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E-Book

Teresa von Ávila

Biographie

AutorAlois Prinz
VerlagInsel Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl300 Seiten
ISBN9783458738664
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR


Alois Prinz, 1958 geboren, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in M&uuml;nchen und lebt heute mit seiner Familie in Kirchheim bei M&uuml;nchen. Er ver&ouml;ffentlichte Biografien &uuml;ber Hermann Hesse, Ulrike Meinhof, Franz Kafka, Dietrich Bonhoeffer und andere. 2012 erschien sein Buch <em>Hannah Arendt oder Die Liebe zur Welt</em>, das sich &uuml;ber 130.000 Mal verkaufte.

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Leseprobe

I. DIE MAUERN VON ÁVILA


Don Alonso Sánchez de Cepeda lebte 1515 nun schon über zwanzig Jahre in der kastilischen Stadt Ávila, und trotzdem war er lange nicht so angesehen wie die alteingesessenen Familien der Stadt, wie die Bracamontes, die Guieras oder die Cimbróns. Dabei erfüllte er doch alle Voraussetzungen eines ehrenhaften Bürgers. Er war ein guter Christ, hatte einen verbrieften Adelstitel und lebte von den Zinsen seines Vermögens. Er hatte eine Frau aus einer altchristlichen Familie geheiratet, die schon früh verstorben war und ihm zwei Kinder hinterließ, María und Juan. Zwei Jahre nach dem Tod seiner Frau Catalina hatte Don Alonso wieder geheiratet, die erst vierzehnjährige Beatriz de Ahumada. Auch sie entstammte einer adligen, altchristlichen Familie, was seine Stellung in Ávila eigentlich hätte stärken müssen. Aber den Makel seiner Herkunft bekam er nicht los. Die Vergangenheit holte ihn immer wieder ein, eine Vergangenheit, die für Don Alonso mit traumatischen Erinnerungen verbunden war.

Als kleiner Junge hat er miterleben müssen, wie sein Vater, Juan Sánchez, gedemütigt und seine ganze Existenz zunichtegemacht wurde. Die Familie lebte damals in Toledo, und der Vater war ein reicher Tuchhändler. Dass er Jude war, hat ihm zwar Nachteile und die Abneigung mancher Mitbürger eingebracht, aber seinen Beruf und das Überleben seiner Familie konnte Juan Sánchez noch sichern. Doch das änderte sich Ende des 15. Jahrhunderts.

Jahrhundertelang hatten in Spanien Christen, Juden und Muslime relativ friedlich nebeneinandergelebt. Ende des 14. Jahrhunderts verarmten große Teile der Bevölkerung, und der Hass der verbitterten Menschen richtete sich gegen die Juden, die vermögend waren und einflussreiche Stellungen innehatten. Dieser Hass entlud sich in Städten wie Sevilla, Valencia und Barcelona, wo Judenviertel zerstört, die Bewohner getötet oder gezwungen wurden, sich taufen zu lassen. Viele Juden verließen daraufhin das Land oder nahmen mehr oder weniger freiwillig den christlichen Glauben an.

Dadurch wurde ihre Lage allerdings noch schlimmer. Denn die »conversos«, wie man die Konvertierten nannte, wurden von den standhaft gebliebenen Juden verachtet. Und bei den Christen standen sie im Verdacht, nur um ihrer Karriere willen den neuen Glauben angenommen zu haben, insgeheim aber noch ihrem alten Glauben anzuhängen. Dieser Verdacht wog umso schwerer, als konvertierte Juden nun nicht mehr an bestimmte Berufe gebunden waren, sondern in höchste Stellen in Staat und Kirche aufsteigen konnten. Nicht selten waren Bischöfe und Kardinäle Conversos. Die Angst, der christliche Glaube könne durch »Scheinchristen« unterwandert werden, wuchs. Als Folge begann ein geradezu hysterischer Kampf um die Reinheit des Glaubens.

Zum obersten Maßstab wurde nun die »honra«, die Ehre. Und die bemaß sich danach, welchen altchristlichen Stammbaum ein Mann, eine Frau vorweisen konnte. Je weiter zurück die christliche Tradition einer Familie reichte, desto größer war ihr Ansehen und desto größer die Chance, in der Gesellschaft aufzusteigen. Für einen verantwortungsvollen Posten waren nicht mehr die Bildung und Eignung eines Mannes ausschlaggebend, sondern die »Reinheit« seiner christlichen Abstammung. Und weil die bäuerliche Bevölkerung tiefer in der altchristlichen Tradition verwurzelt war, kam es immer öfter zu der grotesken Situation, dass Männer in hohe Ämter berufen wurden, nur weil ihre Vorfahren Bauern waren. Das konnten durchaus fähige Leute sein, doch manchmal galt es in solchen Fällen schon als Zeichen einer vornehmen Abstammung, wenn jemand seinen Namen nicht schreiben konnte.1

Abgesehen von diesen Folgen für die führende Schicht des Landes vergiftete der Streit um die Conversos das gesellschaftliche Klima. Angst und Misstrauen bestimmten den Umgang der Menschen miteinander. Denunzianten waren Tür und Tor geöffnet. Niemand konnte mehr sicher sein, dass nicht auch er als verkappter Jude verdächtigt wurde, zumal es jetzt die sogenannten »grünen Bücher« gab, in denen die Namen der Conversos-Familien aufgeführt waren. In Toledo, der Heimatstadt von Juan Sánchez, wurde 1449 ein Statut über die »Reinheit des Blutes« erlassen, um sicherzustellen, dass Scheinbekehrte von hohen Ämtern ausgeschlossen wurden. Noch prekärer wurde die Lage für Juden und Conversos, als im Jahr 1474 Isabella I. von Kastilien und Ferdinand II. von Aragonien den katalanischen Thron bestiegen. Das Königspaar gab dem Druck fanatischer Mönche nach und bat in Rom um die Zustimmung, eigene Gerichte zur Verfolgung von Häretikern einrichten zu dürfen. Papst Sixtus IV. gab sein Einverständnis. Und so wurde im Jahr 1481 in Sevilla die Heilige Inquisition eingeführt, und vor den Toren der Stadt wurden die ersten Ketzer verbrannt. Drei Jahre später nahm die Inquisition in anderen Städten Kastiliens ihre Arbeit auf.

So geschah es auch in Toledo, wo Juan Sánchez und seine Frau Inés de Cepeda bisher an ihrem jüdischen Glauben festgehalten hatten. In den Kirchen der Stadt wurde bekanntgegeben, dass sich alle, die mit ihrem jüdischen Glauben einen schädlichen Einfluss ausübten, bis zu einem gewissen Zeitpunkt melden konnten, um einer schweren Strafe zu entgehen. Wer dies nicht tat und unter Verdacht geriet, verlor automatisch seinen Besitz und musste mit einer Strafe rechnen. Auf leichtere Fälle stand der Kerker. Bei schweren Vergehen wurden die Verurteilten ausgepeitscht oder auf Galeeren verbannt. Und wenn jemand mehrmals rückfällig wurde, drohte ihm der Tod auf dem Scheiterhaufen. Niemand, der der christlichen Kirche gefährlich war, sollte den Netzen der Inquisition entgehen. Ketzer, die flohen, wurden steckbrieflich verfolgt, und sogar bereits verstorbene Verdächtige wurden aus ihren Gräbern geholt und nachträglich verbrannt, damit die Friedhöfe nicht mit deren Leichnamen entweiht wurden.2

Erst 1946 wurden Prozessakten entdeckt, die belegen, dass Juan Sánchez am 22. Juni 1485 vor dem Inquisitionstribunal in Toledo erscheinen musste. Wessen er genau angeklagt war, lässt sich nicht mehr sagen. Wahrscheinlich wurde ihm vorgeworfen, im Geheimen jüdische Rituale zu praktizieren. Fest steht aber, dass er sich für schuldig erklärte, schwere Vergehen gegen den katholischen Glauben begangen zu haben. Dieses Bekenntnis und das spätere Verhalten Juan Sánchez' und seiner Nachfahren lassen den Schluss zu, dass er vom jüdischen zum christlichen Glauben wechselte. Einer Strafe entging er dennoch nicht. Er musste, zusammen mit seinen Kindern, an sieben aufeinanderfolgenden Freitagen, bekleidet mit einem Büßergewand, in einer Strafprozession durch die Stadt laufen. Dieses Büßergewand wurde danach, versehen mit seinem Namen, in der Kirche aufgehängt.3 Sein Vermögen verlor er offenbar nicht, denn er konnte sich in den folgenden Jahren eine neue Existenz aufbauen.

Juan Sánchez hatte sich mit der katholischen Kirche versöhnt. Gerade noch rechtzeitig, denn einige Jahre später, 1492, mussten alle Juden Spanien verlassen. Juan Sánchez war nun ein Converso. Als Angehöriger einer diskriminierten Minderheit konnte er entweder forthin ein ärmliches Leben in Toledo führen. Oder er konnte an einem anderen Ort ein neues Leben als Christ beginnen.

Juan Sánchez entschied sich für die zweite Möglichkeit. 1493 zog er mit seiner Familie nach Ávila. Die Stadt war damals ein Zentrum für die Verarbeitung von Schafswolle, und da Juan Sánchez klug und geschäftstüchtig war, brachte er es in diesem Metier bald zu großem Erfolg. In der Calle de Andrín, im Zentrum jenes Viertels, wo viele Conversos ihre Geschäfte betrieben, hatte Juan Sánchez einen Laden für Wolle und Seide. Er lebte in Wohlstand und nutzte sein Ansehen dazu, Kontakte mit den wichtigsten Familien Ávilas zu knüpfen und vorteilhafte Ehepartner für seine Kinder zu finden.

Um das Jahr 1500 erwarb Juan Sánchez einen Adelsbrief, was bei Conversos häufiger vorkam und mit Hilfe von viel Geld und falschen Zeugen bewerkstelligt wurde. Er gehörte nun zum niedrigen Landadel, zu den »hildagos«, war von Steuern befreit und durfte den Titel Don führen. Als Christ und Adliger musste Juan Sánchez ein tadelloses Leben führen, um möglichst seinen Geburtsfehler zu verdecken und keinerlei Verdacht aufkommen zu lassen. Das hieß aber auch, dass er kein Geschäft mehr betreiben durfte, denn das galt als typisch jüdisch und daher als entehrend. Nur landwirtschaftliche Arbeit war angesehen. Dazu aber war Juan Sánchez nicht geeignet. Also musste er von seinem Vermögen und von Pachterträgen leben. Und dieses Vermögen, oder das, was davon noch übrig war, vermachte er seinen Kindern, zu denen auch sein Sohn Alonso gehörte.

Don Alonso de Cepeda führte das Erbe seines Vaters fort. Und das in jeder Hinsicht. Immer war er darauf bedacht, den Makel seiner Geburt zu verbergen, und so führten er und seine Kinder den Namen Sánchez nicht mehr weiter, weil er zu jüdisch klang. Das Leben eines adligen Christen erwies sich auf die Dauer als kostspielig. Zwar konnte er seine finanzielle Situation durch die Mitgift seiner Ehefrauen verbessern. Aber mit Geld konnte er nicht gut umgehen, er machte Schulden. Hinzu kam die steigende Zahl von Kindern. Zwei waren aus seiner ersten Ehe mit Catalina. Seine junge zweite Frau Beatriz hatte ihm ebenfalls bereits zwei Kinder geschenkt, zwei Buben, Hernando und Rodrigo. Don Alonso führte genau Buch über die Geburten. Ende März 1515 schlug er dieses Buch wieder auf und notierte darin: »Am Mittwoch, den achtundzwanzigsten März des Jahres fünfzehnhundert fünfzehn /1515/ um fünf Uhr früh, mehr oder weniger (denn es...

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