Die dabei von den Technikern verwendeten Konzepte sind sehr vielfältig. Es ist allgemein zwischen Oszillatoren, Anti-Trend-Strategien und Trendfolgekonzepten zu unterschieden. Unter letzteren versteht man das Eingehen einer Position in Richtung einer Kursbewegung in der Erwartung, dass der bestehende Trend weiter anhalten wird.[46] Anti-Trend-Ansätze zielen auf eine Umkehr des vorherrschenden Trends ab. Dementsprechend wird hier eine Position entgegen des Trends eingegangen, während Oszillatoren ein profitables Handeln in Phasen seitwärts verlaufender Kurse ermöglichen sollen.
Die ersten umfangreichen Studien zur Technischen Analyse gehen auf Charles Henry Dow zurück und wurden zwischen 1900 und 1902 im „Wall Street Journal“ veröffentlicht. Daraus entstand die Dow Theorie, welche heute als Vorfahre vieler Prinzipien der modernen Technischen Analyse gilt. Die Theorie zielte ursprünglich nicht darauf ab, Aktienkurse zu prognostizieren, sondern die Entwicklung der Aktienmärkte als Indikator für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zu verwenden.[47]
Aus diesem Grund entwickelte Dow einen Index aus Industrieaktien und einen aus Eisenbahntiteln. Beide Indizes sollten als Indikator für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung dienen, da die Masse der Investoren die wirtschaftliche Entwicklung richtig vorwegnimmt und in ihren Anlageentscheidungen berücksichtigt. Die Indizes diskontieren somit die Zukunft und können auch als Barometer für die Stimmung unter Investoren betrachtet werden. Demnach würde einer wirtschaftlichen Rezession ein Abfallen der Aktienkurse vorangehen.[48]
Diese Argumentation ist zugleich die erste von sechs Annahmen der Dow Theorie. Vier davon befassen sich direkt mit dem Thema Trend.
Die Dow Theorie unterscheidet, wie bereits in Kapitel 2.1 dargelegt, drei Trendrichtungen: Aufwärtstrend (Bull Market), Abwärtstrend (Bear Market) und Seitwärtstrend. Hinsichtlich der Dauer lassen sich Trends in primäre, sekundäre und tertiäre oder zufällige Kursbewegungen einteilen. Die kürzeren Trends sind dabei Bestandteile eines übergeordneten, längeren Trends.
Primärtrends dauern gewöhnlich ein Jahr oder länger an und führen zu einer Kurssteigerung oder einem Kursverfall von mindestens 20 %. Sie werden durch Sekundärtrends, welche zwischenzeitliche Korrekturen des Primärtrends darstellen, in die Gegenrichtung unterbrochen. Diese Korrekturen dauern normalerweise zwischen drei Wochen und mehreren Monaten, selten länger. Dabei wird der Gewinn des vorangegangenen Aufschwungs im Primärtrend um etwa ein bis zwei Drittel dezimiert. Gleiches gilt für einen abwärtsgerichteten Primärtrend, bei dem es zu einer zeitweiligen Erholung der Kurse kommt. Man sollte berücksichtigen, dass diese „ein bis zwei Drittel“ keine feste Regel darstellen, sondern eine Angabe von Wahrscheinlichkeiten sind. Sekundärtrends bestehen aus noch feineren Trends, den Tertiärtrends oder Tagesschwankungen. Sie sind für einen Investor i. d. R. unbedeutend, da sie zu kurz und im Gegensatz zu Primär- und Sekundärtrends zu einem gewissen Grad manipulierbar sind. Tertiärtrends dauern gewöhnlich weniger als 6 Tage und in seltenen Fällen länger als drei Wochen.[49]
Dow konzentrierte sich vorwiegend auf langfristige Primärtrends und unterteilt diese in drei Phasen.
In der Akkumulationsphase, der ersten der drei Phasen, herrscht unter der breiten Masse der Investoren eine gedrückte und negative Stimmung. Einige gut informierte Investoren erkennen bereits in diesem frühen Stadium, dass ein wirtschaftlicher Aufschwung und ein damit verbundenes Anziehen der Kurse unausweichlich sind. Daher kaufen sie in Erwartung des nahenden Wirtschaftsaufschwungs aggressiv Aktien.
Die zweite Phase ist durch bessere Wirtschaftsnachrichten und steigende Unternehmensgewinne gekennzeichnet. Unter diesen sich verbessernden Bedingungen steigen die Trendfolger und auch die breite Masse der Investoren in den Markt ein.
Wenn sich die Medien zunehmend optimistisch über den Kursaufschwung an der Börse äußern und die wirtschaftlichen Aussichten so günstig wie nie erscheinen, ist bereits die dritte Phase angebrochen. In dieser sog. Distributionsphase vertritt die breite Öffentlichkeit die Meinung, dass der Aktienmarkt nur noch die Richtung nach oben kennt und hat daher keine Scheu mehr vor Neuengagements an der Börse. Die Marktteilnehmer kaufen nun immer mehr Aktien, was letztendlich in eine Kauf-Rallye mündet. In Erwartung eines baldigen Abschwungs beginnen nun die wenigen Investoren, welche bereits während der ersten Phase aggressiv kauften, ihre Aktienbestände zu liquidieren.[50]
Es stellt sich nun die Frage, wie diese mutigen Investoren den Beginn eines solchen Börsenaufschwungs bzw. des darauffolgenden Abschwungs erkennen können. Damit beschäftigt sich die vierte Annahme der Dow Theorie. Demnach müssen sich beide von Dow auferlegten Indizes gegenseitig bestätigen, indem sie ohne größeren zeitlichen Abstand neue Hoch- oder Tiefpunkte ausbilden. Weichen sie voneinander ab, signalisiert dies die Fortsetzung eines bestehenden Trends.[51]
Als zusätzliche Bestätigung für einen Trend gilt das Handelsvolumen (fünfte Annahme der Dow Theorie). So sollten die Umsätze in Richtung des Primärtrends zunehmen. Wenn der Primärtrend negativ ist, sollte das Volumen während eines Markabschwungs steigen. Ist der Primärtrend positiv, sollte sich das Volumen während eines Marktanstiegs erhöhen. Das Handelsvolumen ist allerdings nur ein sekundärer Indikator, da sich die Dow Theorie hauptsächlich auf den Kursverlauf konzentriert.[52]
Die sechste Annahme der Dow Theorie besagt, dass der Trend solange als intakt gilt, bis ein deutliches Umkehrsignal entsteht. Ein solches kann gegeben sein, sobald die Kurse mindestens einmal einen niedrigeren Hoch- und einen niedrigeren Tiefpunkt als bei der letzten Kurswelle erreichen. Für einen Abwärtstrend gilt das Gegenteil. Eine einmalige Verletzung dieser Regel sollte den Anhängern der Dow Theorie zufolge jedoch nicht verabsolutiert werden, sondern vielmehr als Warnsignal gesehen werden. Je länger ein Trend sich fortsetzt, desto geringer sind die Chancen, dass er intakt bleibt.[53]
Zur besseren Anwendbarkeit der Dow-Theorie wurde es im Laufe der Zeit immer populärer, Indikatoren in den Chart einzuzeichnen. Diese lassen sich grob in Chartformationen (Kursmuster), Unterstützungen bzw. Widerstände und Trendlinien einteilen.
Dahinter verbirgt sich nach Edwards/Magee (2001) die Beobachtung, dass die meisten Tertiär- und Sekundärtrends einer Geraden folgen. Selbst Primärtrends würden bei entsprechender Skalierung im Chart einer Geraden ähneln. Betrachtet man den Kursverlauf als eine Abfolge von Wellen, kann diese Gerade bei einem Aufwärtstrend durch Verbindung der Kursminima gezeichnet werden. Für Kursmaxima gilt dies weniger, da deren Amplitude stark variiert. Sie lassen sich hingegen häufig in einem Abwärtstrend gut zu einer Geraden verbinden. Dagegen fallen in einem Abwärtstrend die Kursminima eher uneinheitlich aus.[54]
Abb. 3: Aufsteigende Trendlinie am Beispiel HypoVereinsbank (Juni 2004 – Juli 2006)
(Quelle: eigene Darstellung)
Die Anhänger des Trendlinienkonzeptes nehmen an, dass der Trend nicht nur seine Richtung, sondern auch seine Geschwindigkeit (Steigung der Trendlinie) beibehält. Daher eröffnet der Investor im Falle einer steigenden Trendlinie eine Long-Position bzw. bei fallender Trendlinie eine Short-Position. Das Problem besteht für ihn jedoch darin, sowohl den Beginn eines Trends als auch eine Trendumkehr in einer möglichst frühen Phase zu erkennen. Letzteres ist durch eine Verletzung der Trendlinie charakterisiert.[55]
In der Praktikerliteratur[56] wird offen darauf hingewiesen, dass die größte Schwierigkeit darin besteht, eine gültige Trendlinie zu identifizieren. Daher wird die Signifikanz einer Trendlinie anhand von drei Kriterien genauer definiert. Demnach erhöht sich die Gültigkeit einer Trendlinie je öfter sie bereits getestet wurde. Bei einem Aufwärtstrend versteht man darunter die Anzahl der Kursminima, welche auf der Trendlinie liegen. Sie sollte mindestens drei betragen. Zusätzlich ist die Länge als zweites Kriterium entscheidend. Je länger eine Trendlinie nicht verletzt wurde, desto besser. So sollte mindestens eine Woche zwischen den Tiefpunkten liegen. Das letzte Kriterium bezieht sich auf die Geschwindigkeit des Trends und damit auf den Steigungswinkel der Trendlinie. Hier werden allerdings keine eindeutigen Intervalle definiert, was ein entsprechendes Maß an...