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E-Book

TTIP/CETA Handelsabkommen Themenzusammenfassung

AutorThom Delißen
VerlagTD Textdesign
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl999 Seiten
ISBN9783961120215
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Das Ziel von TTIP ist laut den Verhandlungspartnern der Abbau von tarifären und nichttarifären Handelshemmnissen zwischen den USA und der EU. Besonders der Abbau der nichttarifären Handelshemmnisse fördere das Wirtschaftswachstum in den beteiligten Ländern erheblich, indem es Kosten für exportierende Unternehmen in der EU und den USA senke und damit das Außenhandelsvolumen vergrößere. Allerdings ist stark umstritten, wie positiv oder negativ die jeweiligen wirtschaftlichen Effekte insgesamt und für einzelne Länder ausfallen könnten. Auch die Effekte auf den Weltmarkt und Länder der Dritten Welt werden diskutiert. Strittig ist auch, ob und inwieweit auch Arbeitnehmer und Verbraucher oder lediglich Kapitalinteressen von Großkonzernen von den prognostizierten Effekten profitieren würden. Einige Auftragsstudien von EU-Kommission oder Regierungen sehen in ihren optimistischsten Prognosen positive Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt in den meisten der beteiligten Länder. Diese Studien werden von Teilen der Wirtschaft, der Politik und der Wissenschaft als unrealistisch kritisiert. Kritische Studien kommen zu dem Schluss, bei Zunahme des transatlantischen Handels könnte der innereuropäische Handel sogar abnehmen. Zudem werden eine gesteigerte makroökonomische Instabilität, ein negativer Einfluss auf das Wirtschaftswachstum und den Arbeitsmarkt sowie eine sinkende Lohnquote prognostiziert. Auch die Effekte für die Handelsbeziehungen mit Ländern außerhalb von TTIP wie Russland, China, die BRICS-Staaten insgesamt und die Entwicklungsländer werden von Kritikern, aber zum Teil auch von Befürwortern, eher negativ veranschlagt.

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Leseprobe

wurde dabei von einem Schiedsgericht dazu verurteilt, diese Summe als

Ausgleich zu zahlen, nachdem es Eigentum von Occidental Petroleum

verstaatlicht hatte. Nach einem Antrag Ecuadors auf Aufhebung des

Schiedsspruchs nach den ICSID-Regeln¹⁹⁹ wurde der Schiedsspruch auf eine

Milliarde US-Dollar reduziert.²⁰⁰

 

Die Anzahl derartiger Verfahren hat in den letzten zehn Jahren massiv

zugenommen.²⁵ Die Gesamtzahl der Klagen ist unklar, da nicht alle Verfahren

öffentlich sind, bekannt sind geschätzt 600 Verfahren aus den vergangenen

Jahrzehnten.²⁰¹ Innerhalb der EU wurde etwa Rumänien in einem Verfahren vor

einem Schiedsgericht der ICSID in Washington, D.C. zu einer Strafe von 253

Millionen US-Dollar wegen Subventionskürzung für ein Unternehmen auf

Grundlage des schwedisch-rumänischen Investitionsschutzabkommens

verurteilt; die Generaldirektion Wettbewerb der Brüsseler EU-Kommission

forderte die rumänische Regierung im Mai 2013 ausdrücklich auf, den Spruch

des Schiedsgerichtes zu ignorieren.²⁰² Die USA wurden kaum (und erfolglos)

auf diese Weise verklagt, wobei der Ökonom Joseph E. Stiglitz darauf

verweist, dass Konzerne gerade erst anfangen zu lernen, wie sie diese

Schiedsgerichtsübereinkommen zu ihrem Vorteil nutzen können.²⁰³ Die

Verfahren sind, wie beim obigen Beispiel Vattenfall-Deutschland, zum Teil

bereits aufgrund von bestehenden bi- und multilateralen

Investitionsschutzabkommen möglich.²⁰⁴ Deutschland hat mit 89 Schwellen-

und Entwicklungsländern Verträge über Investitionsschutz abgeschlossen (die

bei einigen Länder wie z. B. Bolivien und Brasilien jedoch nicht in Kraft

sind) die ISDS-Verfahren ermöglichen und z. B. beinhalten, dass die

Unternehmen des anderen Staates nicht grundsätzlich schlechter behandelt

werden dürfen als inländische Unternehmen.²⁰⁵ ²⁰⁶

 

Parallelen zum Nordamerikanischen Freihandelsabkommen

 

Wie beim Nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA sieht auch das TTIP

vor, dass privaten Investoren die Möglichkeit eingeräumt werden soll,

Staaten vor Schiedsgerichten auf Kompensationen zu verklagen, wenn ihnen

ein Gesetz oder staatliches Handeln auf bestimmte Weise schadet.²⁰⁷

 

Ein von Kritikern häufig angeführtes²⁰⁸ Beispiel ist das Verfahren Lone

Pine gegen Kanada.²⁰⁹ Weil die kanadische Provinz Quebec ein Moratorium für

das Fracking von Schiefergas und Öl erließ, klagt das US-amerikanische

Unternehmen Lone Pine, welches zuvor eine Probebohrungslizenz erworben

hatte, vor einem internationalen Schiedsgericht gegen den Staat Kanada und

fordert Entschädigungen in Höhe von 250 Millionen Dollar für den zu

erwartenden Gewinnausfall.²¹⁰ Kanada wurde insgesamt mehrfach vor

NAFTA-Schiedsgerichten verklagt, was seit Bestehen von NAFTA, 1994, bis

Oktober 2014 zu Verurteilungen auf ca. 150 Millionen Dollar Schadensersatz

geführt hat.²¹¹

 

Ähnliche Klagen wären nach Inkrafttreten von TTIP auch durch US-Investoren

gegen Staaten der EU und umgekehrt möglich. Laut EU-Kommission soll dabei

sichergestellt sein, dass Investitionsschutzklauseln nur in sehr begrenzten

Bereichen eingesetzt werden, „z. B. wenn gegenüber inländischen Firmen

diskriminiert wird oder wenn eine Firma im Ausland ohne Entschädigung

enteignet wird."³⁶

 

Einzelpositionen

 

Der BDI hält Investitionsschutzklauseln und Investor-Staat-Schiedsverfahren

für unabkömmlich, spricht sich aber für eine Reform aus, die Staaten die

Möglichkeit belässt, Gesetze und Regulierungen zum Allgemeinwohl zu

erlassen.²¹² Die EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström befürwortet das

Abkommen, verkündete gegenüber dem EU-Parlament aber als Ziel,

Schiedsverfahren um die Möglichkeit einer Berufung zu erweitern und die

Schiedsstellen dahingehend anzupassen, dass Schiedsrichter auf eine

bestimmte Dauer berufen und ihren Qualifikationen nach an jene nationaler

Richter angeglichen würden.²¹³

 

Der deutsche ehemalige Bundesverfassungsrichter Siegfried Broß erklärte im

März 2015, dass die Schiedsgerichtsklauseln gegen deutsches

Verfassungsrecht und Recht der EU verstoßen und damit einen Systembruch des

Völkerrechts bedeuten.²¹⁴ Die EU-Kommission antwortete, es sei ein Gerücht,

dass ein Investorenschutz in TTIP die Souveränität nationaler Gesetzgebung

berühre.²¹⁵

 

Bedrohung nicht-staatlicher europäischer Bildungseinrichtungen

 

Anfang Februar 2015 wies die Vorsitzende der Katholischen

Erwachsenenbildung Deutschland auf ein von ihr gesehenes Risiko für private

öffentlich geförderte Einrichtungen der Jugend- und Erwachsenenbildung

durch drohende Investor-Staat-Klagen von privaten Bildungsanbietern

(US-Hoch-, Privatschulen) hin.²¹⁶ Auch das Europabüro für katholische

Jugendarbeit und Erwachsenenbildung hat Bedenken.²¹⁷ Die deutschen

Bildungsgewerkschaften Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Verband Bildung

und Erziehung (VBE) hatten bereits früher auf diese Risiken hingewiesen.²¹⁶

 

Aufweichung und Umgehung von Arbeitnehmerrechten

 

Ein Vorwurf der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi lautet, durch TTIP

entstehe die Gefahr, dass Arbeitnehmerrechte auf das jeweils niedrigere

Niveau beider Verhandlungspartner heruntergefahren würden.¹⁵⁵

Gewerkschaftliche Vereinigungen beispielsweise, die nach bundesdeutschem

Recht ermöglicht werden müssen, könnten durch TTIP durch den jeweiligen

Konzern unterbunden werden, so Verdi. Der US-Handelsbeauftragte Michael

Froman hingegen betonte die Absicht, die Standards global anzuheben.²¹⁸

 

Gefährdung des Klimaschutzes

 

Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz warnte im April 2016, dass

ein erfolgreicher Klimaschutz, wie bei der UN-Klimakonferenz in Paris 2015

international vereinbart, durch TTIP erheblich gefährdet würde. TTIP

untergrabe genau die Politik, die für einen erfolgreichen Klimaschutz

notwendig sei. Treibhausgasemissionen, deren Kosten nicht von ihren

Verursachern getragen werden, produzierten soziale Kosten, die ökonomisch

gesehen wie Subventionen für die Unternehmen wirken, die sie verursachen.

Solange Unternehmen nicht für die Umweltschäden aufkommen müssen, die sie

auslösten, sei jedoch kein fairer Handel möglich. TTIP schaffe für

Unternehmen im Gegenteil weitere Möglichkeiten, gegen solche Maßnahmen

vorzugehen. So räumten die bei TTIP vorgesehene Streitschlichtungsverfahren

Unternehmen explizit die Möglichkeit ein, Staaten für Umwelt- und

Klimaschutzgesetze vor internationalen Schiedsgerichten zu verklagen, was

dazu führen würde, dass sich keine ambitionierten, sondern die jeweils

niedrigsten Umweltschutzstandards durchsetzten. Entworfen worden sei das

Abkommen im Geheimen und gemeinsam mit Lobbyisten und mit Hinblick auf

einen republikanisch dominierten US-Kongress, in dem sich Klimaleugner über

wissenschaftliche Erkenntnisse hinwegsetzten.²¹⁹

 

Auch das europäische Umweltschützer-Netzwerk Friends of the Earth

veröffentlichte im Juli 2014 eine Studie unter dem Titel Dirty Deals.²²⁰

Darin wird nachgezeichnet, wie die Ölindustrie daran arbeitet, höhere 

EU-Klimaschutzstandards für Erdölprodukte wie Benzin und Diesel

auszuhebeln. Denn eine geplante EU-Regel könnte unter anderem dazu führen,

umstrittene Einfuhren von Teersand-Öl in die EU zu erschweren. Doch das

will die Industrie verhindern. Sie sieht in strengeren

Klimaschutz-Vorschriften ein Handelshemmnis, das im Zuge der TTIP-Gespräche

beseitigt werden muss."²²¹

 

Aufweichung und Umgehung von Verbraucherschutz-, Umwelt- und

Gesundheitsstandards

 

Die angestrebte „Harmonisierung" von Standards, etwa im Bereich des

Verbraucherschutzes bzw. der Umwelt- und Gesundheitspolitik, orientiert

sich laut Kritikern an den Interessen der Konzerne und Finanz-Investoren –

weil Harmonisierung bedeute, dass tendenziell der jeweils niedrigste bzw.

wirtschaftsfreundlichste Standard aller Einzelstaaten als Basis für die

verbindliche Norm des Vertrags dienen werde (Race to the bottom). So weiche

TTIP bestehende hohe europäische Umwelt- und Gesundheitsstandards zugunsten

von niedrigeren US-Standards auf. Neben dem Problem einer „Anpassung nach

unten" wird befürchtet, dass es zunehmend schwieriger wird, neue

verbesserte Verbraucher- und Umweltschutzkriterien einzuführen.²²² ²²³ In

diesem Zusammenhang sind folgende Beispiele zu nennen:

 

- Als bedroht wird die in Europa weitverbreitet betriebene Ökologisierung

  der Landwirtschaft (Agrarwende) gesehen,²²⁴ insbesondere für kleine 

  Bauernhöfe in Deutschland werden Nachteile befürchtet.²²⁵ 

- Konzerne wie Monsanto kritisieren die Beschränkungen innerhalb des

  europäischen Markts seit langem und versuchen im Zuge von TTIP zu 

  erreichen, dass z. B. auch genveränderte...

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