Um eine übereinstimmende komplexe Vorstellung von den Begriffen „Jugend“ und „Jugendsprache“ sicherzustellen, werden sie im Folgenden definiert.
In der Soziologie wird unter Jugend eine Lebensperiode verstanden, in der ein Mensch nicht mehr als Kind betrachtet wird, ihm jedoch der Status, die Rollen und die Funktionen eines Erwachsenen noch nicht uneingeschränkt zugeschrieben werden (vgl. Brockhaus 1996). Die Jugend beginnt mit der aufkommenden Pubertät und endet mit dem Erreichen einer ausgebildeten, stabilen Persönlichkeitsstruktur, sowie einer verlässlichen Ich-Identität (vgl. Erikson 1977). Die Dauer dieser Lebensphase kann demzufolge nicht nur durch das biologische Alter der Jugendlichen bestimmt werden, sondern ist ebenfalls an soziokulturelle Kriterien, wie berufliche Ausbildung oder ökonomische Abhängigkeit von den Eltern gebunden und dehnt sich immer mehr aus. Während im deutschen Recht Menschen im Alter von 14 bis 17 Jahren als Jugendliche gelten, endet die Mitgliedschaft in Jugendorganisationen von politischen Parteien erst mit 35 Jahren. Ferchhoff (1993) spricht von einer „Relativität des Jugendbegriffs“. Lenzen (1997) legt die Phase der Jugend in das Alter zwischen 13 und 25 Jahren, wobei er auf „unscharfe Ränder“ aufmerksam macht. Die Sozialforschung schließt die Postadoleszenz, die zwischen dem 25. Und 35. Lebensjahr liegt, mit in die Phase der Jugend ein.
Betrachtet man Jugend als Gruppe, so ist sie nach Tenbruck (1965, S. 66)
„wesensmäßig eine soziale Gruppe. Gewiss existiert sie im strengen Sinne nicht kompakt als eine einzige Gruppe, die alle Jugendlichen einschließt, sondern tritt in einer Mannigfaltigkeit von jugendlichen Gruppenbildungen in Erscheinung, die aber nun ihrerseits auf mannigfache Weise durch das Bewusstsein gemeiner Art, die Gleichaltrigkeit der sie ins Leben rufenden und auf sie einwirkenden Kräfte und Bedingungen, sowie durch Überschneidung zwischen den Gruppen, verbunden sind“.
Man kann Jugend folglich in drei Ebenen gliedern: Die „virtuelle Großgruppe Jugend“ (Nowottnik 1989), die Ebene der Jugendkulturen oder jugendlichen Subkulturen und die Ebene der Kleingruppen Gleichaltriger, den sog. Peer-Groups. Jugendkulturen und Peer-Groups helfen Jugendlichen bei ihrer Identitätsfindung. Identitätsprobleme können laut Henne (1986) auf die Gruppe projiziert werden und die Identifikation mit Werten und Personen der Gruppe kann zur Ich-Identititätsfindung beitragen.
„Der Einzelne setzt sich emotional mit anderen gleich und übernimmt deren Werte und Motive in das eigene Ich; grenzt sich gegen andere ab und ist insofern auf dem Weg zu einer Ich-Identität“ (Henne. 1986, S. 204).
Spezifische Verhaltensmuster, Kleidung, Gestik und Sprache sind Mittel zur Mitteilung und Selbstdarstellung. Jede Abweichung von der Gesellschaft gilt dabei als Abgrenzung von der Erwachsenenwelt, sowie von anderen Gruppen und trägt zur Solidarität in der eigenen Gruppe bei. Henne sieht in diesem Zusammenhang die Sprachprofilierung eines Jugendlichen innerhalb einer Gruppe als charakteristisches Merkmal der Jugendphase.
Nach dem zweiten Weltkrieg bildete sich nach dem Vorbild der amerikanischen Jugend und durch die Veränderung der Industriegesellschaft eine eigenständige Jugendkultur (vergl. Brockhaus 1996), die sich später in Subkulturen aufteilte. Nach Schlobinski haben sich Jugendkulturen seit dem Rock’n Roll ihren Markt erobert und sind als Markt anerkannt worden. Heute ist die Gesellschaft gegen Provokationen der Jugendkulturen bzw. -szenen aufgeschlossener geworden. Jugendkulturen dienen häufig als Leitbilder für junggebliebene Erwachsene. Selbst das Outfit der Punk-Szene wurde zeitweilig auf Laufstegen modern. Models trugen Springerstiefel, Nieten und Sicherheitsnadeln als Ohrschmuck und machten diesen Stil „salonfähig“. Dies ist ein Beispiel für die Entwertung der Symbole von Jugendkulturen.
Das Jugendwerk der deutschen Shell hat 1997 in seinen Studien festgestellt, dass jugendkulturelle Stile heute durch schnelllebigere, diffusere und flexiblere Formen im Vergleich zu vorigen Studien (1981) auffallen und ihre wechselseitige deutliche Abgrenzung manchmal verlieren.
„Die jungen Leute bevorzugen Gruppenstile, die Spaß machen, Zerstreuung und Unterhaltung bieten, die unkomplizierten Umgang mit Gleichgesinnten ermöglichen, ohne dass man dabei längerfristige Verpflichtungen eingehen muss“ (Jugendwerk der deutschen Shell. 1997, S. 21).
Gleichzeitig ist der Wunsch nach Abgrenzung zu Kulturen Erwachsener erhalten geblieben. Aktuelle Jugendkulturen, die von Erwachsenen aufgrund fehlender Fähigkeiten oder Fertigkeiten nicht ohne Weiteres imitiert werden können, sind laut Trendforscher Nitschke die Skater-Szene, die Nerds der Computer-Szene und die Hip-Hop-Szene (vergl. Focus 12/2000). Die moderne Jugend muss immer extremere Jugendkulturen produzieren, um sich gegen das wachsende Maß an Toleranz und Gleichgültigkeit der Erwachsenenwelt zu behaupten. Extremsportarten, ausgefallene Kleidungsstile, sowie auch ausgefallene Sprechweisen, erleichtern Jugendlichen die Abgrenzung zur Gesellschaft und zu den Erwachsenen.
Jugendsprache setzt sich aus verschiedenen jugendlichen Sprechweisen zusammen. Demnach sollte von ihr im Plural gesprochen werden, jedoch unter Vorbehalt, da unter Sprache ein Zeichengefüge mit einer eigener Grammatik und ein differenzierter Wortschatz mit normativer Geltung verstanden wird. Jugendsprache setzt hingegen die Standardsprache voraus und ist zudem schnelllebig und ständig Neuerungen ausgesetzt, so dass hier nicht von einer eigenen Sprache die Rede sein kann. Die Literatur bezeichnet diesen Gegenstandsbereich dessenungeachtet als Jugendsprach-(en)-forschung.
Möhn (1980) ordnet Jugendsprache den Sondersprachen zu, da sie eine ausgren-zende und eine bestimmte Gruppenzugehörigkeit signalisierende Funktion hat. Sondersprachen stellen eine sprachliche Sonderung gegenüber einer allen Sprachteilnehmern verfügbaren Gemeinsprache (Standard- und Umgangssprache) dar. Im Vergleich zu Fachsprachen, die sachbezogen sind, ist die Sondersprache „Jugendsprache“ sozialgebunden, d.h. sie hat soziale Funktion. Die Juristensprache ist von allen Juristen zu verstehen, wohingegen Jugendsprache nicht unbedingt in allen Jugendgruppen verstanden werden kann.
Pörksen (1984) betrachtet Jugendsprache als Varietät des Deutschen. Henne macht 1986 auf die Heterogenität der Varietät aufmerksam. Dennoch ist Jugendsprache für Henne eine, die jugendlichen Gruppenstile (sprachliche, musikalische und sonstige Ausdrucksbedürfnisse, wie Kleidung o. Ä.) übergreifende Spielart des Sprechens und weniger des Schreibens. Er hält Jugendsprache für ein spielerisches Sekundärgefüge; Sekundärgefüge deshalb, weil sie die Standardsprache voraussetzt.
Lewandowski definiert Jugendsprache im Linguistischen Wörterbuch von 1990 als unkonventionellen Sprachstil Jugendlicher mit zum Teil regionaler und sozialer Differenzierung. Eine spezifische Sprech- und Schreibweise mit „kreativistischem“ Grundzug zur Sprachprofilierung und Identitätsfindung macht Jugendsprache ebenfalls aus. Dabei ist Jugendsprache situativ orientiert, metaphernreich und hyperbolisierend. Betrachtet man Jugendsprache als Gruppensprache, so besitzt Jugendsprache eine sozial abgrenzende, zugleich auch eine Zugehörigkeit signalisierende Funktion als Ausdruck einer spezifischen Jugendkultur. Im Vergleich zur Umgangssprache fällt Jugendsprache durch einen veränderten Wortschatz der Umgangssprache auf sowie durch häufigen Gebrauch von Anglizismen.
Nave-Herz (1989) konstatiert, dass eine allgemein gebräuchliche Jugendsprache existiert, aber gleichzeitig regionale, schichten- und gruppenspezifische Variationen vorkommen.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es „die“ Jugendsprache nicht gibt, da die Jugend keine homogene Masse ist. Schlobinski (1993) spricht sogar von dem Mythos oder der Fiktion Jugendsprache. Es existieren mehrere jugendsprachliche Varietäten nebeneinander, die sich gegenseitig inspirieren. Jugendsprache ist Gruppensprache und daher mehr als eine Sonderlexik, nämlich ein guppenspezifischer Sprechstil, der sich in sprachlicher, grammatikalischer, lautlicher und wortbildungsspezifischer Hinsicht von der Standardsprache unterscheidet. Dennoch ist Jugendsprache keine eigene Sprache. Jugendsprache wird als altersspezifische Teilmenge von Umgangssprache angesehen (Androutsopoulos 1998). Es gibt gruppenspezifische Ausprägungen mit ähnlichen Strukturen wie bei anderen Jugendgruppen. Es kann sogar von einem einheitlichen jugendlichen Basiswortschatz ausgegangen werden. Viele jugendsprachlichen Merkmale und Ausdrucksweisen fließen in die Umgangssprache ein (Neuland 1994). Jugendsprache ist dennoch sozial, situativ, kulturell und funktional gebunden.
Wie sich jugendsprachliche...