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Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde

AutorArthur Schopenhauer
Verlage-artnow
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl212 Seiten
ISBN9788026809074
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis1,99 EUR
Dieses eBook: 'Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde' ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Über die vierfache Wurzel des Satzes vom zureichenden Grunde ist Dissertation Schopenhauers aus dem Jahr 1813. Der Satz vom zureichenden Grund (lat. principium rationis sufficientis) ist in der Geschichte der Logik und der Philosophie der allgemeine Grundsatz, unterschiedlich formuliert und auch in unterschiedlicher Funktion verwendet: Jedes Sein oder Erkennen könne und/oder solle in angemessener Weise auf ein anderes zurückgeführt werden. Der 'Satz vom Grunde' steht stellvertretend als gemeinsamer Oberbegriff, als gemeinschaftliche Wurzel aller Arten von Relation, wie sie in der vorgestellten Welt erscheinen. Diese Relationsbeziehungen ordnet Schopenhauer vier verschiedenen Klassen zu, in denen jeweils bestimmte Objekte auf unterschiedliche Weise aufeinander wirken, also eine unterschiedene Ausformung des Satzes vom Grunde herrscht. Arthur Schopenhauer (1788-1860) war ein deutscher Philosoph, Autor und Hochschullehrer. Schopenhauer entwarf eine Lehre, die gleichermaßen Erkenntnistheorie, Metaphysik, Ästhetik und Ethik umfasst. Innerhalb der Philosophie des 19. Jahrhunderts entwickelte er eine eigene Position des Subjektiven Idealismus und vertrat als einer der ersten Philosophen im deutschsprachigen Raum die Überzeugung, dass der Welt ein irrationales Prinzip zugrunde liegt.

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Leseprobe

Viertes Kapitel. Ueber die erste Klasse der Objekte für das Subjekt und die in ihr herrschende Gestaltung des Satzes vom zureichenden Grunde.


Inhaltsverzeichnis

§ 17.
Allgemeine Erklärung dieser Klasse von Objekten.

Die erste Klasse der möglichen Gegenstände unsers Vorstellungsvermögens ist die der anschaulichen, vollständigen, empirischen Vorstellungen. Sie sind anschauliche, im Gegensatz der bloß gedachten, also der abstrakten Begriffe; vollständige, sofern sie, nach Kants Unterscheidung, nicht bloß das Formale, sondern auch das Materiale der Erscheinungen enthalten; empirische, theils sofern sie nicht aus bloßer Gedankenverknüpfung hervorgehn, sondern in einer Anregung der Empfindung unsers sensitiven Leibes ihren Ursprung haben, auf welchen sie, zur Beglaubigung ihrer Realität, stets zurückweisen; theils weil sie, gemäß den Gesetzen des Raumes, der Zeit und der Kausalität im Verein, zu demjenigen end- und anfangslosen Komplex verknüpft sind, der unsere empirische Realität ausmacht. Da jedoch diese nach dem Ergebniß der Kantischen Belehrung, die transscendentale Idealität derselben nicht aufhebt; so kommen sie hier, wo es sich um die formellen Elemente der Erkenntniß handelt, bloß als Vorstellung in Betracht.

§ 18.
Umriß einer transscendentalen Analysis der empirischen Realität.

Die Formen dieser Vorstellungen sind die des innern und äußern Sinnes, Zeit und Raum. Aber nur als erfüllt sind diese wahrnehmbar. Ihre Wahrnehmbarkeit ist die Materie, auf welche ich weiterhin, wie auch § 21, zurückkommen werde.

Wäre die Zeit die alleinige Form dieser Vorstellungen; so gäbe es kein Zugleichseyn und deshalb nichts Beharrliches und keine Dauer. Denn die Zeit wird nur wahrgenommen, sofern sie erfüllt ist, und ihr Fortgang nur durch den Wechsel des sie Erfüllenden. Das Beharren eines Objekts wird daher nur erkannt durch den Gegensatz des Wechsels anderer, die mit ihm zugleich sind. Die Vorstellung des Zugleichseyns aber ist in der bloßen Zeit nicht möglich; sondern, zur andern Hälfte, bedingt durch die Vorstellung vom Raum; weil in der bloßen Zeit alles nach einander, im Raum aber neben einander ist: dieselbe entsteht also erst durch den Verein von Zeit und Raum.

Wäre andererseits der Raum die alleinige Form der Vorstellungen dieser Klasse; so gäbe es keinen Wechsel: denn Wechsel, oder Veränderung, ist Succession der Zustände, und Succession ist nur in der Zeit möglich. Daher kann man die Zeit auch definiren als die Möglichkeit entgegengesetzter Bestimmungen am selben Dinge.

Wir sehn also, daß die beiden Formen der empirischen Vorstellungen, obwohl sie bekanntlich unendliche Theilbarkeit und unendliche Ausdehnung gemein haben, doch grundverschieden sind, darin, daß was der einen wesentlich ist, in der andern gar keine Bedeutung hat: das Nebeneinander keine in der Zeit, das Nacheinander keine im Raum. Die empirischen, zum gesetzmäßigen Komplex der Realität gehörigen Vorstellungen erscheinen dennoch in beiden Formen zugleich, und sogar ist eine innige Vereinigung beider die Bedingung der Realität, welche aus ihnen gewissermaaßen wie ein Produkt aus seinen Faktoren erwächst. Was diese Vereinigung schafft ist der Verstand, der, mittelst seiner, ihm eigenthümlichen Funktion, jene heterogenen Formen der Sinnlichkeit verbindet, so daß aus ihrer wechselseitigen Durchdringung, wiewohl eben auch nur für ihn selbst, die empirische Realität hervorgeht, als eine Gesammtvorstellung, welche einen, durch die Formen des Satzes vom Grunde zusammengehaltenen Komplex, jedoch mit problematischen Gränzen, bildet, von dem alle einzelnen, dieser Klasse angehörigen Vorstellungen Theile sind und in ihm, bestimmten, uns a priori bewußten Gesetzen gemäß, ihre Stellen einnehmen, in welchem daher unzählige Objekte zugleich existiren, weil in ihm, ungeachtet der Unaufhaltsamkeit der Zeit, die Substanz, d.i. die Materie, beharrt, und ungeachtet der starren Unbeweglichkeit des Raums ihre Zustände wechseln, in welchem also, mit Einem Wort, diese ganze objektive reale Welt für uns daist. Die Ausführung der hier nur im Umriß gegebenen Analysis der empirischen Realität, durch eine nähere Auseinandersetzung der Art und Weise, wie durch die Funktion des Verstandes jene Vereinigung und mit ihr die Erfahrungswelt für ihn zu Stande kommt, findet der theilnehmende Leser in der »Welt als Wille und Vorstellung,« Bd. I § 4 (oder erste Aufl. S. 12 fg.), wozu ihm die dem 4. Kapitel des 2. Bandes beigegebene und seiner aufmerksamen Beachtung empfohlene Tafel der »Prädikabilia a priori der Zeit, des Raumes und der Materie« eine wesentliche Beihülfe seyn wird; da aus ihr besonders erhellt, wie die Gegensätze des Raumes und der Zeit sich in der Materie, als ihrem in der Form der Kausalität sich darstellenden Produkt, ausgleichen.

Die Funktion des Verstandes, welche die Basis der empirischen Realität ausmacht, soll sogleich ihre ausführliche Darstellung erhalten: nur müssen zuvor, durch ein Paar beiläufige Erörterungen, die nächsten Anstöße, welche die hier befolgte idealistische Grund-Auffassung finden könnte, beseitigt werden.

§ 19.
Unmittelbare Gegenwart der Vorstellungen.

Weil nun aber, ungeachtet dieser Vereinigung der Formen des innern und äußern Sinnes, durch den Verstand, zur Vorstellung der Materie und damit zu der einer beharrenden Außenwelt, das Subjekt unmittelbar nur durch den innern Sinn erkennt, indem der äußere Sinn wieder Objekt des innern ist und dieser die Wahrnehmungen jenes wieder wahrnimmt, das Subjekt also in Hinsicht auf die unmittelbare Gegenwart der Vorstellungen in seinem Bewußtsein, den Bedingungen der Zeit allein, als der Form des innern Sinnes, unterworfen bleibt;2 so kann ihm nur eine deutliche Vorstellung, wiewohl diese sehr zusammengesetzt seyn kann, auf Ein Mal gegenwärtig seyn. Vorstellungen sind unmittelbar gegenwärtig heißt: sie werden nicht nur in der vom Verstande (der, wie wir sogleich sehn werden, ein intuitives Vermögen ist) vollzogenen Vereinigung der Zeit und des Raums zur Gesammtvorstellung der empirischen Realität, sondern sie werden als Vorstellungen des innern Sinnes in der bloßen Zeit erkannt und zwar auf dem Indifferenzpunkt zwischen den beiden auseinandergehenden Richtungen dieser, welcher Gegenwart heißt. Die im vorigen Paragraphen berührte Bedingung zur unmittelbaren Gegenwart einer Vorstellung dieser Klasse ist ihre kausale Einwirkung auf unsere Sinne, mithin auf unsern Leib, welcher selbst zu den Objekten dieser Klasse gehört, mithin dem in ihr herrschenden, sogleich zu erörternden Gesetze der Kausalität unterworfen ist. Weil dieserhalb das Subjekt, nach den Gesetzen sowohl der innern, wie der äußern Welt, bei jener einen Vorstellung nicht bleiben kann, in der bloßen Zeit aber kein Zugleichseyn ist; so wird jene Vorstellung stets wieder verschwinden, von andern verdrängt, nach einer nicht a priori bestimmbaren, sondern von bald zu erwähnenden Umständen abhängigen Ordnung. Daß außerdem Phantasie und Traum die unmittelbare Gegenwart der Vorstellungen reproduciren, ist eine bekannte Thatsache, deren Erörterung jedoch nicht hieher, sondern in die empirische Psychologie gehört. Da nun aber, ungeachtet dieser Flüchtigkeit und dieser Vereinzelung der Vorstellungen, in Hinsicht auf ihre unmittelbare Gegenwart im Bewußtsein des Subjekts, diesem dennoch die Vorstellung von einem Alles begreifenden Komplex der Realität, wie ich diesen oben beschrieben, durch die Funktion des Verstandes, bleibt; so hat man, in Hinsicht auf diesen Gegensatz, die Vorstellungen, sofern sie zu jenem Komplex gehören, für etwas ganz anderes gehalten, als sofern sie dem Bewußtseyn unmittelbar gegenwärtig sind, und in jener Eigenschaft sie reale Dinge, in dieser aber allein Vorstellungen kat' exochên genannt. Diese Auffassung der Sache, welche die gemeine ist, heißt bekanntlich Realismus. Ihr hat sich, mit dem Eintritte der neueren Philosophie, der Idealismus entgegengestellt und immer mehr Feld gewonnen. Zuerst durch Malebranche und Berkeley vertreten, wurde er durch Kant zum transscendentalen Idealismus potenzirt, welcher das Zusammenbestehn der empirischen Realität der Dinge mit der transscendentalen Idealität derselben begreiflich macht, und dem gemäß Kant, in der Krit. d. rein. Vern., sich unter Anderm so ausspricht: »Ich verstehe unter dem transscendentalen Idealismus aller Erscheinungen den Lehrbegriff, nach welchem wir sie insgesammt als bloße Vorstellungen, und nicht als Dinge an sich selbst ansehn.« Weiterhin in der Anmerkung: »Der Raum ist selbst nichts Anderes, als Vorstellung; folglich, was in ihm ist, muß in der Vorstellung enthalten seyn, und im Raum ist gar nichts, außer sofern es in ihm wirklich vorgestellt wird.« (Kritik des 4. Paralogismus der transsc. Psychol. S. 369 und 375 der ersten Aufl.) Endlich in der diesem Kapitel angehängten »Betrachtung« heißt es: »Wenn ich das denkende Subjekt wegnehme, muß die ganze Körperwelt wegfallen, als die nichts ist, als die Erscheinung in der Sinnlichkeit unsers Subjekts, und eine Art Vorstellungen desselben.« In Indien ist, sowohl im Brahmanismus, als im Buddhaismus, der Idealismus sogar Lehre der Volksreligion: bloß in Europa ist er, in Folge der wesentlich und unumgänglich realistischen jüdischen Grundansicht, paradox. Der Realismus übersieht aber, daß das sogenannte Seyn dieser realen Dinge doch durchaus nichts Anderes...

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