muss ich eben auf andere Weise nachforschen. Ich fragte erfahrene Geologen. Durchkämmte Bibliotheken, Buchhandlungen und Antiquariate – ohne Resultat. Nicht alles ist in einer Bibliothek, im Netz oder irgendwo sonst zu finden. In diesem Fall sind Kunst und Wissenschaft zwei Seiten derselben Medaille. Sobald man sich abseits der ausgetretenen Pfade bewegt, muss man versuchen, den Weg auf eigene Faust zu finden. Man muss seine Sinnesorgane einsetzen und auf die Empirie vertrauen.

Recherchen oder empirische Grundlagenforschung waren mir durchaus vertraut. Als ich etwa vierzig Jahre zuvor anfing, mich für den französischen Gitarristen Django Reinhardt (1910–1953) zu interessieren, und mehr über seine exzentrische Musik erfahren wollte, waren ebenfalls nirgendwo Informationen zu bekommen. Die Nachschlagewerke hatten den genialen Sinti noch nicht entdeckt. Ältere Musiker hatten Gerüchte aus alten Zeiten gehört und vielleicht ein paar frühe Vinylscheiben gehört. In meinen ersten Jahren als Straßenmusikant in Oslo traf ich hin und wieder ältere Menschen, die Django dreißig Jahre zuvor bei einem Auftritt erlebt hatten. Aber verwertbare Informationen für jemanden, der mehr wissen wollte,...

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