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VARIATIONslinguistik trifft TEXTlinguistik

VerlagNarr Francke Attempto
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl336 Seiten
ISBN9783823300922
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis62,40 EUR
Variations- und Textlinguistik erfassen verschiedene Aspekte sprachlicher Vielfalt, für die mit spezischen Schwerpunkten, Methoden und Zielsetzungen Korrelationen und Erklärungen gesucht werden. Der vorliegende Band nimmt insbesondere die Schnittstellen der beiden Disziplinen in den Blick und erkundet dabei den heterogenen Charakter natürlicher Sprachen sowie die damit einhergehende Fülle von Realisierungs- und Umsetzungsmöglichkeiten. Im Einzelnen geht es um dialektale, historische und stilistische Variation in den unterschiedlichsten Kommunikationsbereichen wie Verwaltung, Medizin, Wirtschaft oder Literatur, Presse und Schule. Dafür werden schriftliche, mündliche und digitale Korpora ausgewertet. Die für die Beiträge zentrale Textvariation bzw. Variation im Text betrifft sowohl makrostrukturelle als auch lexikalische und grammatische Phänomene.

Prof. Dr. Kirsten Adamzik ist Inhaberin des Lehrstuhls für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Genf. Mateusz Maselko, BA MA MA ist Assistent am Lehrstuhl für Germanistische Sprachwissenschaft an der Universität Genf und Lehrender an der Universität Wien.

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Leseprobe


Vorwort


Kirsten Adamzik / Mateusz Maselko

Die Beiträge dieses Bandes sind im Zusammenhang einer Tagung für den wissenschaftlichen Nachwuchs entstanden (s. dazu den Tagungsbericht von S. M. Moog in diesem Band). Der Schwerpunkt liegt auf dem unweigerlich heterogenen Charakter natürlicher Sprache(n), und zwar aus den Perspektiven der Variations- und Textlinguistik. Es geht also um Textvariation bzw. Variation in und von Texten: Einbezogen werden einerseits das ganze Spektrum sprachlicher Realisierungs- und Umsetzungsmöglichkeiten, andererseits die verschiedensten sozio-kulturellen, pragmatisch-funktionalen und medialen Bedingungen der Textproduktion und -verwendung. Dies entspricht der Entwicklung der beiden Forschungsrichtungen, die sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Subdisziplinen der angewandten Linguistik etabliert, ihre Fragestellungen und Ausrichtungen im Laufe der Zeit aber nicht unerheblich weiterentwickelt und verändert haben.

Sowohl die Variations- als auch Textlinguistik sind als interdisziplinär ausgerichtete, weltweit betriebene Wissenschaftszweige zu betrachten, die programmatisch einerseits Anregungen der linguistischen Subdisziplinen (wie etwa Medienlinguistik, Korpuslinguistik, Politolinguistik, Fachsprachforschung) und Nachbardisziplinen (wie etwa Soziologie, Psychologie, Geographie, Kommunikationswissenschaft, Theologie, Literaturwissenschaft) aufgreifen und andererseits selbst befruchtend auf diese einwirken. Daher werden sie oft als sog. Bindestrich-Disziplinen wahrgenommen. Festzuhalten ist jedoch, dass sie zwar eng mit anderen Wissenschaftszweigen zusammenarbeiten bzw. großteils den gleichen Gegenstandsbereich behandeln, sich aber Fragestellungen widmen, die jeweils eine spezielle sprachwissenschaftliche Ausrichtung implizieren.

Neuere Entwicklungen innerhalb der Textlinguistik stellen sich häufig in den Kontext des sog. cultural turn. Diese kulturwissenschaftliche Orientierung impliziert meist einen handlungstheoretischen Ansatz (im Sinne der sog. pragmatischen Wende), hebt aber inzwischen die Bedeutung anderer Medien/Modalitäten als der Sprache hervor, insbes. von Layout und Typografie, sprich Textdesign, Bild, Film (iconic turn) sowie Materialität von Texten (material turn). Dies betrifft auch die konkrete Lokalisierung von Texten (spatial turn), was einen Berührungspunkt zur Variationslinguistik konstituiert. Zugleich drohen dabei die sog. sprachinternen Merkmale ganz in den Hintergrund zu geraten bzw. auf textgrammatische Elementaria (Pronomina und Konnektoren) reduziert zu werden. Ferner besteht die deutliche Tendenz, mündlichen Sprachgebrauch (wieder) auszuklammern. Schließlich wird der Geprägtheit makrostruktureller Muster (Textsorten, Gattungen) durch Kulturen/Sprachen und damit auch der Normorientiertheit ein besonderes Gewicht beigemessen – mit dem Ergebnis, die intrakulturelle/-linguale Heterogenität zu vernachlässigen.

Diese bildet nun gerade den Hauptgenstand der Variationslinguistik, wobei selbstverständlich mikrostrukturelle Phänomene im Vordergrund stehen. Lag der Fokus zunächst auf der lautlichen (phonetisch-phonologischen) Ebene, so richtet sich das Interesse längst auch auf höhere Ebenen, insbes. Morphologie und Syntax. Die Textebene in Gestalt von komplexeren Sprachformen wird allerdings noch immer nur wenig berücksichtigt. Dass man heute von Variationslinguistik als einer Subdisziplin sprechen kann, erklärt sich daraus, dass hier diverse Spezialdisziplinen gewissermaßen zusammengewachsen sind, v. a. die auf areale Variation bezogene Dialektologie mit einer sehr alten Tradition und die seit den 1960er Jahren entstandene Soziolinguistik, die sich zunächst schichtenspezifischem Sprachgebrauch, dann allgemeiner Substandardvarietäten zuwandte. Eine weitere Quelle stellen die ebenfalls seit den 1960er Jahren entwickelten Ansätze zur Untersuchung gesprochener (Standard-)Sprache dar. In der neueren Variationslinguistik geht es um die Variation in allen ihren Dimensionen, d. h. unter Einbeziehung des gesamten Varietätenspektrums, von kleinräumigen Dialekten über (regionale) Substandards bis hin zu ‚(supra-)nationalen‘ Standardvarietäten, wobei selbstverständlich auch Faktoren wie Alter, Geschlecht, Mobilität, politische Orientierung usw. systematisch Berücksichtigung finden.

Im Vordergrund der Variationslinguistik steht mündlicher Sprachgebrauch, während die Textlinguistik sich inzwischen wieder auf Schrifttexte konzentriert. Einen ‚natürlichen Treffpunkt‘ stellt die informelle Schriftlichkeit im Internet dar. Dieses Phänomen zieht derzeit so viel Forschungsenergie auf sich, dass bereits eine neue Subdisziplin, die Internetlinguistik, ausgerufen wurde, ebenso wie das spezielle Interesse an der Visualität sich in einer Bildlinguistik manifestieren soll. Gegenüber dieser Tendenz der Vermehrung von Subdisziplinen und einer damit notwendigerweise einhergehenden Überspezialisierung hatte die Tagung zum Ziel, Gemeinsamkeiten der Ansätze in den Vordergrund zu stellen und den gegenseitigen Austausch zu intensivieren.

Beide Disziplinen erfassen verschiedene Aspekte sprachlicher Vielfalt, für die mit spezifischen Schwerpunkten, Methoden und Zielsetzungen Korrelationen und Erklärungen gesucht werden. In der jüngeren Forschung lassen sich mehrere Schnittstellen zwischen beiden Bereichen finden. Dazu gehören die Fokussierung auf den tatsächlichen je nach Ort, Situation, Intention, Medium usw. variierenden Sprachgebrauch (auch aus sprachgeschichtlicher Sicht), die Erstellung und Auswertung von Korpora, situativ-funktionale und stilistisch-kontextuelle Fragestellungen, die Gegenüberstellung von Soll- und Ist-Normen sowie der Bezug auf die Prototypentheorie. Anwendungsbezüge sind vielfältig und betreffen Übersetzung(swissenschaft) inkl. innersprachlicher Adressatenorientierung (Fachsprachen und Popularisierung) und Textoptimierung, Sprachtechnologie, mutter- und fremdsprachlichen Unterricht, Sprachkultivierung usw.

Das Konzept der Tagung, zwei Forschungsrichtungen zusammenzubringen, die oft wenig Kenntnis voneinander nehmen, hat sich durchgängig bewährt, zumal es der Überwindung von Einseitigkeiten entgegenkommt, die, wie eingangs angedeutet, auch innerhalb der beiden Bereiche mitunter als solche erkannt wurden: Dazu gehört die scharfe Entgegenstellung von erstens quantitativem und qualitativem Ansatz sowie zweitens von Kommunikationsbereichen und -formen. Die verschiedenen Zugänge auf Variation(sforschung), die sich letzten Endes ohnehin nur analytisch klar unterscheiden lassen, sind im vorliegenden Band nach den jeweiligen Schwerpunkten geordnet.

Im ersten Block geht es um Theoretische Perspektiven (K. Adamzik, S. Brommer), wobei auch disziplingeschichtliche Aspekte und die Korpuslinguistik zur Sprache kommen. Die empirischen Beiträge setzen im Prinzip bei der Variationsdimension mit der längsten Forschungstradition an: Regionale Variation (N. Bercko, M. Maselko). Gleichwohl behandeln die Aufsätze Themenfelder, die nicht gerade zum Kerngebiet der (traditionellen) Dialektologie gehören, sondern sich der (modernen) (interdisziplinären) Regionalsprachenforschung zuordnen. Zugleich kommt hier neben der mündlichen Interaktion schon die (betriebliche) Internetkommunikation in den Blick, der der dritte Teil, Variation in Internet-Auftritten, gewidmet ist (E. Gredel, A. Alghisi). Der erste Beitrag dieses Themenbereichs weist auf die substandardliche Dimension zurück, während der zweite überleitet zu institutionellen Kontexten, die im Vordergrund der nächsten Sektion stehen. Hier kommt auch die diachrone Perspektive ins Spiel: Historische Variation in institutionellen Kontexten (B. Lindner, F. Markewitz). Dies führt wiederum auf theoretische Fragestellungen zurück. Der abschließende Block befasst sich mit sprachlichen Phänomenen im grammatischen Bereich: Variation bei einzelnen sprachlichen Kategorien (A. Vieregge, D. M. Helsper). Die beiden Beiträge erweitern das thematische Spektrum nochmals, und zwar um aktuellen Sprachwandel und Normativität sowie didaktische Potenzen der Variationsforschung.

Es hat sich ergeben, dass in diesem Band (anders als auf der Tagung) ausschließlich der deutsche Sprachraum thematisiert wird. Bei der Folgeveranstaltung VARIATIONist Linguistics meets CONTACT Linguistics (20.–23. Mai 2018) trafen Forscherinnen und Forscher sowie Forschungsprojekte zu unterschiedlichsten Sprach(varietät)en zusammen. Hierzu ist ein thematischer Band geplant, der 2019 erscheinen soll (hg. von M. Maselko und A. N. Lenz).

Sowohl Vorschläge für Präsentationen als auch die diese erweiternden Aufsätze unterlagen einem double-blind review und wurden jeweils von zwei einschlägigen Expertinnen und Experten begutachtet. Dem wissenschaftlichen Komitee gehörten außer den Veranstaltenden die folgenden Personen an:

  • Noah Bubenhofer (Universität Zürich, Schweiz)

  • Helen Christen (Universität Freiburg, Schweiz)

  • Christian Efing (Bergische Universität Wuppertal, Deutschland)

  • Nicole Eller-Wildfeuer (Universität Regensburg, Deutschland)

  • Daniel Elmiger...

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