Im Laufe der Jahrzehnte ist eine Gesellschaft vielen unterschiedlichen Veränderungen unterworfen. Innere und äußere Faktoren wirken auf sie ein und bewirken demographische und soziologische Veränderungen.
Auch unsere industrielle Gesellschaft ist solchen Einflüssen ausgesetzt. Sie wirken sich u.a. auf Bereiche wie Politik, Bevölkerungsstruktur, Altersverteilung, Familie und Haushalt, persönliche Einstellung und Wertorientierung der Menschen aus. Als Reaktion auf diese Veränderungen der Gesellschaftsstrukturen müssen die sozialen Sicherungssysteme unserer Gesellschaft regelmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und der veränderten Situation entsprechend modifiziert bzw. angepasst werden.
In den folgenden Abschnitten sollen einige der soziologischen und demographischen Veränderungen denen unsere Gesellschaft ausgesetzt ist und die daraus resultierenden Folgen für unsere sozialen Sicherungssysteme genauer betrachtet werden.
In der Bundesrepublik leben zur Zeit etwa 82 Millionen Menschen, dies entspricht einer Bevölkerungsdichte von 230 Personen je Quadratkilometer.
Abbildung 1: Die Bevölkerung in der BRD
Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes wird diese Zahl in den nächsten Jahrzehnten drastisch abnehmen, so dass es in 50 Jahren nur noch zwischen 65 und 70 Millionen Menschen sein könnten. Diese Entwicklung unserer Bevölkerung wird von unterschiedlichen Einflüssen geprägt: Geburten und Sterbefälle bestimmen die Einwohnerzahl ebenso wie die Wanderungsbewegungen, die über die Grenzen der Bundesrepublik hinweg stattfinden.
Am Altersaufbau der Bevölkerung lässt sich ablesen, wie sich das Verhältnis der jüngeren zur älteren Generation entwickelt. Wie in den meisten Industrieländern ist auch die Bundesrepublik heute durch eine verhältnismäßig schwach vertretene junge Generation gekennzeichnet. Die Lebenserwartung wächst, und dadurch verschiebt sich die Altersstruktur ständig zugunsten der älteren Menschen. Bereits heute leben in Deutschland mehr 65 jährige oder ältere Menschen als 15 jährige und jüngere.
Die Entwicklung der Geburten, aber auch der Eheschließungen und -Scheidungen spiegelt die Einstellung der Gesellschaft zur Familie und zu Kindern wider und haben Einfluss auf die Haushaltsgröße, die in der Bundesrepublik tendenziell seit Jahren abnimmt.
Seit Jahren werden in der Bundesrepublik weniger Kinder geboren, als zur langfristigen Erhaltung der Bevölkerung notwendig wäre. Nach dem „Babyboom“ in den 60er Jahren ging die Geburtenzahl bis Mitte der 70er Jahre stark zurück.
Abbildung 2: Bevölkerungszu- und Abnahme
1999 wurden in der Bundesrepublik etwa 770.000 Kinder geboren. Um aber unsere derzeitige Bevölkerungszahl auch zukünftig zu erhalten, müssten 1000 Frauen im Durchschnitt etwa 2100 Kinder gebären. In den letzten Jahrzehnten schwankt diese Zahl aber nur zwischen 1300 und 1500 Kinder pro 1000 Frauen. Bleibt dieses Geburtenniveau auf Dauer so niedrig, so hat dies eine sinkende und alternde Bevölkerung zur Folge.
In den letzten Jahrzehnten ist eine zunehmende Verschiebung der Altersstruktur in der Bundesrepublik zu beobachten. Die Lebenserwartung der Menschen ist in diesem Jahrhundert drastisch gestiegen. Ein Kind, das heute im früheren Bundesgebiet geboren wird, hat eine über 30 Jahre höhere Lebenserwartung als ein Kind, das vor hundert Jahren zur Welt kam. Dass so viele Menschen ein höheres Alter erreichen, ist im Wesentlichen auf den Rückgang der Säuglings- und Kindersterblichkeit zurück zu führen. Von 1000 neugeborenen Kindern sterben heute nur etwa 5 im ersten Lebensjahr, während dies vor hundert Jahren noch nahezu 200 Kinder waren.
Abbildung 3: Die Lebenserwartung Neugeborener
Die verbesserten allgemeinen Lebensumstände und der medizinische Fortschritt haben aber auch für die älteren Menschen in der Bundesrepublik eine erhöhte Lebenserwartung zur Folge.
Heute kann ein 60 Jahre alter Mann im Durchschnitt damit rechen, dass er noch ca. 19 Jahre lebt, eine 60jährige Frau kann sogar auf etwa 23 Jahre hoffen. Nach dem Stand von 1997 hatte ein im früheren Bundesgebiet geborener Junge eine Lebenserwartung von 74,4 Jahren, bei einem Mädchen waren es sogar 80,5 Jahre.
Abbildung 4: Weitere Lebenserwartung über 60
Der Altenquotient gibt das Verhältnis von Menschen im sogenannten Erwerbsalter – also zwischen 20 und 59 Jahren - und Menschen im Rentenalter - ab dem 60. Lebensjahr - wieder. Diese Abgrenzung zwischen Erwerbs- und Rentenalter orientiert sich am derzeitigen durchschnittlichen „Rentenzugangsalter“ von 60 Jahren. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich auch der Altenquotient enorm verschoben. Noch vor wenigen Jahren standen 100 Menschen im Erwerbsalter etwa 36 Personen im Rentenalter gegenüber. Heute sind es bereits 40 und im Jahr 2050 könnte der Altenquotient sogar bei 80 liegen.
Abbildung 5: Altenquotient
Ein Blick auf die Alterspyramide zeigt - im Vergleich zum Beginn dieses Jahrhunderts - einen deutlichen Rückgang der Kinder- und Jugendgeneration bei einem relativen Anwachsen der mittleren Generation.
Abbildung 6: Die Alterspyramide 1910 und 1999
Diese in anderen Industrieländern ebenfalls zu beobachtenden Entwicklungen führen in der Bundesrepublik langfristig zu einer Zunahme der Generation im Alter über 60 Jahre. Man spricht in diesem Zusammenhang von der „alternden“ oder „ergrauten“ Gesellschaft.
Bereits heute liegt der Anteil der über 60 Jährigen mit 22% der Gesamtbevölkerung über dem der unter 20 Jährigen mit nur noch 21 %. Der Anteil der Menschen im mittleren Lebensabschnitt, also zwischen 20 und 60 Jahren, liegt heute bei rund 56%. Zudem liegt seit 1972 die Geburtenrate in der Bundesrepublik unter der Sterbeziffer und der Anteil der Hochaltrigen, gemeint sind Menschen im Alter von über 80 Jahren, hat in den letzten Jahrzehnten überproportional zugenommen. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung liegt gegenwärtig bei ca. 4%, während es um die Jahrhundertwende nur etwa 0,5% waren. Nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes wird sich der Anteil der Hochaltrigen bis zum Jahr 2050 auf ca.12 % der Gesamtbevölkerung noch weiter erhöhen. Der Anteil der unter 20 Jährigen wird sich bis zum Jahr 2050 auf etwa 16% verringert haben, während die Gruppe über 60 Jahren (hochaltrige Personen sind hier eingeschlossen) auf etwa 37% anwachsen wird. Die Menschen im mittleren Alter stellen dann ca. 47% der Gesamtbevölkerung, womit sich der Altersaufbau der Bevölkerung zwischen 1950 und 2050 bei nahezu gleicher Bevölkerungszahl umgekehrt haben wird.
Neben Geburten und Sterbefällen beeinflusst auch die Migration - dies sind die Zu- und Fortzüge aus dem bzw. in das Ausland - die Bevölkerungszahl und den Altersaufbau der Bevölkerung in der Bundesrepublik. In den 50er und 60er Jahren standen bei der Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte ökonomische Gründe im Vordergrund. Nach dem Anwerbestopp Anfang der 70er Jahre prägten die Familiennachzüge dieser Arbeitskräfte das Wanderungsgeschehen. In den 80er und 90er haben die politischen Entwicklungen in Europa zu einem starken Zustrom von deutschstämmigen Aussiedlern aus Osteuropa, Asylbewerbern und Bürgerkriegsflüchtlingen nach Deutschland geführt.
Abbildung 7: Wanderungssaldo
Die Immigration von ausländischen Arbeitskräften und Aussiedlern bleibt nicht ohne Folgen für unsere Bevölkerungsstruktur.
Die wachsende Zahl ausländischer Mitbürger bringt vielfältige neue kulturelle und religiöse Einflüsse mit sich, die eine zunehmende Heterogenität unserer Bevölkerung zur Folge haben. Ihre dauerhafte und zufriedenstellende Integration erfordert viel Toleranz und eine zum Teil erhebliche Anpassungsleistung aller Beteiligten. Es gilt Verständnis für andere kulturell begründete Auffassungen von Religion, Familie, Leben im Alter, etc. aufzubringen. Zudem müssen oftmals nicht unerhebliche Sprachbarrieren überwunden werden.
Die sogenannten „Gastarbeiter“ der 1. Generation sind nun im Rentenalter und werden damit zunehmend Zielgruppe von Pflege-, Hilfe- und Unterstützungsleistungen. Verglichen mit den meisten deutsche Senioren besitzen sie aber andere Vorstellungen von einem würdevollen Leben im Alter. Diese deutlich veränderten Anforderungen und Bedürfnisse älterer und alter ausländischer Mitbürger werden von unseren Sozialsystemen...