Auf der einen Seite weiß jeder, was „die Jugend“ bzw. „das Jugendalter“ ist, da jeder diese Zeit selbst erlebt hat und als markante Phase des eigenen Lebens in Erinnerung haben wird. Auf der anderen Seite tun sich die Sozialwissenschaften schwer, genau zu definieren, was im Kern die Besonderheit dieses außergewöhnlichen Lebensabschnitts ist.
Diskussionen über „die Jugend“ und vor allem Jugendprobleme aller Art gehören seit langem zum Alltagsdiskurs, deutlich wird dies nicht zuletzt z.B. an dem gesteigerten Interesse der deutschen Print-, Rundfunk- und Fernsehmedien, welche in regelmäßigen Abständen das Thema Jugend aufgreifen und meist einseitig beleuchtet publizieren (bspw.: Spiegel: 2001, S. 116).
Differenzierter versucht die Fachliteratur das Problem des Jugendalters auf den Punkt zu bringen: „Die ganze Jugend ist ein einziges großes Fadensuchen“ (Göppel, R. 2005 S. 3) so Göppel in seinem Buch „Das Jugendalter“. Die Geschichte der Theorien über Besonderheiten des Jugendalters und ihre möglichen Ursachen können jedoch ebenso als „Fadensuchen“ oder als großes Knäuel vieler Fäden von unterschiedlichen Erklärungen, Beschreibungen und Deutungen dargestellt werden. So ist es nicht verwunderlich, dass der Begriff Jugend in den verschiedenen Sozialwissenschaften und auch in den einzelnen Forschungsrichtungen eines Wissenschaftszweiges oft nicht eindeutig definiert und nicht immer präzise beschrieben wird.
Es existieren also unterschiedliche Definitionen der verschiedenen Altersstufen, die sich im Laufe der Zeit immer wieder geändert und verschoben haben (vgl. Stangl, W.: 2006a).
Eine Jugend- oder Adoleszenzphase hat es in der Vergangenheit für heranwachsende Menschen nicht immer und überall gegeben. Ebenso wie ihr nicht immer ein Eigenwert zugestanden wurde.
„Das Jugendalter gibt es als eigenständige Phase der Entwicklung des Menschen etwa seit der Zeit der Industrialisierung zu Beginn des letzten Jahrhunderts“ (Stangl, W.: 2006a). Die bis zu diesem Zeitpunkt übliche Kinderarbeit und oftmals unqualifizierte Arbeit vieler Erwachsener wurde ersetzt durch eine systematische Ausbildung der Fähigkeiten und Fertigkeiten von Jugendlichen und - damit einhergehend - auch der Einführung einer allgemeinen flächendeckenden Schulpflicht sowie einer berufsschulischen Ausbildung.
Vor dem 19. Jahrhundert gab es praktisch keine eigenständige anerkannte Periode des Jugendalters (Stangl, W.: 2006a).
Nach heutigem Verständnis umfasst die Phase der Pubertät jenen Zeitraum, in dem junge Menschen besonders einschneidende biologische sowie physiologische Veränderungen durchmachen und mit ihnen korrelierende psychische und soziale Entwicklungen beginnen. Dabei handelt es sich meist um eine längere und differenzierte Phase mit zeitlich offenen Grenzen nach oben und unten.
Wird die Pubertät also als heterogene und kontingente Lebensphase begriffen, so ist es kaum möglich, sie mit Hinweis auf ein bestimmtes Lebensalter absolut zu definieren.
Aus soziologischer Sicht herrscht in der Frage des Übergangs vom Status Kind zum Status Jugendlicher zum Status Erwachsener weitgehend Einigkeit: Der Übergangsprozess vom Status Kind zum Jugendlichen ist auf keinen festen Zeitpunkt nach biologischem Alter festzulegen. Üblicherweise beginnt dieser Prozess in unserem Kulturkreis jedoch im Alter von 12 bis 14 Jahren, wenn die erste soziale Ablösung von den Eltern zugunsten von Gruppen Gleichaltriger beginnt, welche dann mit der Selbstbestimmung der Sozialkontakte einhergeht.
Der Statuswechsel vom Jugendlichen zum Erwachsenen kann aus soziologischer Sicht ebenfalls nicht am biologischen Alter festgemacht werden. „Der Übergang in den Erwachsenenstatus gilt dann als vollzogen, wenn in den zentralen gesellschaftlichen Positionen die volle Selbstständigkeit als Gesellschaftsmitglied erreicht ist“ (Hurrelmann, K. 1997 S. 42).
Folgende Bereiche der Erwachsenenrolle müssen erlernt und vollzogen sein, damit sich der Statuswechsel vom Jugendlichen zum Erwachsenen vollziehen kann:
1. das Erlernen von intellektuellen und sozialen Kompetenzen, um die berufliche Rolle ausüben zu können, einschließlich der Rolle als ökonomisch selbstständig Handelnder,
2. die Entwicklung der eigenen Geschlechtsrolle und des sozialen Verhaltens zu Gleichaltrigen, um die partnerschaftliche Rolle, einschließlich der als eigenverantwortlicher Familiengründer, übernehmen zu können.
3. die Entwicklung von Handlungsmustern für den Freizeit- und Konsumbereich, um der Rolle als Kulturbürger, einschließlich der selbstständigen, vernünftigen Teilhabe unter Marktbedingungen als Konsument gerecht zu werden,
4. die Entwicklung eines eigenen Wert- und Normensystems, sowie eines ethischen und politischen Bewusstseins, um der Rolle als politischer Bürger, also bspw. Träger einer öffentlichen Verantwortung, gewachsen zu sein.
Sind diese Handlungssektoren von dem Jugendlichen erlernt und hat er sich diese Kompetenzen und Fähigkeiten zueigen gemacht, ist der Übergang vom Jugendlichen zum Erwachsenen aus soziologischer Sicht vollzogen (vgl. Lange, E.: 2004 S. 23ff).
Um Rechtsansprüche und institutionelle Verpflichtungen regeln zu können, sind klare begriffliche Abgrenzungen für die Handhabbarkeit von Gesetzestexten erforderlich, auch wenn diese nichts über die körperliche oder seelische Reife eines Menschen aussagen, da diese wie beschrieben in der Adoleszenzphase sehr unterschiedlich ausfallen können.
Das SGB VIII legt sich im Rahmen seiner Begriffsbestimmung folgendermaßen fest:
„Nach §7 SGB VIII im Sinne des Buches ist:
1. Kind, wer noch nicht 14 Jahre alt ist…
2. Jugendlicher, wer 14, aber noch keine 18 Jahre alt ist,
3. junger Volljähriger, wer 18, aber noch nicht 27 Jahre alt ist,
4. junger Mensch, wer noch nicht 27 Jahre alt ist“ (Stascheid, U.: 2006 §7 110).
In §1 des JuSchG wird die Definition des SGB VIII §7 Abs. 1 und 2 wiederholt (vgl.: Stascheid, U.: 2006 §1 111).
Das StGB schützt das Kind in §19 StGB mit der Schuldunfähigkeit, solange das 14. Lebensjahr noch nicht erreicht ist. Ab dem 14. Lebensjahr benennt §§ 1,3 JGG:
§1 JGG Abs. 2: „Jugendlich ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist“.
§3 JGG Verantwortlichkeit: „Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“.
(Stascheid, U.: 2006 §§1,3 231).
Das BGB dagegen benennt in §1 BGB den Beginn der Rechtsfähigkeit, in §2 BGB den Eintritt in die Volljährigkeit und in §104 die Geschäftsunfähigkeit eines unter 7jährigen sowie in §106 die beschränkte Geschäftsfähigkeit vom 7. bis zum 18. Lebensjahr (BGB, 2006 S. 8, 23, 24). So gesehen kennt das BGB den Beginn der Rechtsfähigkeit mit der Geburt, und den Zeitraum bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs als aufgrund des Alters zu schützende Lebensphase. Die folgende Tabelle soll Lebensalter und Rechtsposition verdeutlichen:
Tabelle 3.1: Lebensalter und Rechtsposition
(vgl. Hurrelmann, K. 1997 S. 44f)
Auch wenn diese Aufstellung der Rechtspositionen junger Menschen hilfreich bei der Eingrenzung des Begriffs Jugend ist, kann trotz ihrer Detailliertheit nichts Verbindliches über den Entwicklungsstand eines Einzelnen ausgesagt werden.
Um im Rahmen dieser Diplomarbeit eine eigene Definition und klare Altersabschnitte junger Menschen erklären zu können, ist es sinnvoll, den Begriff Jugend weiterhin in der Fachliteratur anzusehen, zumal sich dieser in den vergangenen Jahren immer wieder gewandelt hat.
Während die erste Shell Jugendstudie aus dem Jahr 1953 den Titel „Jugend zwischen 15 und 24“ trug, untersuchte die gleiche Studie 2002 die Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren (vgl.: Hurrelmann, K. 2002 S. 31f). In dieser, wie auch in der nachfolgenden Studie wird darauf verwiesen, dass sich besonders die Ausbildungszeiten in den vergangenen Jahrzehnten für junge Menschen deutlich verlängert haben, wodurch ein Verschieben der Altersgrenzen bei dem Erstellen repräsentativer Studien nötig wurde. So werden bspw. in der Jugendstudie von Zinnecker aus dem Jahr 2001 mit dem Titel „null zoff & voll busy“ junge Menschen im Alter von 10 - 18 Jahren befragt (vgl. Zinnecker, J. 2003).
Baacke hat mit seinem Buch „Die 13 -...