Das Grundprinzip der Kommunikation scheint auf den ersten Blick ganz einfach zu sein. In den Veröffentlichungen zur Kommunikationsfrage begegnet man häufig einem Informationsmodell von Kommunikation, das von den Amerikanern Claude E. Shannon und Warren Waever im Jahre 1949 entwickelt wurde. Hier wird Kommunikation im Modell eines Senders und eines Empfängers vorgestellt. Zwischen dem Sender und dem Empfänger werden Informationen ausgetauscht. Es handelt sich dabei um ein mathematisches Modell, das ursprünglich für die technische Kommunikation entwickelt wurde, dann aber von Medienwissenschaftlern aufgegriffen und als Gesamtmodell für Kommunikation verstanden wurde. Dabei ergibt sich folgende einfache Struktur, wie sie aus Abbildung 1 zu ersehen ist.
Abb. 1: Sender-Empfänger-Modell von Kommunikation (G. Adam).
Dies Modell beschreibt den Vorgang der technischen Kommunikation, d. h. die Übermittlung von Information, in gelungener Weise. Es ist aber als Gesamtmodell für Kommunikation unzureichend, weil es nur sachliche Informationen im Blick hat, dagegen die Eindrücke und Gefühle der Menschen gar nicht vorkommen.
Die Überlegungen des aus Österreich in die USA emigrierten Kommunikationsforschers Paul Watzlawick führen hier deutlich weiter. Er hat fünf Grundsätze für den Kommunikationsprozess formuliert (1969: 53, 56, 61, 68, 70, hier z. T. sprachlich vereinfacht).
(1) Erster Grundsatz:
Es ist unmöglich, nicht zu kommunizieren.
Diese Aussage überrascht zunächst. Sie leuchtet aber ein, wenn man sich ansieht, wie wir Menschen uns in kommunikativer Hinsicht verhalten. Wir kommunizieren nämlich ununterbrochen, wobei wir nicht nur mit Hilfe von gesprochener Sprache kommunizieren. Wir können z. B. auch durch Schweigen oder Handzeichen kommunizieren. Unsere Kommunikation geschieht neben der sprachlichen (verbalen) auch auf nichtsprachliche (nonverbale) Weise.
Auf der verbalen Ebene vollzieht sich die Kommunikation durch die gesprochene Sprache (siehe Kapitel 2.3). Die verbale Kommunikation vollzieht sich auf dem »Hörkanal«. Dazu gehören auch Töne und Musik. Bei der nonverbalen Kommunikation kann man die Mittel der Mitteilung sehen (»sichtbare Sprache«). Die nonverbale Kommunikation vollzieht sich vor allem durch und mit Körpersprache. Diese lernt der Mensch bereits in früher Kindheit. Körpersprache umfasst dabei Gestik, Mimik, Blickkontakt, Körperhaltung und äußere Erscheinung. Empirische Untersuchungen zeigen deutlich, in wie starkem Maße unsere zwischenmenschliche Kommunikation durch die nonverbale Kommunikation mitbestimmt wird (siehe Kapitel 2.4).
(2) Zweiter Grundsatz:
Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt.
In einem Gespräch geht es nicht nur um die Weitergabe von Informationen und Sachverhalten (Inhaltsaspekt). Wenn wir kommunizieren, definieren wir zugleich unsere Beziehung zu der Person, mit der wir reden (Beziehungsaspekt).
Ein Beispiel: Der Satz »Eintritt verboten!« klingt beim ersten Hören wie eine reine Sachinformation. Durch die Wendung »Eintritt verboten!« wird ein bestimmtes Hierarchiegefälle zwischen den Menschen, eine bestimmte Sichtweise von Befehl und Gehorsam ausgedrückt. Wenn auf dem Schild stehen würde »Bitte treten Sie hier nicht ein!«, dann bliebe zwar die Sachinformation dieselbe, doch die Beziehungsebene zwischen dem Auftraggeber des Schildes und den Adressaten wäre eine andere. Die Wendung »Bitte treten Sie hier nicht ein!« definiert ein anderes Verständnis von Autorität und damit eine andere Sicht der Beziehung der Menschen zueinander. Wenn schließlich gar auf dem Schild stünde »Bitte treten Sie hier nicht ein. Wir sind gerade in einer wichtigen Besprechung!«, so ließe dies neben dem anderen Verständnis von Autorität zusätzlich eine solche Respektierung der Person sichtbar werden, dass man ihr eine Erklärung zukommen lässt, warum der Raum zu diesem Zeitpunkt nicht betreten werden kann (nach Pink 2001:16f.)
(3) Dritter Grundsatz:
Die Interpunktion der Ereignisfolgen bestimmt die Beziehung.
Die Kommunikation zwischen zwei Personen erscheint zunächst als ein ununterbrochener Austausch von Mitteilungen. Jede teilnehmende Person legt dieser freilich eine Struktur zugrunde. Watzlawick spricht von einer »Interpunktion von Ereignisfolgen«. Die an einer Kommunikation beteiligten Personen haben jeweils ihre eigenen Interessen. Von daher setzt jede Person ihre Schwerpunkte und nimmt dementsprechende Einteilungen der Abläufe vor – die Interpunktionen. Im günstigen Falle können diese zwischen zwei Kommunikationspartnerinnen gleichläufig sein. Dann wird die Kommunikation eher gelingen. Häufig, ja meistens, sind die Interessenslagen und damit die sich daraus ergebenden Schwerpunktsetzungen unterschiedlich. Das ist dann Anlass zu Missverständnissen. Aufgrund von unterschiedlichen Interessenslagen ergeben sich vielerlei Beziehungskonflikte.
Beispiel: Ein Patient will sich nicht selbst waschen, weil es mühsam ist und weil es schön ist, »bedient« zu werden. Die Pflegekraft möchte aber, dass der Patient so viel wie möglich selber macht. Ihr Interesse geht dahin, dass er sich möglichst bald selbst versorgen kann.
Patienten suchen bisweilen Informationen, welche die Ungefährlichkeit einer Krankheit oder die Risikofreiheit einer anstehenden Operation »bestätigen«, um durch eine solche Verdrängungsstrategie ihre Krankheitssituation bewältigen zu können. Die Pflegekraft kann eine solche Interpunktion nicht einfach akzeptieren, sie bleibt der Wahrheit über die wirkliche Situation der kranken Person verpflichtet.
(4) Vierter Grundsatz:
Menschliche Kommunikation geschieht auf digitale oder analoge Art und Weise.
Es gibt zwei unterschiedliche Weisen, in denen Objekte dargestellt und zum Gegenstand von Kommunikation werden können. Sie lassen sich entweder durch eine Analogie (z. B. eine Zeichnung) oder durch einen Namen charakterisieren. Namen sind dabei Wörter, d. h. eine Abfolge von Buchstaben, auf die man sich für die sprachliche Kommunikation zur Bezeichnung des Objektes geeinigt hat. Ein Tisch ist eben ein »Tisch«, weil man sich darauf geeinigt hat, ihn so zu nennen. Man hätte ihn auch Stuhl oder Schrank nennen können. Diese Form der Kommunikation durch Namen nennt man digital. Digitale Kommunikation benötigt einen vielseitigen Sprachaufbau, um die Namen verbindlich fixieren zu können. Sie ist aber für den Bereich der menschlichen Beziehungen unzulänglich ausgestattet, es fehlt ihr dafür die nötige Bedeutungstiefe der Sprache.
Analoge Kommunikation ist dagegen für den Bereich der Beziehungen aussagekräftig. Es liegt im Wesen einer Sache, dass analoge Kommunikation eine Ähnlichkeitsbeziehung zu dem Gegenstand hat, für den sie steht. Die meisten, wenn nicht alle menschlichen Errungenschaften wären ohne die digitale Kommunikation und die durch sie ermöglichte präzise Informationsübermittlung nicht möglich gewesen. Hier ist insbesondere die Übermittlung des Wissens von einer Person zu einer anderen und von einer Generation zur nächsten zu nennen.
Das sei an zwei Beispielen verdeutlicht: Ich kann meine Zuneigung digital durch die Aussage »Ich liebe dich« oder analog durch das Überreichen einer roten Rose mitteilen.
Ich kann über ein Gebäude mit Hilfe eines Begriffs auf digitale Weise (»Wohnhaus«, »Fabrik«, »Schule«) oder mit Hilfe eines Bildes (Foto des Gebäudes) auf analoge Weise kommunizieren.
Auf digitalem Wege können wir über Gegenstände und Sachverhalte präzise, umfassend und informativ kommunizieren. Analoge Kommunikation hat dagegen für den Bereich der Beziehungen die besseren Möglichkeiten. Daraus ergibt sich, dass die Zeichen- und Körpersprache (analoge Kommunikation) im Blick auf die Beziehungen aussagekräftiger ist. Mimik, Gestik und Körperhaltungen sagen sehr viel mehr als Worte etwas darüber aus, wie eine Person zu mir steht und was sie von mir denkt. Von daher ist es wichtig, den eigenen Blick für die Körpersprache zu schulen.
(5) Fünfter Grundsatz:
Zwischenmenschliche Kommunikation verläuft entweder symmetrisch (bei Gleichheit der Beziehung) oder komplementär (bei Unterschiedlichkeit der Beziehung).
Bei der symmetrischen Kommunikation geht es um zwei Personen, die auf gleicher Ebene miteinander kommunizieren bzw. nach Gleichheit streben und die Unterschiede zwischen den Partnern vermindern wollen. Das gilt zum Beispiel, wenn zwei leitende Mitarbeiterinnen von Pflegeeinrichtungen miteinander sprechen. Symmetrische Kommunikation ist aber keineswegs der Normalfall, auch wenn viele Menschen sich das wünschen.
Bei der komplementären Kommunikation haben die beteiligten Personen verschiedene Positionen zueinander, die mit ihrem Status, ihren Rollen etc. zusammenhängen (z. B....