4.1 Intentionen
Gesichtet und untersucht werden im Rahmen dieser Schulbuchanalyse sämtliche durch das Kultusministerium in Sachsen-Anhalt für den Ethikunterricht zugelassene Schulbücher der Sekundarstufe I der Gymnasialstufe.[63] Es werden einzelne Exemplare ausgewählt, die unter den an späterer Stelle angegebenen Kriterien geprüft werden, während die anderen in ihrer Grobstruktur hinsichtlich der Thematik Glück dargestellt werden. Es wird demzufolge keine flächendeckende Analyse, sondern eine Stichprobenanalyse vorliegen, wobei tatsächlich das Gros der zugelassenen Bücher analysiert wird.[64]
Die Wahl der für die unter den drei Dimensionen zu analysierenden Schulbücher ist auf Erfahrungswerte zunächst hinsichtlich ihrer allgemeinen Benutzerfrequenz, beobachtet in sämtlichen Schulpraktika[65], gestützt. Bevorzugt werden jedoch Schulbücher analysiert, mit denen ich selbst unterrichtsgestaltend beziehungsweise unterrichtsunterstützend gearbeitet habe.[66]
Das Schulbuch, das zu den „vortechnischen Unterrichtsmedien“[67] zählt, ist in jedem Fall jenes Unterrichtsmedium, das von Lehrern und Schülern[68] am häufigsten frequentiert wird und damit den Unterricht in einer einmaligen Art und Weise steuern kann. Damit wird ihm nach wie vor eine zentrale Bedeutung im Unterricht, während der Hausaufgaben und nicht zuletzt auch für den Lehrer als Hilfsmittel zugeschrieben. Resultierend daraus und aus der Tatsache, dass der Katalog der zugelassenen Schulbücher und dazugehöriger Materialien immer größer und in zunehmend variierenden Formen angeboten wird, erscheint mir eine kritische Auseinandersetzung mit dieser Art der Lehrmittel erforderlich. In der Praxis wird eine Vielzahl an Lehrmitteln verwendet, ganz gleich, ob sie behördlich genehmigt und vorgeschlagen sind. Aus diesem Grunde scheint es obligatorisch, die sachliche und die didaktische Qualität hinsichtlich der Lehr- und Lernziele zu prüfen.
Ein weiterer wesentlicher Aspekt für das Interesse, Schulbücher zu analysieren, resultiert aus dem Tatbestand, dass Inhalte der Schulbücher hinsichtlich der sachlichen sowie methodisch-didaktischen Vorschläge häufig in einer unreflektierten Form übernommen werden. Vielfach ist zu beobachten, dass Lehrern den Konzepten der ihnen vorgeschlagenen Lehrwerke vollends vertrauen. Das erschwert jedoch die trotzdem notwendige kritische Beobachtung.[69] Damit ist eine Analyse ausgewählter Schulbücher insofern sinnvoll, als dass diese auch einen unbefangenen Umgang in Frage stellt beziehungsweise diesbezüglich sensibilisiert. Antithetisch dazu kann diese Analyse auch dazu beitragen, ein gewisses Vorurteil gegenüber bestimmten Büchern abzubauen. Auch Vorurteile und Feindbilder, zu denen jeder Lehrer sehr schnell in der Lage sein kann, wenn er sich unter Zeitdruck befindet und in kürzester Zeit zahlreiche Unterrichtsstunden durch Vertretungen oder ähnliche Situationen vorbereiten muss, können geschwächt werden. Ein Schüler kann gleichermaßen vorurteilsbehaftet sein, wenn beispielsweise Methoden im Unterricht völlig inkonvergent mit denen im Lehrbuch sind, sodass sich ein möglicherweise nur geringes Verständnisproblem in eine Antipathie umwandelt. Diese wesentlichen, beinahe alltäglichen Konflikte bilden neben dem Schwerpunkt des Inhalts den Ausgangspunkt für meine Analyse.
Ziel ist die Auseinandersetzung mit Fragen der Schulbuchanalyse, die neben der wissenschaftlichen Schulbuchforschung auch Informationen präsentiert, die eine kritische Analyse der vorgestellten Schulbücher fördern soll.
Peter Weinbrenner legt ein Konzept der Schulbuchanalyse[70] vor, das auch weitgehend Grundlage der vorliegenden Analyse darstellen soll. Er unterscheidet zwischen der Dimension des Wissens, des Designs, der fachwissenschaftlichen Inhalte, der Fachdidaktik und der erziehungswissenschaftlichen Komponenten.[71]
Die Wissensdimension umfasst erkenntnistheoretische Faktoren, Werturteile, Ideologien beziehungsweise den gesamten sachlich-inhaltlichen Part. Im Design ist die gesamte äußere Gestaltung sowie deren Typographie, enthaltene Grafiken und Bilder, die Farbe und die Anordnung des Materials inbegriffen. Unter dem Aspekt der Fachwissenschaftlichkeit werden sowohl die sachliche Korrektheit, aktuelle Forschungsstände sowie Kontroversen beleuchtet. Innerhalb des fachdidaktischen Bereiches werden entsprechende Ansätze, die Lernzielorientierung, Sequenzierungen und Vereinfachungen, Reduktionen, Interpretationen, Problemorientierungen sowie weitere Hilfen untersucht. Schließlich bildet der erziehungswissenschaftliche Teil einen wesentlichen Beitrag bei einer qualitativ hoch zu bewertenden Analyse, da in diesem Zusammenhang der Schulbuchtyp, dessen didaktische Funktion, die Textsortenunterscheidung, die Textverständlichkeit, die Formen der Kommunikation und der Interaktion geprüft werden. Diese, auf dem Ansatz Peter Weinbrenners basierende, Systematik kann weiterentwickelt und gewissermaßen komprimiert werden, indem man die drei großen Teilbereiche „Thematische Kriterien, Didaktische Kriterien und Gestalterische Kriterien“[72], gegeneinander abgrenzt.
In diesem praxisorientierten Konzept wird versucht, möglichst jede Komponente zu beachten, um im Ergebnis einen aussagekräftigen Kriterienkatalog als Grundlage für die Schulbuchanalyse zu formulieren. Bei einer Schulbuchanalyse selbst darf allerdings nicht ausschließlich auf diese Komponenten zurück gegriffen werden, sondern es ist bedeutend, auch Phasen der Entwicklung und der Vorbereitung auf den Unterricht mit einzubeziehen. Genauso sind Fragen der Planung, der Konzeptentwicklung, der Komposition eines Schulbuches sowie die Konsequenzen des Lehrmittels für den Unterricht mit Aufmerksamkeit zu betrachten. Im Rahmen einer reinen Schulbuchanalyse ist es jedoch kaum möglich, da hier lediglich das Ergebnis, nicht aber die Vor- und Entwicklungsgedanken beziehungsweise die eigentliche Wirkung auf die Schüler, untersucht wird. Die Schulbuchanalyse an sich muss demzufolge an dieser Stelle eingegrenzt werden auf die Untersuchung der Schulbücher, die die Lernenden im Unterricht verwenden.
Nicht zu vernachlässigen sind selbstverständlich die Begleit- und Parallellehrmittel wie zum Beispiel Textsammlungen, CD-ROM, nicht zuletzt das Internet[73], die für die Schüler, den Lehrer und somit für den gesamten Unterricht eine wesentliche Rolle spielen. Dennoch steht das Lehrbuch nach wie vor im Zentrum des Unterrichts, und kaum jemand kann sich gegenwärtig einen Unterricht ganz ohne Lehrbuch vorstellen, wenngleich an Hand didaktisch-inhaltlicher Kompositionen ein Unterricht ohne das Lehrbuch auch ohne Verlust von Lehr- und Lernqualität denkbar ist. Gegebenenfalls kann eine solche Form auch praktiziert werden, da gerade im Ethikunterricht die Möglichkeit, auf Grund der Vielfalt des Themenkatalogs, gegeben ist, sich von den konventionellen Lehrmitteln gelegentlich zu distanzieren.
Nicht zuletzt steht das Lehrbuch im Mittelpunkt, da es gewissermaßen eine Leitfunktion übernimmt, indem der Lehrende nicht selten seinen Unterricht der Struktur des Buches angleicht. Die Funktionen des Schulbuches innerhalb des Unterrichts sind variabel; sie können als sogenannte Vermittler von Inhalten, Methoden und Werten, als Arbeitsmittel oder gar Nachschlagewerke fungieren, wobei gleichermaßen die Möglichkeit besteht, es sich als Medium zur Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des Unterrichts zunutze zu machen.[74] Das Schulbuch darf aber auch kategorisch als Werkzeug des Lehrens bewertet und eingeordnet werden, denn die darin enthaltenen Texte, Aufgaben, Abbildungen et cetera sollten den Anforderungen des methodischen Handelns gerecht werden, sodass eine Basis für den Unterricht das Resultat sein muss.
Eine wesentliche Aufgabe innerhalb dieser Untersuchungen besteht darin, ein Kategoriesystem zu entwickeln, das diesen Ansprüchen gerecht wird und schließlich ein reales...