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Störungen der Krankheitseinsicht

AutorSiegfried Gauggel
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl127 Seiten
ISBN9783840926563
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
Das Phänomen der gestörten Krankheitseinsicht (Anosognosie) tritt häufig nach einer Schädigung oder Erkrankung des Gehirns auf. Infolgedessen können die betroffenen Patienten vorhandene und für alle anderen Personen offensichtliche Störungen (z.B. Lähmungen, Gedächtnisstörungen) nicht mehr adäquat wahrnehmen. Sie überschätzen ihre Leistungsfähigkeit und offensichtliche Schwierigkeiten im Alltag werden ignoriert, bagatellisiert oder komplett abgestritten. Für ein differenziertes Verständnis des Phänomens und der Psychopathologie der betroffenen Patienten ist es wichtig, nicht nur die neuronalen Mechanismen zu betrachten, sondern auch psychologische Konzepte (wie z.B. Selbstkonzept, Metakognition und Selbstreflektion), und diese in eine umfassende Störungs- und Behandlungstheorie zu integrieren. Nur so wird letztendlich das Verhalten der betroffenen Patienten verständlich und eine zielgerichtete Behandlung möglich. Verständlich wird dann auch, warum das Phänomen einer gestörten Krankheitseinsicht nicht nur bei hirngeschädigten Patienten, sondern auch bei Patienten mit einer psychischen Störung (z.B. Anorexia nervosa, Alkoholabhängigkeit, narzisstische Persönlichkeitsstörung, Schizophrenie) auftreten kann.

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Kapitelübersicht
  1. Störungen der Krankheitseinsicht
  2. Vorwort
  3. 1Fallbeispiel Herr G.
  4. 2Symptomatik
  5. 3 Folgen einer Störung der Krankheitseinsicht
  6. 4Verleugnung einer Krankheit („denial“)
  7. 5 Störung der Krankheitseinsicht bei anderen Erkrankungen
  8. 6Epidemiologie
  9. 7Verlauf und Prognose
  10. 8Ätiologie
  11. 9Diagnostik
  12. 10Neuropsychologische Therapie
  13. 11Perspektive
  14. 12Fallbeispiel Frau E.
  15. 13Literatur
  16. Glossar
Leseprobe
4 Verleugnung einer Krankheit („denial“) (S. 12)

Vom Phänomen einer verminderten Krankheitseinsicht als unmittelbare Folge einer Hirnschädigung und einer damit verbundenen Schädigung neuronaler Systeme, die für die Selbstwahrnehmung verantwortlich sind, gilt es das Phänomen der Verleugnung („denial“) abzugrenzen (Hart, 2014; Kortte & Wegener, 2004; Livneh, 2009a; Vandereycken & Meermann, 2008). Eine solche Unterscheidung ist nicht einfach, da krankheitsverleugnende Patienten (z. B. nach einem Herzinfarkt oder nach Stellung einer infausten Tumordiagnose) ein ähnliches Verhalten an den Tag legen wie hirngeschädigte Patienten mit einer verminderten Krankheitseinsicht. Der Unterschied liegt vor allem in der Ätiologie der Störung, der Funktionalität des Verleugnens und im Inhalt des „Verleugneten“ (z. B. Abstreiten der Richtigkeit der Diagnose).

Das Konzept der Verleugnung („denial“) entstammt ursprünglich der Psychoanalyse und wurde durch Sigmund Freud (1924) erstmals beschrieben. In der psychoanalytischen Literatur stellt die Verleugnung einen primitiven narzisstischen Abwehrmechanismus (Selbstschutzmechanismus) dar, der bei der Regulation innerpsychischer Konflikte und unangenehmer Emotionen (z. B. Angst) eine wichtige Rolle spielt. Durch den Mechanismus der Verleugnung und das daraus resultierende Verhalten (z. B. Negieren von Fakten) soll das Bewusstsein für einen schmerzhaften Aspekt der Realität oder die Existenz von unangenehmen Tatsachen vermieden werden (Gabbard, Litowitz & Kracke, 2011; Sadock, Sadock & Ruiz, 2009).

In der aktuellen Literatur wird das Verleugnen zum einen als Phänomen („Symptom“) und zum anderen als ein psychologischer Prozess gesehen, der das Verhalten eines Patienten erklärt. Problematisch an dem Konzept der Verleugnung ist, dass es im Laufe der Zeit sehr facettenreich und unscharf wurde (Livneh, 2009b; Vandereycken & Meermann, 2008). Das Abweichen von der ursprünglichen psychoanalytischen Definition hängt u. a. auch damit zusammen, dass nicht klar ist, ob eine Verleugnung unbewusst oder bewusst erfolgt und ob ein solches Verhalten funktional oder dysfunktional für die betroffene Person ist.
Inhaltsverzeichnis
Störungen der Krankheitseinsicht1
Inhalt9
Vorwort11
1Fallbeispiel Herr G.13
2Symptomatik14
3 Folgen einer Störung der Krankheitseinsicht20
4Verleugnung einer Krankheit („denial“)22
5 Störung der Krankheitseinsicht bei anderen Erkrankungen26
6Epidemiologie28
7Verlauf und Prognose29
8Ätiologie32
8.1 Selbstkonzept, Mentalisierung und Selbstbeobachtung32
8.2Das Selbst36
8.3Neuropsychologische Störungsmodelle37
9Diagnostik48
9.1Kategoriale (klassifikatorische) Diagnostik48
9.2.Neuropsychologische Diagnostik54
9.2.1Exploration der Krankheitseinsicht55
9.2.2Interviews zur Erfassung von Störungen der Krankheitseinsicht56
9.2.3Fragebögen zur Selbst- und Fremdbeurteilung der Krankheitseinsicht60
9.2.4Experimentalpsychologische Aufgaben63
10Neuropsychologische Therapie68
10.1Vorbemerkungen68
10.2Empirische Grundlagen70
10.3Die therapeutische Praxis71
10.3.1Das therapeutische Setting78
10.3.2Beziehungsaufbau und -gestaltung81
10.3.3Einbezug der Angehörigen82
10.3.4Psychoedukation82
10.3.5Therapieziele84
10.3.6Therapeutische Hausaufgaben86
10.3.7Operante Methoden88
10.3.8Stimulation metakognitiver Prozesse92
11Perspektive101
12Fallbeispiel Frau E.102
12.1Spontan berichtete und erfragte Symptomatik102
12.2Lebensgeschichtliche Entwicklung und Krankheitsanamnese102
12.3Psychopathologischer Befund zum Zeitpunkt der Antragstellung103
12.4Neuropsychologische Testergebnisse104
12.5Somatischer Befund104
12.6Diagnosen105
12.7Neuropsychologisches Störungsmodell105
12.8Therapieziele und Prognose106
12.9Behandlungsplan106
12.10Behandlungsverlauf und Bewertung107
13Literatur110
Glossar120

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