Vorwort
Folgendes vorab:
Ich bin eine Abtrünnige.
Ich habe gelogen. Ich bin fremdgegangen. Ich habe in meinem Leben Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin. Unter anderem:
– verliebte ich mich vor 19 Jahren in einen verheirateten Mann.
– war ich selbstsüchtig und egozentrisch.
– habe ich praktisch mit allen Menschen, die ich kenne, gestritten (in Hassmails, Textnachrichten und gesprochenen Worten).
– habe ich Menschen physisch bedroht (von Politessen bis zu Eltern, die in der Öffentlichkeit ihre Kinder schlagen).
– bin ich der Beerdigung geliebter Menschen ferngeblieben (weil ich mit dem Tod nicht gut umgehen kann).
– war ich immer wieder mal eine schreckliche Tochter, Mutter, Schwester, Tante, Stiefmutter, Ehefrau (die Liste ließe sich endlos fortsetzen).
Dasselbe gilt auch für alle anderen Mitglieder meiner Familie:
– Mein Mann, der ebenfalls notorisch untreu war, verkaufte in seiner Jugend Drogen.
– Meine Mutter war nach eigenen Worten früher (also in den 1960er-Jahren, bevor sie heiratete) ein Flittchen.
– Mein Vater verkaufte Kokain (und beging verschiedene andere Straftaten). Er verbüßte eine Haftstrafe auf Rikers Island.
Warum ich das alles offenbare? Wenn die Church of Scientology dieses Buch in ihre Finger bekommt, kann es gut sein, dass sie viel Geld in die Hand nimmt, um Anzeigen zu schalten, Websites zu erstellen und Prominente mit öffentlichen Erklärungen vorzuschicken, die behaupten, ihre religiösen Überzeugungen würden angegriffen – alles in dem Versuch, mich zu diskreditieren, indem sie mich und alle in meinem Umfeld in Misskredit bringt. Sie kann sich das Geld sparen. Es gibt genügend Leute, die jederzeit sagen würden, dass sich »Leah manchmal aufführt wie die Axt im Walde«. Selbst meine eigene Mutter kann das bezeugen. Und wenn ich wirklich so bin, wie die Kirche behaupten könnte – kann man dann am Ende nicht sagen, dass 31 Jahre Engagement, Millionen investierter Dollars und unzählige Stunden des Studiums und Trainings mich nicht wirklich »in Ordnung bringen« konnten? Und Scientology also doch nicht funktioniert?
Seit ich die Church of Scientology 2013 verlassen habe, werde ich oft gefragt: »Wie kommt jemand wie du eigentlich überhaupt mit einer Organisation wie Scientology in Berührung?« Der eine oder andere formuliert das vielleicht auch so: »Wie zum Henker bist du bloß in so einen Mist hineingeraten?«
Scientology zu beschreiben ist gar nicht so einfach. Schon viele (oftmals klügere Köpfe als ich mit mehr Bildung im Hintergrund) haben versucht, die Kirche und ihren Einfluss auf ihre Mitglieder zu erklären und zu analysieren. Dieses Buch, das aus tiefstem Herzen kommt und auf meinem persönlichen Wissen beruht, ist meine Darstellung meiner Erfahrung mit Scientology und der Konsequenzen, die das für mich hatte.
Ich mag außerstande sein, in wenigen Sätzen zu beschreiben, warum ich zu Scientology ging und jahrzehntelang Mitglied der Kirche war, doch eines kann ich Ihnen sagen: Ob Sie in der Organisation aufwachsen oder zu ihr finden, nachdem Sie mit Ihrer Religion, Ihren Traditionen oder Ihrer Familie gebrochen haben, der Leitsatz von Scientology, wie ihn ihr Gründer L. Ron Hubbard (LRH) formulierte, ist unglaublich verführerisch. Scientology bietet eine klar umrissene wissenschaftliche Methode, die eigenen Grenzen zu überwinden und das persönliche Potenzial für Größe voll auszuschöpfen. Das wird präsentiert als fest vorgezeichneter Weg zur absoluten spirituellen Freiheit und Erleuchtung und zur umfassenden Erkenntnis der eigenen Person und anderer. LRH schrieb, die Ziele von Scientology seien:
»Eine Zivilisation ohne Wahnsinn, ohne Verbrecher und ohne Krieg, in welcher der Fähige erfolgreich sein kann und ehrliche Wesen Rechte haben können und in welcher der Mensch die Freiheit hat, zu größeren Höhen aufzusteigen.«1
Er sagte auch:
»Für Sie ist das wahr, was Sie selbst beobachtet haben.
Und wenn Sie das verlieren, haben Sie alles verloren.«2
Und:
»Ob Scientology funktioniert oder nicht, müssen Sie mir nicht glauben. Praktizieren Sie es und sehen Sie selbst. Nehmen Sie sich, was funktioniert, und verwerfen Sie alles andere.«
Wie viele andere auch fand ich diesen Ansatz enorm bereichernd. Die Idee faszinierte mich, dass sich mir da unmittelbar, konkret und umfassend eine tiefe, systematische und unzweideutige Weisheit bot, die verriet, wie ich für mich (und für den Planeten) am besten leben konnte. Durch gründliches Studium und regelmäßige Betreuung (bei Scientology heißt das »Auditing«) konnte ich auf das Endziel zuarbeiten, den Zustand »Clear« zu erreichen – unbeeinträchtigt durch den Teil meines Geistes, der von Schmerz und Irrationalität beherrscht wurde. Dieses Versprechen einer höheren Daseinsstufe und einer neue Denkweise zog mich in seinen Bann, so wie Tausende andere auch, die auf der Suche waren nach einer Alternative zur Psychotherapie oder anderen traditionelleren Formen der Selbsthilfe.
Wie viele heutige Scientologen war ich eine Praktizierende der zweiten Generation. (Das heißt, man wird entweder in Scientology hineingeboren oder schon als Kind von den Eltern dazu gebracht.) Wer innerhalb der Kirche aufwächst, dessen Leben dreht sich an jedem einzelnen Tag nur um die Kirche. Anders als die Angehörigen anderer Kirchen oder Religionsgemeinschaften, die sonntags die Messe oder am Sabbat die Synagoge besuchen, müssen Scientologen jeden Tag, sieben Tage die Woche, mindestens zweieinhalb Stunden in der Kirche verbringen, mit Studium und/oder Auditing-Sitzungen. Das Gleiche gilt für Familie, Freunde und Geschäftspartner. Kein Wunder, dass eine solche Indoktrinierung bald eine »Wir gegen die anderen«-Mentalität erzeugt. Wer gehen oder die Kirche infrage stellen will, der muss alles Vertraute hinter sich lassen. Und wenn jemand in der Kirche aufwächst, dann besteht seine Welt fast ausschließlich aus Scientologen.
Doch auch für all jene, die nicht in die Kirche hineingeboren oder als Kinder hineingebracht wurden, birgt sie definitiv große Verlockungen. Stellen Sie sich vor, Sie haben in Ihrem Leben oder im Beruf Probleme oder sind möglicherweise ein mehr oder minder erfolgloser Schauspieler und betreten eine Scientology-Kirche oder ein Celebrity Centre (eine Scientology-Kirche, die sich speziell Künstlern annimmt), animiert von einer Anzeige in einer Zeitschrift, die Ihnen ein besseres Leben oder eine glanzvollere Karriere verspricht. Das schöne Gebäude und die herzliche Begrüßung durch die Menschen dort beeindrucken Sie. Man bietet Ihnen Essen an, hört Ihnen zu. Vielleicht erzählen Sie, dass Ihre Eltern nicht hinter Ihnen und Ihren Zukunftsplänen stehen, und man sagt Ihnen: »Oh je, das ist aber schade. Trotzdem können Sie Ihre Lebensziele erreichen. Vielleicht sollten Sie etwas Abstand zur negativen Einstellung Ihrer Eltern gewinnen und hier einen Kurs belegen, der Sie Ihren Zielen näher bringt.« Sie fühlen sich bestätigt. Hier versteht mich jemand. Hier finde ich Verbündete. Diese Gruppe glaubt an mich. In der wirklichen Welt fühlen Sie sich unbedeutend, doch hier behandelt man Sie mit Respekt.
Der andere Aspekt von Scientology, der die Menschen anzieht, ist die Anerkennung, die die Kirche Mitgliedern für ihre Spenden zollt. Nehmen wir an, Sie sind ein erfolgreicher Unternehmer. Wo sonst würden Sie vor großem Publikum auf eine Bühne gestellt und erhielten für Ihre gespendete(n) Million(en) den jubelnden Beifall der Menge? Auf diesem Niveau werden Sie von der Kirche hofiert, gewürdigt und vorrangig behandelt. Wem gefällt das nicht? Und wenn Sie nur 45 000 Dollar im Jahr verdienen? Dann werden Sie für Ihren 2 000-Dollar-Beitrag gefeiert und anerkannt. (Haben Sie gar kein Geld, wird die Kirche für Sie einen Weg finden, sich welches zu leihen.) Für Ihre Spende erhalten Sie ein gerahmtes kalligrafisches Zertifikat. Und wieder kommen Sie sich vor wie jemand ganz Besonderes. Sie bilden sich ein, nicht nur für sich selbst Großartiges zu bewirken, sondern für die ganze Menschheit. Eine solche Würdigung und Anerkennung wirkt bei Mitgliedern jeden Levels.
In meinen mehr als 30 Jahren bei Scientology habe ich an die zwei Millionen Dollar für Dienstleistungen und Schulungen ausgegeben und etwa drei Millionen Dollar für kirchliche Belange gespendet. Die meisten Mitglieder geben ungeachtet ihres Einkommens im Laufe ihres Lebens mehr als 500 000 Dollar, um die höchste Stufe zu erreichen, was oft über 20 Jahre dauert. In dieser Zeit müssen Sie sich rund 300 Bücher kaufen, 3 000 Vorträge besuchen und 100 Kurse belegen.
Scientologen leiten ihre harte Arbeit, ihr Geld und ihr emotionales Kapital auf direktem Wege in die Kirche, oft zu ihrem eigenen Schaden. Sie opfern Beziehungen zu Familienangehörigen, Kontakte zu Freunden und ihre Ersparnisse, um die ihnen zugewiesenen spirituellen Entwicklungsstufen zu durchlaufen, die die Grundsätze der Kirche vorgeben. Das tun sie, weil sie mit der Überzeugung indoktriniert sind, dass Scientology nicht nur die Lösung für ihre eigenen Probleme kennt, sondern für die Probleme der ganzen Menschheit.
Ich bin mir sicher, wenn dieses Buch erscheint, werden die Scientologen aufschreien und auf religiöse Intoleranz...