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E-Book

Tabor, die kleine Straßenkatze

AutorBritt Collins
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl320 Seiten
ISBN9783104038278
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Bob, der Streuner hat jetzt einen Kollegen: Tabor, die kleine Straßenkatze Michael King hat das Leben übel mitgespielt. So übel, dass er es eigentlich nur mit Alkohol aushält. Einen festen Wohnsitz hat er nicht mehr, sein stetiger Begleiter sind Sonne und Wind auf den Straßen Portlands. Doch in einer regnerischen Nacht findet er eine Katze, die hungrig und durchgefroren nach Unterschlupf sucht. Und es ist Tabor, die Katze, die diesen gebrochenen Mann rettet und ihm in den folgenden zehn Monaten, die die beiden gemeinsam auf der Straße verbringen, Hoffnung und Lebensfreude zurückgibt.

Die Journalistin Britt Collins hat ein Herz für Vierbeiner. Viele ihrer Artikel für den »Guardian« oder die »Sunday Times« beschäftigen sich mit den Rechten von Tieren, aber auch privat engagiert sich Collins für bedrohte Arten und kämpft gegen Tierversuche. In ihrem Haus in London haben bereits unzählige Streuner Unterschlupf gefunden.

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Leseprobe

Vorwort


Zu den glücklichsten Momenten in meinem Leben zählen die mitternächtlichen Spaziergänge an unserem Strand in Auckland, Neuseeland. Unser Haus, umgeben vom Meer und subtropischem Regenwald, lag nur eine Viertelstunde von der Innenstadt entfernt, aber es hätten genauso gut Hunderte Meilen sein können. Zu unserer Siedlung aus zehn Häusern führte keine Straße, also gab es dort auch keine Autos: Man erreichte sie nur, indem man zu Fuß einen Wald durchquerte. Als wir dieses Stück Land fanden, war mein erster Gedanke: Dies ist ein idealer Ort für Katzen. Wir hatten zu dieser Zeit fünf Katzen und unseren Hund Benjy (über den ich The Dog Who Couldn’t Stop Loving geschrieben habe), und für die Katzen war es das Größte, wenn draußen niemand mehr unterwegs war und ich mit ihnen und Benjy den letzten Spaziergang am Meer machte. Besonders herrlich war es in Vollmondnächten, wenn die Wellen sanft ans Ufer schlugen und biolumineszierende Fischwesen das Wasser erleuchteten. Die fünf Katzen – Yossie, Minna, Miki, Moko und Megala – fanden es unglaublich lustig, vorzurennen, sich hinter einer Düne zu verstecken und dann hervorzuspringen und Benjy zu überfallen. Der spielte immer mit, tat völlig überrascht und flippte schier aus: Er rannte über den Sand ins warme Meer, verfolgt von den fünf Katzen. Sie hatten einen Riesenspaß dabei. Der Hund liebte es. Und ich auch. Unser Ziel waren ein paar Pōhutukawas, gewaltige feuerrote Bäume, die Hunderte Jahre alt waren und am besten am Salzwasser gediehen. Die Katzen rasten die Bäume hinauf, hoch in die Kronen, bis weit über das Wasser, und miauten dann kläglich, als wüssten sie nicht, wie sie wieder herunterkommen sollten. Wenn ich nachsehen ging und vorgab, ihnen hinterherklettern zu wollen, sausten sie den Stamm hinab und sprangen in den Sand. Sie waren wie im Rausch. Anschließend standen wir zu siebt still am Strand und sahen hinaus zu den kleinen Inseln in Ufernähe, und ich wusste, dass die sechs Tiere dieselbe Ruhe empfanden wie ich, dasselbe Gefühl, dass alles in Ordnung ist mit der Welt, selbst wenn das keineswegs stimmt. In diesen intensiven Glücksmomenten verstand ich, was die Leute mit dem Klischee meinen, Tiere würden im Hier und Jetzt leben und sich keine Gedanken machen über das, was geschehen ist oder geschehen wird, sondern einfach diesen Augenblick tiefsten Friedens genießen.

Es gab einen weiteren Grund für mein intensives Glück: das Wissen, dass die Katzen, der Hund und ich dies zusammen erlebten und auf ähnliche Weise wahrnahmen. Damals wurde mir auch klar, dass der manchmal schlechte Ruf von Katzen, sie seien distanziert oder sogar unnahbar, nicht der Wahrheit entsprach. Das faszinierte mich so sehr, dass ich beschloss, über das komplizierte, tiefgründige Gefühlsleben von Katzen zu schreiben; was ich schließlich auch tat. Ich nannte das Buch – etwas kitschig (die meisten meiner Buchtitel sind kitschig!) – Katzen lieben anders. Man muss sich auf ihre Welt einlassen, anstatt sie zu zwingen, an unserer teilzunehmen. Diese Vorstellung begegnete mir zum ersten Mal, als ich Das geheime Leben der Hunde von Elizabeth Marshall Thomas las. Jedes Tier hat ein geheimes Leben, und um es zu entdecken, muss man bereit sein, die Welt mit seinen Augen zu sehen, nicht umgekehrt.

Als ich Britt Collins’ wunderbare Schilderung von Michael King las und von Tabor, der verletzten streunenden Katze, die er in den Straßen von Portland gerettet hatte, wurde mir klar, dass hier genau dies geschehen ist: Sowohl die Katze als auch der Mensch beschlossen, das Leben des jeweils anderen zu führen. Das ist die Grundlage für eine besondere Bindung, eine, die so unter anderen Umständen vielleicht nicht entstanden wäre. Indem Michael sich um die Katze kümmert und ihre Eigenarten kennenlernt, sieht er wieder einen Sinn im Leben und öffnet sein Herz, wie er es lange nicht mehr getan hatte. Darüber hinaus erlauben ihm die Vertrautheit und Intensität ihres gemeinsamen Lebens auf der Straße, das Tier in einer Weise zu verstehen, wie es das Wohnen mit einem Dach über dem Kopf nicht hergibt. (Meiner – vielleicht ungerechten – Ansicht nach nimmt die reine Wohnungshaltung einer Katze die Möglichkeit, sich artgerecht zu verhalten. Wenngleich mir die Statistiken bekannt sind, dass Wohnungskatzen viel länger leben als solche, die nach draußen können.) Michael und Tabor waren selten getrennt voneinander und schliefen fast ein ganzes Jahr jede Nacht zusammen, während sie den amerikanischen Westen bereisten. Was für ein Glück für beide. Übrigens kann ich jedem, der mit einer Katze zusammenlebt, nur empfehlen, sie auch ins Bett zu lassen. Mit Katzen in einem Bett zu schlafen ist eine der schönsten Freuden im Leben. Es kann kompliziert sein: Jahrelang hat mein Kater Megala bei mir im Bett geschlafen (meine tapfere Frau Leila, die ihre Katzenhaarallergie durch extreme Exposition überwand, soll hier nicht unerwähnt bleiben). In kalten Nächten schlüpfte er unter die Decke, streckte seinen kleinen Körper neben meinem aus und schnurrte laut, bis er einschlief. Ich meine entdeckt zu haben, dass Katzen nur schnurren, wenn ein anderes Lebewesen in der Nähe ist, aber ich kann mich auch täuschen: Viele Leserinnen und Leser haben mir geschrieben, dass sie von Katzen wissen, die schnurren, obwohl sie allein sind. Die große Schriftstellerin Doris Lessing, die sicher viel mehr Ahnung von Katzen hat als ich, war eine von ihnen. Dennoch hat sie liebenswürdigerweise für den Guardian eine Rezension über mein Buch geschrieben, in der sie diesen und weitere mögliche Fehler unerwähnt ließ, aus Respekt vor meiner Leidenschaft für Katzen. Aber ich schweife ab. Der Grund, weshalb es kompliziert war, neben Megala zu schlafen, war, dass ich manchmal irgendetwas tat, das ihn verärgerte (ich habe keine Ahnung, was –, vielleicht habe ich mich falsch bewegt), woraufhin er mich mit einem raschen Biss ins Bein bestrafte. Das tat weh. Auch meine Gefühle waren verletzt, also verbannte ich ihn aus dem Bett. Beleidigt ging er davon. Eine Stunde später kam er jedoch zurück, und wie sollte ich konsequent sein, wusste ich doch, wie angenehm es war, ihn im Bett liegen zu haben. Das passierte mindestens zwei- oder dreimal pro Nacht, und Leila wunderte sich, dass ich ihm überhaupt noch erlaubte, bei uns zu schlafen. Doch wie sollte ich diesem weichen Fell widerstehen (Megala war eine Bengalkatze und sah aus und verhielt sich wie ein kleiner Leopard), dem ausgestreckten Körper und dem Schnurren reinen Vergnügens?

Kann man eine Katze lieben, ohne dass es einen verändert? Ich glaube nicht. Ich bin auch ein großer Hundeliebhaber und habe viel über sie geschrieben (unter anderem Hunde lügen nicht – ein weiterer kitschiger, aber wahrer Titel), doch zwischen den beiden Arten gibt es einen entscheidenden Unterschied: Hunde müssen uns nicht in ihre Welt lassen. Sie leben bereits in derselben Welt wie wir. Nicht so Katzen. Ich behaupte, dass Katzen eigentlich nie vollständig domestiziert wurden. Sie haben sich bloß, aus Gründen, die nur sie kennen, dazu herabgelassen, bei uns einzuziehen. Aber wenn sie uns erlauben, ihr Reich zu betreten, befinden wir uns plötzlich an einem völlig anderen Ort. Wir betrachten Katzen als geheimnisvoll, weil sie es sind! Lassen sie einmal zu, dass man einen Blick in ihre geheimnisvolle Welt wirft, verändert einen das für immer. Vielleicht kann man nicht in jedem Fall den Finger darauf legen, inwiefern das so ist. Vielleicht merkt man es selbst nicht, aber es passiert. Michael hat dies mit voller Wucht zu spüren bekommen, als er die Person (ja, eine Katze ist eine Person – ein Lebewesen mit einer eigenen Persönlichkeit, ein Subjekt mit einem eigenen Leben, wie der große Tierphilosophie-Autor Tom Regan es uns in seinen zahlreichen bahnbrechenden Büchern deutlich gemacht hat), die er so innig und bedingungslos geliebt hat, wie sonst vielleicht keine, aufgab und in der Folge sein eigenes Leben einen tieferen Sinn bekam. Wie Coleridges alter Seemann lernte Michael, sich um die Hilflosen, Verletzlichen, Benachteiligten zu sorgen, als er selbst am Ende war, und ihnen zu helfen, genau wie diese kleine, verlorene Katze namens Tabor ihm geholfen hatte. Indem er Tabors Welt betrat, war er in der Lage zu sehen, was er zuvor nicht wahrgenommen hatte.

An Strays – oder vielmehr an den tatsächlich erlebten Abenteuern von Michael und Tabor auf der Straße – gefiel mir besonders zu sehen, wie abenteuerlustig Katzen und Menschen gleichermaßen sind, und wie sie angesichts von Gefahren, denen die meisten von uns sich nie stellen müssen, lebendig werden. Als die beiden Tausende von Meilen trampten, fragte ich mich mehrmals, wie sie so vertrauensvoll gegenüber denjenigen sein konnten, die anboten, sie mitzunehmen – selbst bei dem tätowierten, waffentragenden Kerl in einem tief republikanischen Staat, nachdem sie eine Woche in der erdrückenden sommerlichen Hitze an einem Ort festgesteckt hatten. Noch verblüffender waren die unerwarteten freundlichen Gesten, die sie scheinbar an jeder Ecke erwarteten, und die ihnen halfen, Schneestürme, fanatische Evangelikale, hungrige Bären und Kojoten und eine Rinderstampede zu überleben.

Vielleicht war diese tapfere, liebenswerte Katze mit dem Herzen eines Herumtreibers genau das, was Michael brauchte – während sie seine Fürsorge und seinen Schutz benötigte. Noch bevor ihre Reise zu Ende ist, hat Michael sich verändert. Wie sonst hätte er genau das Richtige tun und sie ihrem ersten Halter Ron Buss zurückgeben können? Zu lesen, wie dieser unter dem...

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