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Übergewicht durch Bewegungsmangel

Eine Herausforderung für den Schulsport

AutorAlexander Schulcz
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl127 Seiten
ISBN9783638033251
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2005 im Fachbereich Didaktik - Sport, Sportpädagogik, Note: 1,0, Pädagogische Hochschule Heidelberg, 181 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Ursachen von Übergewicht sind in erster Linie im Ungleichgewicht von Energieaufnahme und -verbrauch zu suchen. Diese beiden Aspekte bilden das Gerüst dieser Arbeit. Es wird dargestellt, wo die Ursachen für Bewegungsmangel und Fehlernährung liegen und welche vielschichtigen Auswirkungen ein solches Fehlverhalten mit sich ziehen kann. Dabei sticht ins Auge, dass der Mangel an Bewegung sowohl Ursache, als auch Folge von Übergewicht ist. Als übergewichtige Person befindet man sich demnach in einem Teufelskreis. Untersucht man die Ursachen weiter, so richtet sich der Blick auf Veränderungen in der Gesellschaft, der Familienstruktur und der räumlichen Bedingungen. Erschwerend kommen noch die fortschreitende Technisierung, der Einfluss der Medien und psychische Probleme, die lernpsychologisch erklärt werden können, hinzu. Übergewicht wirkt sich nicht nur auf das körperliche, sondern auch auf das seelische Wohlbefinden und die kognitive Entwicklung der betroffenen Personen aus. Ein aus verschiedenen Gründen resultierendes negatives Selbstbild beeinflusst ihre Leistungsmotivation und Selbstbewertung. Die 'Volkskrankheit Nr.1' ist zudem längst zu einem gesellschaftlichen Problem geworden. Ansatzpunkte gegen die Bewegungsarmut kann man im bewegungsarmen Schulleben finden. Leider schenkt man der Bedeutung einer 'bewegten Schule' nicht die nötige Beachtung. Ziel muss es sein, die Lernumwelt der Schüler bewegungsfreundlicher zu gestalten. Auch der Sportunterricht kann seinen Beitrag leisten. Doch nimmt er derzeit nicht den Stellenwert ein, den er verdient. Seine tatsächliche Bewegungszeit ist nicht sehr hoch und seine traditionelle Form stößt bei übergewichtigen Kindern nicht auf Begeisterung. Kinder sind aber nur dann gewillt, in ihrer Freizeit Sport zu treiben und hiermit etwas für ihre Gesundheit zu tun, wenn sie mit der sportlichen Aktivität positive Emotionen verbinden. Und genau hier setzt die wichtigste Herausforderung für den Sport an: Übergewichtigen wieder Freude an Bewegung zu vermitteln. Sie soll als Element einer gesunden Lebensführung verstanden werden. Der Teufelskreis von Übergewicht und Bewegungsmangel kann durchbrochen werden. Eine unlösbare Aufgabe? Was muss jeder einzelne tun? Welche Tipps kann man den Betroffenen geben? Warum ist Bewegung und richtige Ernährung so wichtig? Welche positiven Effekte kann man nachweislich beobachten?

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Leseprobe

2 Bewegung und Bewegungsmangel


 

2.1 Definition von Bewegung


 

Betrachtet man die mechanisch-physikalische Perspektive, dann definiert man Bewegung als Ortsveränderung eines Körpers bzw. Massepunkts in Abhängigkeit von der Zeit. Diese Definition bezieht sich auf starre Körper, weshalb man für organismische Körper eine genauere benötigt.

 

Die Biomechanik des Sports bestimmt ihren Gegenstandsbereich am Außenaspekt des Verhaltens, wobei teilweise körperinterne Vorgänge berücksichtigt werden. Eine Verbindung von Innen- und Außenaspekt wird unter Nichtbeachtung von Wahrnehmungs- und Bewusstseinsinhalten vom Behaviorismus vorgenommen. Er sieht, wie auch die Sensomotorik, die Bewegung als Verhaltensprodukt, wobei sich die Sensomotorik primär, ebenso wie die Psychomotorik, an den Wahrnehmungs- und Bewusstseinsinhalten und damit am Innenaspekt orientiert. Die Bewegungslehre des Sports ist als Integrativdisziplin unterschiedlichster Ansätze zu sehen. (vgl. Röthig/Prohl 2003, 82f)

 

Seit dem letzten Jahrhundert wird die menschliche Bewegung nicht mehr isoliert betrachtet, sondern steht in enger Verbindung mit geistiger, seelischer und sozialer Entwicklung. Durch die Art und Weise der Bewegung lassen sich immer Rückschlüsse auf die Innenwelt des Menschen und seine Beziehungen zur Außenwelt ziehen. Der Sinn oder die Bedeutung von Bewegung wird meist erst im situativen Zusammenhang ersichtlich.

 

2.2 Der Bewegungsapparat


 

Beim Menschen unterscheidet man zwischen passivem und aktivem Bewegungsapparat.

 

Zum passiven Bewegungsapparat zählt man Knochen, Gelenke und die Wirbelsäule. Die Knochen selbst sind anpassungsfähig und haben durch ihre Krümmungen eine hohe Puffereigenschaft. Gelenke dienen der beweglichen Verbindung der Knochen. Der Gelenkknorpel vermindert die Reibung. In der Gelenkhöhle, zwischen Gelenkkopf und Gelenkschale, ist Gelenkschmiere zu finden, welche dem Schutz der Knorpel dient. Die Gelenkkapsel umgibt das gesamte Gelenk und schirmt es ab. Bänder unterstützen den Zusammenhalt des Gelenks und die Führung in die durch Gelenkachsen vorbestimmte Richtung. Durch sie wird der Bewegungsumfang oft eingegrenzt. Die Wirbelsäule ist mit einem Mast vergleichbar. Sie stützt den gesamten Körper und schützt das Rückenmark und die Organe. Sie bietet Ansatzpunkte für Muskeln, sorgt für Beweglichkeit und aufrechten Gang. Ihre charakteristische doppel-S-förmige Krümmung dient der Puffer-, Halte- und Tragefunktion. Zwischen den Wirbeln (die aus Wirbelkörper und Wirbelbogen, in dem das Rückenmark liegt, bestehen) liegen 23 Bandscheiben (Gallertkern und Faserring). Das gesamte Skelett ist als ein Gerüst und Stützwerk zu sehen, an dem Weichteile und Muskeln befestigt sind. (vgl. Engelke 1999, 5f)

 

Der aktive Bewegungsapparat besteht aus der Skelettmuskulatur und ihrer nervalen Anbindungen. Bei Kontraktion zieht die Muskulatur mit Hilfe der Sehnen an den Knochen. Bei der Ausführung einer Bewegung sind stets mehrere Muskeln gemeinsam aktiv. Antagonisten werden diejenigen Muskelpaare genannt, die an einem Gelenk gegensätzliche Bewegungen ausführen. Solche, die bei der Ausübung einer Bewegung zusammenarbeiten, bezeichnet man als Synergisten.

 

Intra- und intermuskuläre Koordination ist der Garant für sichere und ökonomische Bewegungen. Das motorische Nervensystem ist für das Zusammenspiel zwischen den synergetisch und antagonistisch arbeitenden Muskeln verantwortlich. Eine gute Koordination führt zu flüssigen, eleganten und leichten Bewegungen. (vgl. Engelke 1999, 5f)

 

2.3 Bewegung, Spiel und Sport - Freiwillig vs. Verzweckung


 

Während spielerische Bewegung beim Kind von innen heraus kommt und mit individuellem Sinn behaftet ist, wird Bewegung in Sportsituationen künstlich hergestellt. Spiel „wird als Tätigkeit verstanden, die ohne bewussten Zweck, aus reinem Vergnügen erfolgt“ (Saß 2001, 408). Sport bietet einen „Ordnungsrahmen“ und orientiert sich an zweckrationalen Verhaltensmustern (vgl. Saß 2001, 408).

 

Aufgrund kindlicher Neugier ist dem Menschen ein natürlicher, freiwilliger Bewegungsdrang in die Wiege gelegt. Kinder erforschen von klein auf ihre Umgebung und sammeln durch ihre körperliche Bewegung automatisch wertvolle, bleibende Erfahrungen über die Umwelt und sich selbst. Dieses lernlustige Spielen und Erkunden vermittelt Grunderfahrungen und erfüllt keine von außen gesteuerten Zwecke. Die Belohnung liegt in der Tätigkeit selbst, denn Hirnforscher haben herausgefunden, dass das Gehirn beim selbständigen, zweckfreien Lösen von Problemen opiat- ähnliche Stoffe in Form von Dopamin[33] ausschüttet und dies zu positiven Emotionen und positiver Verstärkung führt (vgl. Mechsner 2004, 172f; Israel 1995, 25). Folglich streben Kinder nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit und wollen alles “selbst machen“, um sich als Urheber von gelungenen Aktivitäten sehen.

 

Wenn jedoch Erziehungsinstitutionen auf Kinder zugreifen, wird ihnen die Chance genommen, den Sinn ihrer Tätigkeit selbst zu bestimmen, eine Handlung selbst als sinnvoll wahrzunehmen und sich auf diese Weise mit ihr zu identifizieren. Sie erfahren ihr Tun als fremdbestimmt. Werden Kinder zu Handlungen gedrängt, die ihnen im Moment nicht wichtig sind, reagieren sie meist mit einer Trotzreaktion. Natürlich dürfen Erwachsene ihre Kinder nicht einfach sich selbst überlassen und haben die Aufgabe sie vor Gefahren, die den Kindern noch nicht bewusst sind, zu bewahren. Dennoch sollte den Kindern nicht die Chance genommen werden, ihrem Bewegungsdrang und ihrer eigenen Kreativität freien Lauf zu lassen. Somit ist für ein selbständiges „Learning by Doing“ zu plädieren, wobei Kinder auch ruhig einmal verantwortbare Fehler begehen dürfen, um aus ihnen zu lernen.

 

Um Kinder unterstützen zu können, braucht „Bewegte Kindheit […] Räume, die zu entdecken es sich für Kinder lohnt, die noch nicht perfektioniert und programmiert sind, die Kinder noch selber deuten und im Spiel umdefinieren können“ (Zimmer 1997, 28). Aber aufgrund der Knappheit des für Bewegung zur Verfügung stehenden Raumes eines in einer Industrienation lebenden Kindes, entstehen vermehrt sportlich kultivierte, künstlich erzeugte Bewegungswelten. Dies stellt zwar eine gelungene Kompensation dar und sollte vielfältige, selbständige Bewegungshandlungen fördern, jedoch besteht die Gefahr der frühzeitigen Organisierung und Pädagogisierung der Bewegungsangebote. Oftmals wird die kindliche Spontaneität, Kreativität und Eigenaktivität erstickt. Die Fähigkeit der Kinder ein Spiel zu initiieren, aufrecht zu erhalten und evtl. auch zu reflektieren, wird nicht gefördert und „Handlungen sind [somit] nicht mehr gestaltbar, sondern nur noch wählbar.” (Hildebrandt/Landau/Schmidt 1994, 37)

 

Zudem sind die Angebote des Sports für Kinder vor allem dann sinnvoll, wenn sie ihrem Wesen und ihren Bedürfnissen entsprechen. Wenn damit aber zweckorientierte Ziele verbunden sind, beraubt man sie ihrer Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit. „Sport muss den Kindern angepasst werden und nicht umgekehrt“ (Zimmer 1994, 31). Dennoch werden allzu gerne pädagogische Absichten spielerisch verpackt und Spiele verzweckt, indem sie ein “von außen“ gesetztes Ziel verfolgen. „Wer den Sport für gesundheitliche Zwecke instrumentalisiert und einseitige Gesundheitsprogramme entwirft, verfehlt demnach die Motivation der Akteure“ (Balz 1995, 111). Denn schon Rousseau stellte in seinem epochalen Werk „Emile“ fest: „Glücklich macht nur das frei gewählte Spiel, nicht das von Erziehern befohlene“ (in Illi/Zahner 1999, 37). Nach Kurz sollte Sport nicht nur von seinen Folgen her konzipiert, sondern primär als autotelische Aktivität betrieben werden (vgl. Kurz in Balz 1995, 112). Kottmann/Stibbe (1988, 461ff) stellen sich auch der Frage, wie sich Gesundheitserziehung (Verzweckung) und Spaß (Freiwilligkeit) im Sport sinnvoll ergänzen können, und zeigen, dass sie keinesfalls im Widerspruch zueinander stehen müssen.

 

Der Sport „nimmt für sich in Anspruch, die Bewegungswelt der Kinder zu bereichern – aber welche Konsequenzen hat es, wenn die Befriedigung der kindlichen Bewegungsbedürfnisse institutionalisiert, geplant, organisiert und pädagogisiert wird?“ (Zimmer 1994, 21). Auf diese Frage folgen ambivalente Ergebnisse: „Die Versportung und Verschulung des Sich-Bewegens schafft gesellschaftliche und unterrichtliche Orientierung für alle, aber auch Verengung und leistungs- bzw. normorientierte Verschärfungen“ (Ehni 1997, 101). Ehni sieht die tollen Möglichkeiten von pädagogischen Reflexionen und Gestaltungsvorschlägen beispielsweise bezüglich des Schulhofs und des Pausenverhaltens, aber immer gleich auch die Gefahr, den Spielraum der Kinder einzugrenzen, zu institutionalisieren und erzieherisch zu missbrauchen. „Kinder werden trainiert,...

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