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E-Book

Unser mathematisches Universum

Auf der Suche nach dem Wesen der Wirklichkeit

AutorMax Tegmark
VerlagUllstein
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl520 Seiten
ISBN9783843710787
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
'Max Tegmark, Prophet der Parallelwelten, flirtet mit der Unendlichkeit.' ULF VON RAUCHHAUPT, FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG WORUM GEHT ES? Max Tegmark entwickelt eine neue Theorie des Kosmos: Das Universum selbst ist reine Mathematik. In diesem Buch geht es um die physikalische Realität des Kosmos, um den Urknall und die 'Zeit davor' und um die Evolution des Weltalls. Welche Rollen spielen wir dabei - die Wesen, die klug genug sind, das alles verstehen zu wollen? Tegmark findet, dieses Terrain sollte nicht länger den Philosophen überlassen bleiben. Denn die Physiker von heute haben die besseren Antworten auf die ewigen Fragen. WAS IST BESONDERS? 'Eine hinreißende Expedition, die jenseits des konventionellen Denkens nach der wahren Bedeutung von Realität sucht.' BBC 'Tegmark behandelt die großen Fragen der Kosmologie und der Teilchenphysik weitaus verständlicher als Stephen Hawking.' THE TIMES WER LIEST? • Jeder, der das Universum verstehen will • Die Leser von Richard Dawkins und Markus Gabriel

Wer schreibt? Max Tegmark wurde 1967 in Schweden geboren. Er studierte am Royal Institute of Technology in Stockholm sowie an der University of California, Berkeley, und ist Professor für Physik am MIT. Tegmark ist Mitglied der American Physical Society und der wissenschaftliche Leiter des Foundational Questions Institute. Er hat zwei Söhne.

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Leseprobe

Kapitel 1


Was ist Wirklichkeit?


… Bäume bestehen hauptsächlich aus Luft. Verbrennt man sie, werden sie wieder zu Luft, und in der lodernden Glut wird die lodernde Glut der Sonne freigesetzt, die mitwirkte, um die Luft in den Baum zu verwandeln. Und in der Asche finden wir den kleinen Überrest des Anteils, der nicht aus der Luft, sondern aus der festen Erde kam.

Richard Feynman

Es gibt mehr Ding’ im Himmel und auf Erden, Horatio, als eure Schulweisheit sich träumt.

William Shakespeare,
Hamlet, 1. Aufzug, 5. Szene

Nicht das, was es zu sein scheint


Eine Sekunde später starb ich. Ich hörte auf, in die Pedale zu treten, und zog die Bremse, aber es war zu spät. Scheinwerfer. Kühlergrill. Vierzig Tonnen Stahl. Wildes Hupen. Wie ein neuzeitlicher Drache. Ich sah die in Panik aufgerissenen Augen des LKW-Fahrers, fühlte, wie die Zeit sich verlangsamte und mein Leben an mir vorüberglitt. Der allerletzte Satz meines Lebens lautete: »Hoffentlich ist das alles nur ein böser Traum.« Aber leider sagte mir mein Bauch, dass das hier wirklich geschah.

Aber wie konnte ich mir völlig sicher sein, nicht doch zu träumen? Was wäre denn, wenn ich kurz vor dem Zusammenprall etwas wahrgenommen hätte, was ausschließlich im Traumland geschieht? Sagen wir, meine tote Lehrerin Ingrid hätte, gesund und munter, hinter mir auf dem Gepäckträger gesessen. Oder was wäre gewesen, wenn fünf Sekunden zuvor im oberen linken Bereich meines Gesichtsfelds ein Pop-up-Fenster mit der Warnung aufgetaucht wäre »Sind Sie sicher, dass es eine gute Idee ist, aus dieser Unterführung herauszuschießen, ohne nach rechts zu schauen?« und darüber die anklickbaren Schaltflächen »Weiter« und »Abbrechen«? Hätte ich genügend Filme wie Matrix und The 13th Floor – Bist du, was du denkst? gesehen, wäre ich wahrscheinlich ins Grübeln darüber geraten, ob mein ganzes Leben vielleicht nur eine Computersimulation gewesen sein könnte, womit ich einige meiner grundlegendsten Annahmen über die Beschaffenheit der Wirklichkeit in Frage gestellt hätte. Aber was kann letztlich stabiler und wirklicher sein als ein Vierzigtonner?

Allerdings ist nicht alles auch so, wie es zunächst erscheint. Und das gilt sowohl für Lastkraftwagen als auch für die Wirklichkeit selbst. Solche Vorschläge stammen nicht nur von Philosophen und Science-Fiction-Autoren, sondern sind auch Rückschlüsse aus physikalischen Experimenten. Seit hundert Jahren wissen Physiker, dass massiver Stahl in Wirklichkeit hauptsächlich leerer Raum ist, weil die Atomkerne, die 99,5 % der Masse ausmachen, winzige Kugeln sind, die lediglich 0,0000000000001 % des Volumens darstellen. Und dieses annähernde Vakuum fühlt sich nur deshalb fest an, weil die elektrischen Kräfte, die die Kerne an Ort und Stelle halten, sehr stark sind. Darüber hinaus haben sorgfältige Messungen subatomarer Teilchen ergeben, dass es ihnen offenbar gelingt, gleichzeitig an unterschiedlichen Orten zu sein, ein wohlbekanntes Rätsel im Zentrum der Quantenphysik (was wir in ▶ Kapitel 7 ergründen werden). Aber ich selbst bestehe doch auch aus solchen Teilchen. Wenn diese also an zwei Orten gleichzeitig sein können, kann ich selbst es dann auch sein? Tatsächlich entschied ich ungefähr drei Sekunden vor dem Unfall unbewusst, ob ich einfach nach links schauen sollte, wo ich auf meinem Weg zum Blackebergs-Gymnasium in meiner schwedischen Heimat stets abgebogen bin, da auf dieser Querstraße nie Verkehr herrschte, oder ob ich vorsichtshalber auch nach rechts schauen sollte. Mit meinem schicksalhaften, spontanen Entschluss entging ich an jenem Morgen im Jahr 1985 nur um Haaresbreite einem Unfall. Alles lief letztlich darauf hinaus, ob ein einzelnes Kalziumatom in einen bestimmten synaptischen Spalt meines präfrontalen Kortex eindringen und dabei ein bestimmtes Neuron dazu anregen würde, ein elektrisches Signal zu feuern. Das wiederum würde bei weiteren Neuronen in meinem Gehirn eine wahre Sturzflut von Aktivitäten auslösen, so dass sie gemeinsam die Botschaft »Mach dir keine Sorgen« verschlüsselten. Wäre daher dieses Kalziumatom von zwei geringfügig unterschiedlichen Positionen aus gleichzeitig gestartet, hätten meine Pupillen eine halbe Sekunde später in zwei entgegengesetzte Richtungen zugleich gezeigt, weitere zwei Sekunden später wäre mein Fahrrad an zwei unterschiedlichen Orten gleichzeitig gewesen, und kurze Zeit später wäre ich gleichzeitig tot und lebendig gewesen. Die führenden Quantenphysiker streiten sich leidenschaftlich darüber, ob so etwas tatsächlich geschieht, ob sich unsere Welt praktisch in Paralleluniversen mit unterschiedlichen Geschichten aufspaltet, oder ob die sogenannte Schrödingergleichung als oberstes Gesetz der Quantenbewegung in irgendeiner Weise revidiert werden muss. Bin ich also tatsächlich gestorben? In diesem Universum bin ich gerade noch einmal davongekommen, aber bin ich vielleicht in einem anderen, gleichermaßen realen Universum, in dem dieses Buch nie geschrieben wurde, gestorben? Falls ich sowohl tot als auch lebendig bin, könnten wir dann unsere Vorstellung von der Beschaffenheit der Wirklichkeit irgendwie so ergänzen, dass all dies einen Sinn ergibt?

Vielleicht haben Sie das Gefühl, dass meine gerade geäußerten Überlegungen absurd klingen und vom Standpunkt der Physik aus betrachtet die Sache noch komplizierter wird. Wenn wir uns jetzt aber anschauen, wie ich es wahrgenommen habe, könnte alles sogar noch schlimmer werden. Falls ich an diesen beiden unterschiedlichen Orten in zwei Paralleluniversen sein sollte, wird eine Version von mir überleben. Wendet man jetzt das gleiche Argument auf alle anderen Möglichkeiten an, in Zukunft zu Tode zu kommen, scheint es immer mindestens ein Paralleluniversum zu geben, in dem ich niemals sterbe. Da mein Bewusstsein nur dort existiert, wo ich lebe, heißt das, dass ich mich subjektiv unsterblich fühle? Und sollte dies der Fall sein, werden auch Sie sich subjektiv unsterblich fühlen und schließlich die älteste Person auf der Erde sein? Diese Fragen werden wir in ▶ Kapitel 8 beantworten.

Mit Hilfe der Physik hat sich herausgestellt, dass unsere Wirklichkeit viel seltsamer ist, als wir uns das jemals vorgestellt hatten. Überrascht Sie das? Eigentlich ist es ganz und gar kein Wunder, wenn wir die Darwin’sche Evolution ernst nehmen! Die Evolution stattete unsere entfernten Vorfahren lediglich mit einer Intuition für solche Aspekte der Physik aus, die einen Überlebensvorteil boten, wie etwa die parabelförmige Bahn fliegender Steine (was unsere Vorliebe für Baseball erklärt). Eine Höhlenfrau, die allzu hartnäckig über die kleinsten Bausteine der Materie nachdachte, hätte womöglich den sich anschleichenden Tiger nicht bemerkt und wäre gnadenlos aus dem Genpool gefegt worden. Darwins Theorie macht daher die überprüfbare Vorhersage, dass bei jeder Anwendung von Technik zur Erkennung von Wirklichkeit jenseits des menschlichen Maßstabs unsere von der Evolution geprägte Intuition versagt. Wir haben diese Vorhersage wiederholt auf die Probe gestellt, und die Ergebnisse fallen mit überwältigender Mehrheit zugunsten Darwins aus. Bei hohen Geschwindigkeiten, stellte Einstein fest, verlangsamt sich die Zeit. Das fanden die Miesepeter im schwedischen Nobelpreiskomitee so bestürzend, dass sie es ablehnten, ihm den Nobelpreis für seine Relativitätstheorie zuzuerkennen. Bei niedrigen Temperaturen kann flüssiges Helium aufwärts strömen. Bei hohen Temperaturen wechseln geladene Teilchen ihre Identität. Für meine Begriffe sind der Zusammenstoß eines Elektrons mit einem Positron und deren anschließende Verwandlung in ein Z-Boson ebenso wenig intuitiv nachvollziehbar wie die Umwandlung zweier zusammenstoßender Autos in ein Kreuzfahrtschiff. Auf mikroskopischer Ebene tauchen Teilchen schizophrenerweise an zwei Orten gleichzeitig auf, was zu den bereits erwähnten Quantenrätseln führt. Geht es um astronomisch riesige räumliche Strukturen, kommt – Überraschung! – ebenfalls Merkwürdiges zum Vorschein: Sollten Sie tatsächlich intuitiv alle Aspekte Schwarzer Löcher verstehen, dann sind Sie, so glaube ich, der einzige Mensch auf der Welt, dem das so geht. Dann sollten Sie dieses Buch sofort beiseite legen und Ihre Ergebnisse veröffentlichen, bevor Ihnen jemand den Nobelpreis für Quantengravitation vor der Nase wegschnappt. Bei noch gewaltigeren Raumstrukturen wird es zunehmend verrückter. Eine Realität wird erkennbar, die erheblich grandioser ist als alles, was wir mit unseren besten Teleskopen auflösen können. Wie wir in ▶ Kapitel 5 untersuchen werden, wird die führende Theorie für die Ereignisse im frühen Universum kosmologische Inflation genannt. Sie geht davon aus, dass der Weltraum nicht nur sehr, sehr groß, sondern in Wirklichkeit unendlich ist und es darin unendlich viele exakte Kopien von Ihnen selbst gibt. Hinzu kommen noch viel mehr nahezu genaue Kopien, die jede vorstellbare Variante Ihres Lebens in zwei unterschiedlichen Arten von Paralleluniversen ausleben. Sollte sich diese Theorie bewahrheiten, dann heißt das Folgendes: Selbst wenn das quantentheoretische Argument nicht ganz stimmen sollte, das ich vorhin für die Kopie von mir, die es nicht bis zur Schule schaffte, ins Feld führte, wird es definitiv viele andere Max-Exemplare in Sonnensystemen weit draußen im Weltraum geben,...

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