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E-Book

Übungen und Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler

AutorAugusto Boal
VerlagSuhrkamp
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl403 Seiten
ISBN9783518730386
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Die berühmten Übungen und Spiele Boals liegen hier in einer auf den neuesten Stand gebrachten und stark erweiterten Ausgabe vor. Dabei geht es darum, Zuschauer in Handelnde zu verwandeln. Dieses in 25 Sprachen übersetzte Standardwerk richtet sich an jeden, der die Übungen beruflich oder im Alltag anwenden will - an Schauspieler wie an Laiendarsteller, Pädagogen, Lehrer und Therapeuten. Zugleich gibt der Band Einblick in die Arbeit »des wichtigsten Theatermachers Lateinamerikas« (The Guardian).

<p>Augusto Boal (1931&ndash;2009) war von 1956 bis 1971 Leiter des Teatro de Arena de S&atilde;o Paulo. W&auml;hrend der Milit&auml;rdiktatur in Brasilien wurde er inhaftiert, lebte dann bis 1986 im Exil. Boal geh&ouml;rt zu den bedeutendsten s&uuml;damerikanischen Theoretikern und Aktivisten des Theaters.</p>

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Leseprobe

Einleitende Bemerkung des Herausgebers

Wenn wir die Welt genau betrachten, sehen wir Unterdrücker und Unterdrückte in allen Gesellschaften und Geschlechtern, Klassen und Kasten, wir sehen eine ungerechte und grausame Welt. Wir müssen eine andere Welt erfinden, denn wir wissen: Eine andere Welt ist möglich. Es ist an uns, sie mit unseren eigenen Händen zu bauen, uns einzumischen und auf die Bühne zu gehen: auf die Bühne des Theaters wie auf die Bühne des Lebens.

Diese Sätze schrieb Augusto Boal zum Welttheatertag, nur wenige Wochen vor seinem Tod am 2. Mai 2009. Das Internationale Theaterinstitut der UNESCO hatte ihn zum »Weltbotschafter des Theaters« ernannt.

Sein Leben lang beschäftigte sich Boal mit der Entwicklung eines Theaters, das die Welt nicht so akzeptiert, wie sie ist, sondern eingreift: Ein Theater, das ungerechte und unterdrückerische Realitäten hinterfragt und sie verändert – auf der Bühne wie im Leben. Boal entwarf ein Theater, das die Welt nicht nur interpretiert, sondern verändert, wie er, Marx paraphrasierend, schrieb. Mit seinen Übungen, Spielen und Techniken hat er eine Vielzahl von Möglichkeiten geschaffen, die Bühne zu betreten, sich in die Szene einzumischen und eine andere Welt – im Großen wie im Kleinen – mit den eigenen Händen zu bauen. In seinen Workshops und Büchern gab er das notwendige methodische Handwerkszeug weiter.

Boal ging es bei seiner Theaterarbeit stets darum, einen ästhetischen Raum entstehen zu lassen, in dem die Veränderung von Realität geprobt werden kann. Diejenigen, die vorher nur Zuschauerinnen waren, sollten zu Protagonistinnen der theatralen Handlung und des eigenen Lebens werden können. Zuschauen bedeutete für Boal, vom Handeln ausgeschlossen zu sein, Zuschauer sein ist, wie er in seinem Buch Theater der Unterdrückten1 schrieb, eine »Beleidigung«. Wie Brecht wollte Boal den aktiven, mitdenkenden Zuschauer, der kritisch hinterfragt, was auf der Bühne und in der Gesellschaft geschieht. Doch Boal ging noch einen Schritt weiter als Brecht: In seinem Theater der Unterdrückten werden die Zuschauerinnen zu Zuschauspielerinnen, sie können aktiv in die Handlung eingreifen und sie verändern. Sie können sich aus der Passivität befreien, Unterdrückung überwinden und Realität gestalten, auf der Bühne wie im Leben.

Zu diesem Zweck entwickelte Boal die Übungen und Spiele, die in diesem Buch versammelt sind, ebenso die hier beschriebenen Techniken: Bildertheater (früher auch: Statuentheater), bei dem Unterdrückungssituationen über Körperbilder dargestellt, analysiert und transformiert werden können. Forumtheater, die theatrale Inszenierung realer Erfahrungen von Unterdrückung und die Suche nach Veränderungen im dialogischen Prozess mit dem Publikum, das in die Szene eingreift und Handlungsideen praktisch erproben kann. Unsichtbares Theater, das Unterdrückung sichtbar machen und Anstöße zur Auseinandersetzung geben möchte, indem im öffentlichen Raum Szenen gespielt werden, von denen allein die Schauspieler wissen, dass sie Theater sind – für das Publikum sind sie hingegen Realität.2 Und schließlich der Regenbogen der Wünsche, der sich mit verinnerlichter Unterdrückung auseinandersetzt und dessen erste Ansätze von Boal bereits in den Übungen und Spielen eingeführt werden.3

All diese Techniken sind Teil des Theaters der Unterdrückten und wurden von Boal mit dem Ziel der Überwindung von Unterdrückung und Ungerechtigkeit entwickelt. Dabei war es ihm nicht gleichgültig, wer die Methoden des Theaters der Unterdrückten mit welchen Zielen anwendete. Beispielsweise sprach sich Boal, zeit seines Lebens ein scharfer Kritiker von Kapitalismus und dessen gesellschaftlichen Auswirkungen, vehement dagegen aus, dass die von ihm entwickelten Methoden im sogenannten »Unternehmenstheater« zur Anwendung kamen.

Nehmt an der Aufführung teil, die gleich beginnt. Später, wenn ihr zu Hause seid, macht mit euren Freunden eure eigenen Theaterstücke und seht, was ihr niemals zuvor gesehen habt: das Offensichtliche. Theater ist nicht einfach nur ein Ereignis – es ist eine Art zu leben.

Augusto Boal hat sein Leben dem Theater gewidmet und sein Theater dem Leben. Er wurde 1931 in Rio de Janeiro geboren und leitete ab 1956 das Teatro de Arena in São Paulo, das erste kollektiv arbeitende Theater Brasiliens. Boal verfasste zahlreiche Theaterstücke und wurde zu einem der bedeutenden lateinamerikanischen Dramatiker. Mit dem Zeitungstheater entwarf er in den 60er Jahren die erste Form des Theaters der Unterdrückten, dessen Namen er in Anlehnung an die Pädagogik der Unterdrückten des brasilianischen Befreiungspädagogen Paulo Freire wählte.4 Während der brasilianischen Militärdiktatur wurde Boal 1971 verhaftet, gefoltert und ins Exil gezwungen. Er lebte in Buenos Aires und arbeitete in verschiedenen Ländern Lateinamerikas. In Argentinien entwickelte er das Unsichtbare Theater, in Peru Bildertheater und Forumtheater. Schließlich musste er 1976 wegen des Militärputsches auch Argentinien verlassen und lebte bis Mitte der 80er Jahre im europäischen Exil in Lissabon und Paris. In dem von ihm gegründeten Centre du Théâtre de l’Opprimé (CTO-Paris) entstanden die Ansätze des Regenbogens der Wünsche. Nach seiner Rückkehr nach Brasilien gründete er in Rio de Janeiro das Centro de Teatro do Oprimido (CTO-Rio), das er bis zu seinem Tod künstlerisch leitete. In Brasilien war er den sozialen Bewegungen eng verbunden, insbesondere der Landlosenbewegung MST, mit deren Aktivisten er regelmäßig arbeitete.5 Als Abgeordneter der Arbeiterpartei PT6 saß er von 1993 bis 1996 im Stadtparlament von Rio de Janeiro und entwickelte gemeinsam mit den Mitarbeitern des CTO-Rio das Legislative Theater.7 Die letzten Jahre seines Schaffens waren von der Entwicklung der Ästhetik der Unterdrückten geprägt, sie wurde seit 2002 zum Schwerpunkt der Arbeit des CTO-Rio.8 Augusto Boal verstarb am 2. Mai 2009 in Rio de Janeiro im Alter von 78 Jahren.9

 

Mehr als jedes andere seiner Bücher begleiteten ihn die Übungen und Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler auf seinem Weg. Die Geschichte des Buches ist eng mit Boals Biographie und somit mit der Entwicklung des Theaters der Unterdrückten verbunden. Im Laufe der Jahrzehnte nahm Boal immer neue Übungen und Spiele mit auf, überarbeitete bestehende, ergänzte sie um neue Varianten und brachte Reflexionen zu Papier, die sich mit der Praxis des Theaters der Unterdrückten auseinandersetzten. Die Texte in den Übungen und Spielen entstammen unterschiedlichen Epochen seines Schaffens und wurden an verschiedenen Orten und in verschiedenen Sprachen verfasst. So weist dieses Buch eine beeindruckende Editionsgeschichte auf, in Boals Worten (im Vorwort zur brasilianischen Ausgabe):

»Dieses Buch ist eines meiner ersten Bücher und gleichzeitig, mit seinen Überarbeitungen und Ergänzungen, eines meiner neuesten. Ihn ihm vermischen sich Texte aus einer lange vergangenen Zeit mit Texten von vorgestern. Von allen meinen Büchern hat es den längsten und kurvenreichsten (und, nebenbei bemerkt, erfolgreichsten) Weg zurückgelegt: Zunächst wurde es auf Spanisch verfasst und 1973 in Argentinien veröffentlicht, als ich dort im Exil lebte. Damals trug es den Titel 200 Übungen und Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler, die mit ihrem Theater etwas sagen wollen. 1977 wurde es ins portugiesische Portugiesisch übersetzt10 (das ist – ich versichere es! – nicht dasselbe wie das brasilianische) und dann 1979 ins Französische, wo es mehr als fünfzehn Mal aufgelegt wurde und einen neuen, einfacheren Namen erhielt: Spiele für Schauspieler und Nicht-Schauspieler (dabei blieb unerwähnt, dass es inzwischen mehr als 400 Übungen und Spiele enthielt). Für die erste englische Ausgabe von 1995 wurde es vollständig überarbeitet und jetzt – paradoxerweise – für diese brasilianische Ausgabe ins Portugiesische zurückübersetzt. Es handelt sich also um die Übersetzung einer Übersetzung einer portugiesischen Übersetzung, die wiederum ins Englische und Französische übersetzt und dann ins brasilianische Portugiesisch rückübersetzt wurde. Glücklicherweise verstehe ich nach wie vor Portugiesisch und konnte das Endergebnis neu bearbeiten.«

Doch damit war der Weg noch nicht zu Ende. Nach der brasilianischen Ausgabe von 1998, die die Grundlage des vorliegenden Bandes bildet, wirkte Boal noch an einer spanischen (2001), einer englischen (2002) sowie einer französischen Ausgabe...

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