|27|3 Basisaspekte der therapeutischen Informationsverarbeitung
Hier werden einige grundlegende Aspekte der therapeutischen Informationsverarbeitung dargestellt: Das „Was“ und das „Wie“ der Verarbeitung, die Vermittlung von Information auf Inhalts-, Bearbeitungs- und Beziehungsebene, die Bedeutung der Mikro-Ebene von Psychotherapie.
3.1 Inhalt und Prozess der Verarbeitung
Wenn man Informationsverarbeitung betrachtet, dann kann man die Inhalte der Verarbeitung von den Prozessen unterscheiden.
Der Inhalt bezieht sich auf die Frage, was verarbeitet wird, enthält also Informationen wie:
Worauf richtet der Therapeut seine Aufmerksamkeit?
Welche Inhalte hält er für relevant?
Welche Inhalte filtert er als irrelevant aus?
Welche Inhalte trägt er in sein Modell ein? usw.
Der Prozess bezieht sich auf die Frage, wie Information verarbeitet wird, wie die Verarbeitung vor sich geht und wovon sie abhängt.
Es ist evident, dass die Art der Verarbeitung sehr stark von der jeweiligen therapeutischen Orientierung des Therapeuten abhängt.
So interessiert sich ein Verhaltenstherapeut stark für auslösende Bedingungen, biographische Information hält er dagegen für nahezu irrelevant. Daher wird Information über Situationen vorrangig beachtet und gespeichert; weitreichende biographische Informationen oder Informationen über Träume werden dagegen weitgehend ignoriert: Sie werden nicht beachtet und auch nicht gespeichert. Sie werden nicht beachtet, weil sie für alle folgenden Entscheidungsprozesse als irrelevant erscheinen. Und der Therapeut tut sehr gut daran, seinen sehr begrenzten Speicher nicht auch noch mit irrelevanten Informationen zu belasten.
Für einen Psychoanalytiker ist die Situation anders herum: Informationen über Träume werden beachtet, auslösende Situationen sind kaum relevant. Für einen klärungsorientierten Therapeuten sind vor allem Informationen über Schemata relevant; |28|diese Informationen werden beachtet, verarbeitet, gespeichert: Sie bilden die Grundlage für Indikationsentscheidungen, Zielentscheidungen, Strategiebildung usw.
Somit bestimmt die theoretische Orientierung, bestimmt das Wissen des Therapeuten (top down), welche Arten von Informationen beachtet werden, weiterverarbeitet werden, gespeichert werden und welche „durch den Rost“ fallen, als bedeutungslos ausselegiert werden.
Das „was“ der Verarbeitung ist damit nicht allgemein gleich, sondern hoch spezifisch von System zu System.
Das „wie“ der Verarbeitung ist jedoch genereller gültig: Effektive Verarbeitung ist bei Verhaltenstherapeuten ähnlich der effektiven Verarbeitung bei klärungsorientierten Therapeuten. So läuft der Prozess der Relevanzentscheidung bei allen Therapeuten top down, vom Wissen aus: Einlaufende Information wird in jedem Fall bewertet, gefiltert, integriert. Der Prozess ist bei allen Therapeuten aller Orientierungen ähnlich. (Nur die jeweils verwendeten Inhalte unterscheiden sich, z. T. sogar sehr stark.)
Ich möchte mich hier zunächst mit Aspekten des Prozesses, also mit dem „wie“ der Verarbeitung befassen, da es sich dabei um „therapieübergreifende Aspekte“ handelt.
Als Zweites will ich mich dann mit den für die Klärungsorientierte Psychotherapie (KOP) spezifischen Inhalten beschäftigen, also mit der Frage, was vom Therapeuten verarbeitet werden sollte und verarbeitet werden kann.
3.2 Kommunikation auf Inhalts-, Bearbeitungs- und Beziehungsebene
Die therapeutische Informationsverarbeitung wird dadurch stark kompliziert, dass sich die Kommunikation zwischen Therapeuten und Klienten auf drei Ebenen abspielen kann:
In der Kommunikation sind immer alle drei Ebenen präsent: Auf allen Ebenen finden immer Kommunikationsprozesse statt, die ein Therapeut verarbeiten kann. Ein Klient kann aber auch schwerpunktmäßig auf einer der Ebenen kommunizieren und er kann z. B. von der Inhaltsebene auf die Beziehungsebene wechseln: Und das muss ein Therapeut erkennen und dementsprechend seine Informationsverarbeitung „umschalten“.
Jede dieser drei Ebenen definiert spezifische Analyse-Aspekte, unter denen das therapeutische Geschehen betrachtet werden kann. Jede Ebene macht damit eine spezifische Perspektive auf, jede Ebene stellt andere Arten von Fragen an das Therapiegeschehen. Damit werden auch unter jeder Perspektive andere Aspekte des Therapiegeschehens |29|sichtbar. Alle drei ergänzen sich: um das therapeutische Geschehen zu verstehen, ist es daher nötig, alle drei Ebenen zu berücksichtigen.
Die drei Ebenen sind jedoch nicht nur Analyse-Ebenen, es sind auch konzeptuelle Ebenen: man kann theoretisch annehmen, dass sich der Therapieprozess auf diesen Ebenen abspielen kann, und dass er sich zu einem gegebenen Zeitpunkt schwerpunktmäßig auf einer dieser Ebenen abspielt. Das Drei-Ebenen-Modell erhält damit den Status eines theoretischen Konstruktes und, da es z. B. Prozesse wie Interaktionsschwierigkeiten zwischen Therapeuten und Klienten erklären kann, den Status eines explikativen Konstruktes im Sinne von Herrmann (1969).
Man kann annehmen, dass ein Klient je nach Art seiner Problematik überwiegend auf Inhalts-, Bearbeitungs- oder Beziehungsebene „arbeitet“ oder „agiert“. Je nachdem, welche Arten von Schemata aktiv sind und so die aktuelle Verarbeitung und das aktuelle Handeln bestimmen, ist das Verhalten des Klienten entweder überwiegend auf bestimmte Inhalte (Problemaspekte), auf Bearbeitungsaspekte (z. B. darauf, die Konfrontation mit bestimmten Selbstaspekten zu vermeiden) oder auf Beziehungsaspekte zentriert (z. B. darauf, den Therapeuten zu bestimmten Handlungen zu bewegen). Man kann damit sagen: ein Klient bewegt sich zu einem gegebenen Zeitpunkt aufgrund der Aktivierung bestimmter Schemata (schwerpunktmäßig) auf einer dieser Ebenen.
Das gleiche gilt für den Therapeuten: je nach Art seiner Annahmen und Hypothesen seines Klienten-Modells realisiert der Therapeut überwiegend Interventionen, die auf eine Klärung, Bearbeitung und Veränderung von Inhaltsaspekten, Problembearbeitungsstrategien oder Beziehungsgestaltungshandlungen abzielen.
Die drei Ebenen können daher nicht nur als drei mögliche Analyseperspektiven aufgefasst werden, sondern auch als drei mögliche Handlungs- und Verarbeitungsebenen, auf denen das therapeutische Geschehen schwerpunktmäßig stattfindet (wobei ein Wechsel der Ebenen jederzeit stattfinden kann!).
3.2.1 Inhaltsebene
Betrachtet man die Schemata eines Klienten, die die Interaktion der Person mit der Umwelt bestimmen bzw. betrachtet man das daraus resultierende Handeln, Erleben oder die relevanten Verarbeitungsprozesse, dann bewegt man sich auf der Inhaltsebene der Psychotherapie. Bezüglich der relevanten internalen Determinanten geht es hier z. B. um relevante Motive, Werte, Ziele, Überzeugungssysteme, Selbstkonzepte usw. der Person. Diese bestimmen, wie eine Person eine Situation auffasst, bewertet, wie sie empfindet und handelt.
Auf der Inhaltsebene kommunizieren Therapeuten und Klienten über bestimmte Probleme und Problemaspekte des Klienten, darüber, welche Gefühle eine Situation beim Klienten auslöst, wie der Klient sich selbst und seine Fähigkeiten einschätzt usw. Therapeuten und Klienten können auch über die Ressourcen des Klienten sprechen, über Lösungen und Lösungsansätze, über den Transfer von Lösungen in den Alltag usw. Therapeuten und Klienten bewegen sich auf der Inhaltsebene, wenn über derartige Aspekte gesprochen wird, ohne dass der Klient (oder der Therapeut!) mit Vermeidungs|30|strategien beschäftigt ist und ohne dass intransparent-manipulative Interaktionen ablaufen: Die therapeutische Kommunikation ist auf Inhalte konzentriert und kann auf Inhalte konzentriert sein (es gibt keine Aspekte in der Interaktion, die dies massiv erschweren oder unmöglich machen).
Bewegt...