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E-Book

Geschichte des Fotojournalismus

AutorOlaf Kunde
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2004
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783638245722
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis27,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2000 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Journalismus, Publizistik, Note: 1,7, Technische Universität Dresden (Kommunikationswissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: Das Bild, speziell das fotografische Bild, nimmt als Kommunikationsform in unserer bedingungslos schnellebigen Kultur eine herausragende Position ein. Dem Wahrheitsanspruch der uralten chinesischen Weisheit, der zufolge einem Bild mehr Bedeutung zukommt als tausend Worte, ist wohl auch heute wenig entgegenzusetzen. Eine Fotografie soll vor allem Informationen vermitteln oder eine Geschichte erzählen, eine interessante Geste einfangen, eine besondere Mimik, ein Lächeln zeigen, Gefühle auslösen. Den richtigen, perfekten Moment in Verbindung mit einem geschulten Auge für eine optimale Bildgestaltung, festzuhalten und ihn gewissermaßen Zeit unabhängig erstarren zu lassen, das war und ist der große Vorteil des ambitionierten Fotojournalismus gegenüber den fortlaufenden, unruhigen Fernsehbildern. Diese sind im eigentlichen Sinne auch nur ´bewegte Fotografien´. Wichtig hierbei ist die Wahl des Motivs, aber ob es unsere Aufmerksamkeit fesseln kann, hängt im Besonderen von der Wahl der ästhetischen Mittel, das heißt der Gestaltung der Komposition des Fotos ab. Die Fotografie wird geleitet von gewissen Grundregeln, welche schon lange in Grafik und Malerei gelten. Die Nähe zur Malerei und Grafik erklärt sich durch die Nutzung oder Umkehrung ihrer kunstgeschichtlich gewachsenen Erfahrungswerte in Form der grafischen Gestaltungsmittel, beispielsweise der Bildlinienführung, Perspektiven. Interessant in diesem Kontext ist die Tatsache, dass die meisten frühen Pioniere der Fotografie sich vorher mit Malerei beschäftigt haben. Fraglich ist hier natürlich die enge Beziehung und besondere Nähe zur Kunst oder zu einem Kunstcharakter. Aber haben nicht zum Beispiel Fotos in Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen neben der übermittelten Information oder Nachricht oft künstlerische oder werbetechnische Aspekte und Merkmale! Das alles vollzieht sich im Ermessens-Spielraum des Fotografen, der die Redaktion ('Zeitungszensur') durch ' ... Hinzufügen von ästhetischen, politischen und erkenntnis-theoretischen Elementen in sein Bild ... ' nach seinem Sinne ´täuschen´ kann. In diesem Sinne kann die Zeitung oder Zeitschrift ebenso die hinzugefügten Elemente zur Bereicherung ihres spezifischen Profils nutzen . Ein kreativer Prozess kommt in Gang, von dem beide Seiten profitieren können, vorausgesetzt der Fotograf verfügt über bildgestalterische und handwerkliche Kompetenz.

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Leseprobe

2. Die Entwicklung fotojournalistischer Ansätze bis zum 1.Weltkrieg


 

2.1. Historische Vorläufer und Frühformen des Fotojournalismus vor 1900


 

Vereinzelte Vorläufer und Frühformen des Fotojournalismus, einschließlich seines stärksten Ausdrucksmittels, lassen sich schon kurz nach der gleichzeitigen Erfindung der praktisch anwendbaren Fotografie um 1839 durch Niepce, Daguerre und Talbot feststellen. Genau genommen waren kaum über fünfzehn Jahre vergangen, da nahm der Engländer Roger Fenton (1819-1869) im Jahr 1855 einen originären Fotobericht von der Belagerung und Einnahme der Festung Sewastapol im Krimkrieg auf. Dies geschah noch unter riesigen Schwierigkeiten, insbesondere wegen der umständlichen fotografischen Technik. Fentons fotografisches Equipment bestand unter anderem aus 700 Glasplatten von der Größe 30x40 Zentimeter. Jede Platte mußte kurz vor der Aufnahme in der fahrbaren Dunkelkammer mit der gebräuchlichen fotochemischen Schicht überzogen werden. Anschließend wurde die nasse Platte, sogenanntes ´nasses Verfahren´, sofort belichtet und entwickelt. Infolge der nötigen langen Belichtungszeiten von drei bis zwanzig Sekunden war Fenton gezwungen Aufnahmesituationen mit Personen nachzustellen. Er verstand es jedoch zu improvisieren, indem er wirklich beobachtete Szenen auswählte und sie für die Dauer der Aufnahme anhielt. Interessanterweise konnte Fenton per Fingerschnipp die Situation sozusagen für mehrere Sekunden einfrieren. Später besaßen die technisch weiterentwickelten Kameras diese Möglichkeit der Momentaufnahme. Trotzdem wirkten die Aufnahmen der Soldaten im Krimkrieg nicht unnatürlich, da Fenton anscheinend das Talent hatte, was große Fotoreporter auszeichnet, " ... die natürliche Atmosphäre des Augenblicks nicht durch eine unnatürliche Haltung oder unnatürliches statisches Arrangieren zu stören".[17] Eine Gabe, die sich als Wesenszug auch in nachfolgender Zeit bei anderen großen Vertretern des Fotojournalismus zeigt, wie beispielsweise später bei Erich Salomon, Felix H. Man oder bei Henri Cartier-Bresson.

 

Unter diesen schweren Bedingungen schaffte er es nach drei Monaten harter Arbeit über 360 belichtete Platten nach London zu bringen. Seine Werke erschienen zuerst in der Illustrated London News, dann später in den Illustrierten Europas, d.h. in der Leipziger Illustrirten Zeitung, in der Pariser L´Illustration und in Amerika's Illustrierten wie der Harpers Weekly aus New York und Frank Leslie´s Illustrated Newspaper aus Boston.[18] Eine mechanische Reproduktion von Fotografien war in dieser Zeit unmöglich, folglich wurden sie von Malern und Grafikern als Vorlagen für Holzstiche verwendet. Aber auch ohne diese mittelbare Reproduktion in den wöchentlich erscheinenden Illustrierten gehört Fentons Fotoreportage vom Krimkrieg zu den ersten Zeugnissen einer Frühform des Fotojournalismus. Allerdings müssen hier einige Abstriche gemacht werden, denn seine Expedition wurde unter anderem vom königlichen Kriegsministerium unterstützt und vom Privatier Thomas Agnew finanziell abgesichert, so dass, zwar nicht sicher von welcher Seite ausgehend, aber doch nachweisbar bestimmte Einschränkungen bei der Auswahl der Bildmotivik bestanden. Fest steht, dass Fenton die Auflage akzeptieren musste, auf keinen Fall die wirklichen Schrecken des Krieges mit all der Zerstörung, mit den zerfetzten Toten zu zeigen, um die Bevölkerung nicht unnötig zu schockieren und damit ein Aufkommen von Anti-Kriegsstimmung zu verhindern. Es entstanden malerische, fast romantisierende Aufnahmen, die aber auf nicht die harte Realität des Krieges abbildeten (siehe Abb.1).[19]

 

Die umfangreiche Fotoreportage zeigt einen Ausschnitt vom Leben im Krieg, der von nun an ein großes wie gefährliches Sujet des Fotojournalismus bilden wird. Diese Verbindung mit dem Krieg, in welcher Ausprägung auch immer, wird ein fester Bestandteil des Fotojournalismus bleiben.

 

Der amerikanische Fotograf Matthew B. Brady (1823-1896) versuchte einige Jahre später hingegen unabhängig und selbstfinanziert ein realistisches Bild des Krieges zu vermitteln. Im amerikanischen Bürgerkrieg, der 1861 ausbrach, dokumentierten Brady, seine Mitarbeiter Alexander Gardner, Timothy O'Sullivan und Assistenten das Grauen des Krieges mit dem Elend der Familien, verbrannten Häusern und den zahlreichen Toten.[20]

 

Die Arbeit Bradys wurde, ähnlich wie Fenton, durch die technischen Mängel der frühen Fotografie stark behindert und eingeschränkt. Die Mängel charakterisierten sich durch lange Belichtungszeiten, schwer zu bedienende schwere Fotoapparate und das schon erwähnte nasse Verfahren. Sie verhinderten jede Spontaneität und Beweglichkeit.[21]

 

Warum nahm Brady diese Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten auf sich? Brady, vorher ein erfolgreicher New Yorker Porträtfotograf mit eigenen Atelier, hatte einfaches Profitstreben

 

 nicht nötig. Da er aber das Projekt gnadenlos bis zum Kriegsende im Jahre 1865 fortführte, liegt die Annahme nah, dass Brady der Obsession folgte, diesen Krieg vollständig zu dokumentieren. Dies beweist meines Erachtens der Wortlaut des Fotohistorikers Helmut Gernsheim zum Thema, indem er beschreibt, wie Brady 1896 in einem New Yorker Armenspital starb, "... verbittert und enttäuscht über das Desinteresse an seinem Werk, von dem er angenommen hatte, es werde in die amerikanische Geschichte eingehen".[22] Er selbst bestätigt durch den Ausspruch "The camera is the eye of history"[23] sein Bestreben. Ein Bestreben, dass viele spätere Fotojournalisten in ihrem Anspruch leitete, wie auch Erich Salomon.

 

Wenn man die Fotoreportagen Fentons und Bradys vergleicht, bekommt man einen Einblick in das breite Spektrum der Kriegsfotografie. Während Fenton das Leben im Krieg, zugeben sehr geschönt und harmlos, ablichtete, so waren Bradys Aufnahmen erstmals Zeugnisse von Sterben und Elend im Krieg. Gidal urteilte: "Eine Reportage über den Tod in seiner unverhüllten Nüchternheit".[24]

 

Hier spiegelt sich ein Grenzkonflikt von Ethik und Moral in der Arbeit von Fotojournalisten wieder, der bis heute aktuell ist. Beschädigt es die Menschenwürde, Menschen in Kriegssituationen, im Sterben oder in unwürdigen Momenten zu zeigen? Auf jeden Fall können gerade Fotos, die den Krieg anklagen und sein Grauen zeigen, Ziele der Aufklärung verfolgen und Engagement und Empörung auslösen, so auch Fotos aus dem Vietnamkrieg. Im Gegensatz dazu lassen sich Fotografien auch gut mißbrauchen zwischen den Polen unterschiedlicher Machtinteressen und deren politischer Propaganda, wie es bei Fenton schon früh zum Ausdruck kommt.

 

Im Nordamerika des 19. Jahrhunderts zog es viele Fotografen in den Westen. Sie dokumentierten die Besiedlung des Landes, den Eisenbahnbau und die Verdrängung der Ureinwohner. Sie beschrieben per Foto diese ´frontier experiences´: "Many of the photographers who worked in the West were impelled both by a desire to document important and newsworthy events and a determination to make their pictures available to the general public".[25] Um 1880 waren die Pioniertage der amerikanischen Fotografie vorbei. Die neuen Erfindungen in der Fotografie und im fotomechanischen Reproduktionsbereich läuteten ein anderes Zeitalter des Mediums ein.[26] Carlebach schreibt zur Rolle dieser Vorgänger des Fotojournalismus: "American photographers from 1839-1880 were commited to using photographs as reportage. They were not fulltime photojournalists, but when given the oppurtinity, photographers in the nineteen century made and sold news pictures."[27] Ein weiteres Beispiel für eine frühe Form der Fotoreportage kommt aus Frankreich. Dort machte Paul Nadar im Jahr 1886 das erste Foto-Interview der Geschichte (siehe Abb.2). Er fotografierte, und sein Vater, der berühmte frühe Fotograf Nadar der Ältere (Gaspard-Felix Tournachon) interviewte dabei mit Hilfe eines Stenografen den hundertjährigen Chemiker Eugene Chevreuil (1786-1889) über das Thema ´Die Kunst hundert Jahre lang zu leben'. Es erschien in einer Serie von 21 Aufnahmen am 5. September 1886 im Le Petit Journal illustre. Die Fotografien bestechen durch beeindruckende Lebendigkeit und Authentizität. Die nebenbei stenografierten Antworten, die Chevreuil während der einzelnen Aufnahmen von sich gab, wurden direkt als Legende unter die Bilder angeordnet. Diese Arbeit zählt mit zu den ersten Fotoreportagen. Paul Nadar spezialisierte sich in der Folge auf weitere Foto-Interviews berühmter Zeitgenossen in ihrem Arbeitsumfeld. Seine ebenfalls reportageähnlichen Foto-Interviews von General Boulanger, Gustave Eiffel und Louis Pasteur wurden ebenfalls veröffentlicht.[28]

 

In Deutschland wurde 1864 der Deutsch-Dänische Krieg von Heinrich Graf und Adolph Halwas zur fotografischen Reportage genutzt. Die Fotografien des Flensburgers Friedrich Brandt von der Erstürmung der Düppeler Schanzen werden als ein weiteres bekanntes Beispiel angesehen.[29]

 

Krieg und Gewaltformen stellten weiter eine bevorzugte Thematik der ersten frühen Dokumentationen und Reportagen dar. Beispielsweise wurden während des deutsch-französischen Krieges Hunderte von fotografischen Platten belichtet. Die...

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