Nachdem nun Klarheit über die Herausforderungen von Teamleitungen herrscht, das Rollengeflecht mit seinen Tücken beschrieben ist und die Grundsätze einer Zusammenarbeit zwischen Leitung und Stellvertretung formuliert sind, geht es darum zu klären, was Sie als (neue) Teamleitung »mitbringen« sollten. Schließlich sollen Sie Ihren Aufgaben gerecht werden. Dazu erscheint es mir zunächst wichtig, sich mit den gängigen Führungsstilen zu befassen.
Ein Blick in die Praxis: Im Stationsleitungskursbitte ich die Teilnehmer(innen), sich in Gruppen darüber auszutauschen, wie in ihren Einrichtungen Führung z. Zt. definiert wird. Sie sind aufgefordert, ihr eigenes Führungsverständnis zu formulieren und zwar »kekk« (kurz, einfach, klar und knackig).
Dafür bekommen sie einen Flip-Chart-Bogen mit der Überschrift: »Führung heißt für uns …«. Auf den Bögen tauchen dann Begriffe auf wie »Respekt im Umgang miteinander zeigen« und »Dafür sorgen, dass Respekt gelebt wird«, »Mitarbeiter-Motivation stärken«, »Anleiten zu selbst verantwortetem Tun«, »Gerechtigkeit«, »Fairness« u. Ä. m.
Fragt man etwas genauer, nämlich danach, was denn in den Einrichtungsleitbildern zu Führung steht, wird es meist ruhiger in der Runde. Vielen ist das eigene Leitbild gar nicht bekannt. Hat man dann die Gelegenheit, sich doch das eine oder andere Leitbild anzuschauen, so findet man zum Thema Führung häufig Sätze wie: »Wir pflegen einen kooperativen/partizipativen oder auch teamorientierten Führungsstil.« Doch was heißt das genau?
Fragen
• Lassen sich die oben zitierten Aussagen bzw. Begrifflichkeiten bündeln, auf einen umfassenden Begriff zusammenfassen, der etwas über den tatsächlichen Umgangsstil in Bezug auf die Interaktion zwischen Führenden und Geführten aussagt?
• Lässt sich ein einziger, richtiger »Umgangsstil« von Teamleitungen gegenüber ihren Mitarbeitern beschreiben? Gibt es den einen richtigen Führungsstil (s. o. »kooperativ« usw.)?
Dazu nochmals zu den von den Teilnehmer(inne)n genannten Begriffen. Mit Blick in die Literatur lassen sich durchaus zusammenfassende Begriffe und Modelle finden, die helfen, das eigene Führungsverständnis deutlicher zu konturieren.
Beginnen wir etwa mit Lotmar & Tondeur21, zwei Autoren, die über Führung in sozialen Organisationen schreiben. Sie definieren ihr Führungsmodell als: »Führen = in vernetzten Bezügen bewusst handeln.« Die »vernetzten« (oder vielleicht besser: vernetzte und zu vernetzende) Bezüge sind in ihrem Modell:
• Menschen (Fähigkeiten),
• Werte,
• Leitbilder (Ziele),
• Ressourcen/Produkte (Angebot),
• Strukturen (Organisation),
• Beziehungen (Kommunikation).
Hieran scheint auch das oben vorgestellte Systemmodell mit seinen sechs Elementen aus der personalen Systemtheorie aus dem Kapitel 1.3 (vgl. Volmer & König) gut anschlussfähig zu sein.
Nehmen wir diese Modelle als gleichsam grundlegenden »Überbau für Führung«. Das Wie des konkreten Führungshandelns fehlt uns allerdings immer noch. Hier erscheint es interessant, einen Blick in die Geschichte des Verständnisses von Mitarbeiterführung zu werfen. Glatz & Graf-Götz orientieren sich an Kälin und Müri (2001), wenn sie einen alten, feudalen Stil mit dreimal »K« als Leitbegriffen nachzeichnen und dann die Wandlung hin zu einem heute zeitgemäßen Stil mit den drei »F« als neuen Leitbegriffen vollziehen.22 Die drei »K« sind »Kommandieren, Kontrollieren und Korrigieren«. Dahinter steht eine Kultur des Führens, in der Anweisungen erteilt und Gehorsam verlangt werden. In einer solchen Führungskultur herrscht eher ein Misstrauen gegenüber den Mitarbeitern, die möglichst eng geführt werden – und im Einzelfall auch regelrecht »bestraft«. Viel Raum für Entfaltung gibt es hier nicht.
Die drei »F« sind »Fördern, Fordern und Feedback«. Vielleicht haben die beiden »F« Fördern und Fordern seit der Hartz 4 Gesetzgebung einen etwas schlechten Beigeschmack. Als Führungsmodell sind die drei F jedoch empfehlenswert. Es wird mit Zielen gearbeitet, mit gemeinsamen Strategien. Mitarbeiter erhalten Hilfen, um sich fort- und weiterzubilden. Es gibt die Möglichkeiten des Aufstiegs innerhalb des Unternehmens. Es gibt Rückmeldungen zur Arbeitsleistung und auch Coaching.
Fazit
Unter den drei »F« wird Führen wesentlich mehr zu einer partnerschaftlichen Aufgabe. Und Coaching ersetzt das Kommandieren.*
* Vgl. Graf-Götz & Glatz 2011, S. 123
Eine weitere griffige Orientierung liefern uns Doppler und Lauterburg in ihrem Buch »Change-Management«. Sie definieren Führung für die heutige Zeit »neu«, wenn sie proklamieren, dass Führung »Rahmenbedingungen (schaffen muss), die es normal intelligenten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen, ihre Aufgaben selbständig und effizient zu erfüllen«.23
Selbst wenn das Neue, das Zeitgemäße jetzt benannt ist, sollten wir noch einen Augenblick bei den klassischen Führungsstilen stehen bleiben. Sie bieten uns die Möglichkeit, wirklich situativ und individuell »in Führung zu gehen«. Also: weg von allein »kooperativ« oder allein »partizipativ« oder allein »teamorientiert«, so wie es uns in den Leitbildern immer wieder begegnet. Stattdessen: hin zu Individualität, zu Variationen, abgestimmt auf die konkrete Situation und momentane Verfasstheit des Mitarbeiters.
Hinweis
Individualität ist das Stichwort, das uns später nochmals beschäftigen wird, wenn wir uns mit den verschiedenen Mitarbeitergenerationen beschäftigen. In diesem Kontext wird der sogenannte Transformationale Führungsstil beleuchtet; alles mit dem Ziel, hohe emotionale Bindung ans Unternehmen zu erreichen.
Hier greifen wir auf Kälin und Müri24 zurück, die vier Stile unterscheiden:
1. Laissez-faire-Stil
2. Karitativen Stil
3. Autoritären Stil
4. Kooperativen Stil
Stil 1: Laisser-faire
Hier sind weder zwischenmenschliche Bedürfnisse noch die Erreichung von Sachzielen und Produktivität betont. Letztlich geht es um das Einhalten von Richtlinien, Regeln und Vorschriften. Innerhalb dieses Rahmens dürfen sich die Mitarbeiter relativ frei bewegen.
»Führungskräfte in diesem Verhaltensbereich
• bevorzugen genaue Richtlinien;
• stellen das Reglement in den Mittelpunkt;
• halten sich möglichst neutral;
• halten Vorschriften genau ein;
• nehmen wenig Einfluss auf das Erreichen der Sachziele;
• nehmen wenig Einfluss auf das Betriebsklima.«25
Stil 2: Karitatives Führungsverhalten
Hier sind die zwischenmenschlichen Bedürfnisse deutlich betont, während das Erreichen von Sachzielen und der Produktivität nicht akzentuiert werden. Mitarbeiter haben einen großen Freiraum, in dem sie sich bewegen können. Die Führungskraft schenkt Vertrauen, ermutigt und unterstützt.
Stil 3: Autoritäres Führungsverhalten
Hier werden Sachziele und Produktivität deutlich betont, wohingegen die zwischenmenschlichen Bedürfnisse kaum beachtet werden. Hohe Ziele und starke Leistungen zählen. Die Führungskraft wird im Zweifel eher »alles selbst machen«, als ihren Mitarbeitern allzu viel zuzutrauen.
Stil 4: Kooperatives Führungsverhalten
Hier werden sowohl Sachzielerreichung/ Produktivität wie auch zwischenmenschliche Bedürfnisse deutlich betont. Führungskräfte haben ein klares Ziel und sie wollen dies gemeinsam mit ihren Mitarbeitern erreichen. Das Betriebsklima ist wichtig, denn nur wenn die Menschen und ihre Bedürfnisse geachtet werden, können auch die gemeinsamen Ziele erreicht werden.
Es stellt sich die Frage, wann nun welcher Stil zu favorisieren ist? Meiner Meinung nach, lässt sich die Antwort recht einfach aus der Abbildung 3 »lesen«:
Abb. 3: Führungsstile im Vergleich
• Wenn der Mitarbeiter gut ausgebildet ist, er eine hohe Fachlichkeit besitzt, gleichzeitig hoch motiviert ist, dann ist Laisser-faire-Stil (Stil 1) durchaus anwendbar. Wenngleich das nicht auf Dauer sein sollte, da sonst das Zwischenmenschliche vernachlässigt wird. Aber die Führungskraft kann ihren Einfluss begrenzen und sich darauf verlassen, dass die Arbeit gut und kompetent...