Der Begriff der „Leistung“ ist in nahezu jedem Lebensbereich mit unterschiedlichen Zuschreibungen allgegenwärtig und wird in der Literatur und in der öffentlichen Diskussion in Bezug auf Schule kontrovers und mehrdeutig definiert, sodass hier nur wesentliche Aspekte dargestellt werden können.[5]
Gleiches gelte in der Literatur für den Begriff der „Schulleistung“, da dort ebenfalls keine einheitliche Definition vorhanden sei und er „demnach in der Praxis auch nicht einheitlich verwendet werden kann“ (Sauer & Gamsjäger, 1996, S. 70). Die mit dieser Problematik einhergehenden Zusammenhänge und Diskussionen, insbesondere auch bezüglich des Problems des pädagogischen und gesellschaftlichen Leistungsbegriffes, werden an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft (Aspekte dazu siehe u.a. Sauer & Gamsjäger (1996) sowie Ziegenspeck (1999)).
Nach von Saldern (1999, S. 9) wird der Leistungsbegriff zum Beispiel in Schulordnungen und Verwaltungsvorschriften relativ offen gelassen, „denn Schulleistung kann außerordentlich heterogen definiert werden: Es können Leistungen einzelner Schüler oder ganzer Schulklassen sein, es kann sich um prozedurales oder deklaratives Wissen handeln … (sowie; Vf.) um fachliches oder übergreifendes Wissen“. Weinert (2002b, S. 85) fragt in einem Aufsatz bereits in der Überschrift danach, ob Schulleistungen Leistungen der Schülerinnen und Schüler oder der Schule selbst sind und kommt zu dem Schluss, dass Schulleistungen „stets Leistungen der Schüler (sind; Vf.), die durch die Schule begünstigt oder erschwert werden“. D. h., dass sowohl die Schulkinder als auch die Schule gemeinsam die Schulleistungen und damit einhergehend auch deren Unterschiede bestimmen, wobei die Schule verantwortlich für die Schaffung entsprechender Lernangebote sei (Weinert, 2002b, S. 78). Zu berücksichtigen sei allerdings, dass diese Interaktion nicht nur ausschlaggebend für die Leistung eines Individuums ist, da Letztere eine „aktive menschliche Verarbeitung des Angebots und die individuelle Konstruktion von Bedeutung (ist; Vf.), die sich in der handelnden Auseinandersetzung mit der sozialen oder natürlichen Umwelt, vor allem aber im Umgang mit Symbolsystemen, vollzieht“ (Baumert, 2006, S. 40). Daher sei Schulleistung ein Persönlichkeitsmerkmal, dass bei jedem Individuum anders ausgeprägt ist (Heller & Hany, 2002, S. 89) – insbesondere, weil „das Leistungsniveau ... stärker von den bereits erworbenen Vorkenntnissen als vom aktuellen Unterrichtsgeschehen ab(hängt)“ (Weinert, 2002c, S. 361f).
Ein Verständnis von Leistung im schulischen Bereich sollte nicht nur die fachbezogene Perspektive oder das Endprodukt einer Leistung, was sich in der Regel in einer Zeugnisnote widerspiegelt, berücksichtigen, sondern insbesondere die vorausgehenden und zum Produkt gehörigen Lernprozesse sowie alle erdenklichen Leistungen, die von einem Kind im Zusammenhang mit der Schule erbracht werden (Sauer & Gamsjäger, 1996, S. 66). „Die kognitive Komponente schließt Aneignung von Wissen, Fähigkeiten, bestimmten Fertigkeiten oder Erkenntnissen mit ein, die soziale und emotionale Komponente macht deutlich, dass Lernen nicht losgelöst stattfindet“ (ISB, 2005, S. 34). Würde der Prozess als dynamische und das Produkt als statische Komponente für gleichwertig erachtet, dann werde der „Mehrdimensionalität des Begriffes Schulleistung“ (Sauer & Gamsjäger, 1996, S. 70) Rechnung getragen.
Folgendes zusammenfassendes Zitat soll die Darstellungen zur Begriffsbestimmungen abrunden:
Schulleistung im Sinne von beobachtbarem Schulleistungsverhalten wird verstanden als die einem gesellschaftlichen Auftrag folgende, durch die Institution Schule initiierte, sich in Prozeß und Produktmerkmal aufgliedernde, von Unterrichtsmaßnahmen (Lehrer), von Interaktionen (Lehrer-Schüler, Schüler-Schüler, Eltern-Schüler) und von persönlichen Aktivitäten und verschiedenen Fähigkeiten (Schüler) getragene Lernleistung eines Schülers, die nach unterschiedlichen Normen (individuelle, gruppenbezogen oder lehrziel- bzw. kriteriumsorientiert) bewertet werden kann (Sauer & Gamsjäger, 1996, S. 73).
Zwar würden in der Fachliteratur und im Schulalltag die Begriffe Leistungsfeststellung, Leistungsbewertung und Leistungsmessung für die Ermittlung und Benotung einzelner Schülerleistungen parallel verwendet (ISB, 2005, S.35). Da zwischen ihnen jedoch Bedeutungsunterschiede bestehen, werden sie im Folgenden gegeneinander abgegrenzt.
Mit Verfahren der Leistungsmessung, wie beispielsweise mündlichen und schriftlichen Leistungskontrollen, Klassenarbeiten oder Klausuren, findet eine Kontrolle des Lernerfolges bzw. des Lern- und Leistungszuwachses bei den Schülerinnen und Schülern statt. Schulische Leistungsmessungen sollten aber auch feststellen, „welchen Umfang, welches Niveau und welche Qualität an Wissen, Fertigkeiten, Einsichten, Werthaltungen, Kompetenzen etc. ein Schüler in einem bestimmten Sach- oder Lebensbereich erworben hat“ (Heller & Hany, 2002, S. 89). Diese Vorgänge „sind an rechtliche Grundlagen und Rahmenvorgaben gebunden, wie sie im Schulgesetz, in Schulordnungen, Lehrplänen, Bildungsstandards und Beschlüssen der Kultusministerkonferenz verankert sind“ (Comenius-Institut, 2005, S. 3). Daraus werde ersichtlich, wie komplex ein Messvorgang ist, bei dem der Lehrer die Aufgabe habe, „die Ergebnisse der Leistungsmessung zu bewerten“ (Ziegenspeck, 1999, S. 130). Neben dem Messcharakter komme der Leistungsmessung aber auch gleichzeitig die Funktion von „Belohnung und/oder Strafe“ (von Saldern, 1999, S. 163) zu.
„‚Leistungserhebung’ und ‚Leistungsfeststellung’ werden synonym verwandt und fokussieren eher den Akt des Festhaltens, des Feststellens von Schülerleistungen (im Sinne einer; Vf.) Dokumentation“ (ISB, 2005, S. 35), d.h. es wird festgestellt, was eine Schülerin bzw. ein Schüler tatsächlich beherrscht und was nicht. Dieser Vorgang müsse nach von Saldern (1999, S. 190ff) ebenso als Prozess mit mehreren Phasen gesehen werden wie die „Leistungsbeurteilung“ bzw. „Leistungsbewertung“. Die Leistungsfeststellung solle über die Leistungen der Schülerinnen und Schüler vor allem objektive Angaben machen, wobei jedoch die Gefahr bestünde, dass „Effekte erzielt würden, die man eigentlich gar nicht will, weil sie z.B. kontraproduktiv sind“ (von Saldern, 1999, S. 163).
Diese beiden Begriffe der Leistungsbeurteilung und Leistungsbewertung würden in der Literatur ebenfalls vermischt, wobei sie an dieser Stelle insofern abgegrenzt werden sollen, dass „Bewertung das Einordnen in einen Bewertungsmaßstab ist, Beurteilung hingegen … die Einordnung in einen größeren Zusammenhang“ (von Saldern, 1999, S. 176). Die Bewertung liefere also Aussagen darüber, wie die festgestellte Leistung in Bezug auf das Lehrziel oder andere Kriterien einzuordnen ist. „Grundlage der Leistungsbewertung in einem Unterrichtsfach sind alle von einem Schüler in einem Unterrichtsfach erbrachten Leistungen (schriftliche, mündliche und praktische Leistungen)“ (KMK, 1983, S. 4).
Im Kreislauf des ständigen Beobachtens und Beurteilens von Schülerleistungen setze sich die gesamte Leistungsfähigkeit aus vielen Einzelleistungen zusammen (von Saldern, 1999, S. 177), wobei die die Beurteilung an sich seitens der Lehrperson von unterschiedlichen Faktoren beeinflusst werden könne (wie eine Leistungsbeurteilung im Alltag aussehen kann und was dabei alles von Bedeutung ist, beschreiben u.a. Schrader & Helmke, 2002, S. 45-58).
Schülerleistungen werden in Form einer Note (ab Ende Klasse 2) oder eines Berichts (Klasse 1 und 2) von der Lehrkraft bewertet, was sich letztendlich in Aussagen über die zukünftige Entwicklung des Kindes bzw. in „Empfehlungen für die weitere Schullaufbahn“ (ISB, 2005, S. 35) niederschlage. Bewertungen fänden immer in Bezug auf Normen statt (siehe Kapitel 3.3) und gäben sowohl der Lehrperson und den Eltern als auch dem einzelnen Schulkind Rückmeldung bezüglich seines Lernfortschrittes und seinem individuellen Leistungsstand. Darüber hinaus diene sie „der Lehrkraft als Orientierungshilfe und als Qualitätsindikator ihres Unterrichts“ (ISB, 2005, S. 36), vor deren Hintergrund Maßnahmen für individuelle Förderungen getroffen werden könnten. Weitere Funktionen der Leistungsfeststellung und Leistungsbewertung seien zudem, dass sie „die Methoden- und Sozialkompetenz von Schülerinnen und Schülern berücksichtigen und fördern (sowie; Vf.) die Beiträge des einzelnen für die Gruppe angemessen berücksichtigen“ (von Saldern, 1999, S. 219). Keinesfalls sollten sie als „Disziplinierungsmittel“ (von Saldern, 1999, S. 219) verwendet werden.
Um Leistungen zu messen und zu bewerten, bedürfe es sowohl entsprechender Standards bzw. Vergleichsmaßstäbe, wozu ein spezifisches Leistungsergebnis in Relation gesetzt werden kann, als auch Gütekriterien, nach denen sich die Bewertung oder ein Testverfahren richtet, damit Leistungsmessungen „testtheoretisch fundiert“ (ISB, 2005, S. 35)...