Wegen seiner Bedeutungsvielfalt führt die Wissenschaft einen auf breiter Basis angelegten Meinungsaustausch über das Phänomen Korruption. Semantisch lässt sich der Begriff auf das lateinische Verb corrumpere zurückführen, das Bestechlichkeit, Verderbtheit oder Sitten-verfall beschreibt.[5]
Je nach Wissenschaft wird der Begriff unterschiedlich definiert. Neben den Wirtschaftswissenschaften gibt es Definitionsversuche u. a. aus der Soziologie, den Rechts-wissenschaften, der Politologie, der Kriminologie und nicht zuletzt aus der Theologie.[6]
Unter anderem wird Korruption als „Missbrauch von anvertrauter Macht zum privatem Nutzen oder Vorteil“[7] beschrieben. Es sind all diejenigen korrupt, „die sich auf Kosten des Gemeinwohls eigene Vorteile verschaffen“[8]. An anderer Stelle heißt es: „Privatwirtschaftliche Korruption liegt vor, wenn Angestellte oder Beauftragte eines Unternehmens im Zusammen-spiel mit anderen Unternehmen der Korruption verfallen“[9].
Die Fülle an Erklärungsmöglichkeiten sowie die Breite der betroffenen Bereiche machen deutlich, dass Korruption kein klar abgegrenzter Begriff ist. Erschwert wird die Begriffs-bestimmung auch dadurch, dass keine einheitliche Legaldefinition existiert.[10]
Für die vorliegende Arbeit wird der Korruptionsbegriff aus juristischer und ökonomischer Sicht betrachtet, d. h. er wird sowohl für strafbare Tatbestände als auch für ethisch und moralisch verwerfliche Sachverhalte verwendet.[11] Korruption im rechtlichen Sinne steht für eine Vielzahl von Delikten. Diese reichen von Bestechung und Betrug über Untreue, Vorteilsannahme und -gewährung bis hin zu unlauterem Wettbewerb und nicht eindeutig geregelten Grenzfällen, wie z. B. mehrfachen Beschenkungen zum sogenannten Anfüttern.[12]
Die wirtschaftsethische Perspektive setzt sich anstelle der Dimensionen Recht und Legalität mit den Dimensionen Moral und Legitimität auseinander.[13] Korruption kann als Teil der Schattenwirtschaft betrachtet werden, welcher keine wertschöpfenden Prozesse (profit-seeking) auslöst, sondern lediglich für unproduktive Umverteilung (rent-seeking) sorgt.[14] Dem ökonomischen Definitionsansatz zufolge liegt Korruption dann vor, wenn es zu einer nicht legalen Tauschhandlung zwischen Klient (Vorteilsgeber) und Agent (Vorteilsnehmer) kommt. Der Agent verhält sich in diesem Fall normwidrig gegenüber seinem Prinzipal, indem er Geld oder Sachleistungen von einem Klienten annimmt, welcher sich davon wiederum Vorteile durch den Agenten im geschäftlichen Kontakt verspricht.[15] Der Tausch findet zu Lasten des Agenten-Prinzipals (Auftraggeber) statt. Ihm und seinem Wettbewerber entsteht infolgedessen ein wirtschaftlicher Schaden,[16] während Klient und Agent ihre eigene Wohlfahrt maximieren. Abbildung 1 stellt diese Beziehungen im Prinzipal-Agenten-Klienten-Modell dar.
Abschließend lässt sich der Begriff der Korruption als illegaler und freiwilliger Tausch unter Geheimhaltung zusammenfassen, der durch Missbrauch einer Machtposition entsteht und negative externe Effekte verursacht.
Abbildung 1: Beziehungen im Prinzipal-Agenten-Klienten-Modell
Quelle: in Anlehnung an Stierle, J. (2008), S. 126, S. 167.
Korruption kann auftreten, wenn Klient und Agent ein individuelles Interesse an zusätzlichem Wohlstand oder Macht haben. Verspricht sich der Klient einen höheren Ertrag, wird er versuchen, den Agenten zu bestechen, welcher durch die Zuwendung für sich ebenfalls einen Vorteil in der Handlung sieht. Dabei erscheint aus Sicht der Beteiligten der Schaden für Dritte nur minimal.
Ursachen für Korruption können systemimmanent sein und auf Fehlentwicklungen im Unternehmen hindeuten, die für Agenten und Klienten korruptionsbegünstigende Voraussetzungen schaffen.[17] Wo Kontroll- und Überwachungsmechanismen fehlen, ist Korruption besonders gängig.[18] Der dadurch vergrößerte Ermessens- und Handlungsspielraum erleichtert es dem Agenten, eine korrupte Transaktion durchzuführen. Ebenso sinkt bei geringerer Überwachung die subjektive Wahrscheinlichkeit des Erkennens und Aufdeckens einer Tat durch ein Korruptionscontrolling.[19] Sofern Präventionen unzureichend sind und Korruption nicht ausreichend verfolgt wird, steigen die Anreize, Korruption zu begehen.[20] Eventuelle Sanktionen im Falle der Aufdeckung fallen in der Regel nicht hoch genug aus, um eine abschreckende Wirkung zu entfalten. Demnach kommt der mangelhaften Ausgestaltung und Durchsetzung der Rahmenordnung im Unternehmen für das Entstehen von Korruption eine große Bedeutung zu.[21] Grundsätzlich können Schwachstellen in der Personal- und Beschaffungspolitik, fehlende sachgerechte Organisation sowie mangelnde Dienstaufsicht als unternehmensinterne Ursachen angeführt werden.[22] Ferner fördern ein fehlendes Unternehmensleitbild und steigender Wettbewerbsdruck diese Vorgehensweise.[23] Auch unternehmensexterne Einflüsse können Korruption bewirken. Allerdings sind diese von einem Korruptionscontroller[24] im Unternehmen kaum zu beeinflussen. Um sie messen zu können, müssen die Rahmenbedingungen der Korruptionscontrolling-Politik an die Umweltfaktoren angepasst werden, welche die Korruptionsneigung der Agenten und Klienten begünstigen.[25] Ein externer Faktor kann der Wertewandel in der Gesellschaft sein – wie z. B. der Trend von sinkenden Pflicht- und Akzeptanzwerten hin zu steigender Selbstentfaltung.[26] Auch die Überregulierung und Intransparenz im öffentlichen Sektor steigert als unternehmensexterner Faktor die Neigung, staatliche Auflagen zu umgehen und zu beeinflussen.[27] So findet Korruption z. B. auch deshalb statt, weil aufgrund der Intransparenz Normen und Gesetze oft gar nicht bekannt sind oder von den beteiligten Akteuren nicht verstanden wurden.[28]
Um Voraussetzungen für das Entstehen von Korruption zu erläutern, kann als Erklärungs-ansatz das sogenannte Fraud Triangle herangezogen werden, welches in Abbildung 2 dargestellt ist. Demnach besteht ein erhöhtes Risiko für eine wirtschaftskriminelle Tätigkeit, wenn die in einem interaktiven und dynamischen Verhältnis zueinander stehenden Faktoren Gelegenheit, Anreiz und innere Einstellung kumulativ auftreten. Diese können neben einem finanziellen Problem beispielsweise aus fehlender Kontrolle oder zu hohen Erwartungen Dritter hervorgehen. Eine korrupte Tat wird ebenso begünstigt, wenn der Täter sein Verhalten vor sich selbst rechtfertigen und somit sein schlechtes Gewissen kompensieren kann.[29]
Abbildung 2: Fraud Triangle
Quelle: in Anlehnung an Reißig-Thust, S.; Weber, J. (2011), S. 16.
Korruption kann in verschiedenen Formen auftreten und beispielsweise in Bestechung, Betrug, Unterschlagung, Vorteilsnahme oder Erpressung bestehen. So können Gelder oder Sachmittel veruntreut oder Entscheidungen beeinflusst werden. Empirisch ist Bestechung die am häufigsten auftretende Form von Korruption in Wirtschaftsunternehmen.[30] Während dem Agenten oft Bargeld und Sachzuwendungen zufließen, erlangt der Klient im Gegenzug Aufträge und Wettbewerbsvorteile.[31] Besonders wenn Wettbewerber über die bessere Technologie oder niedrigere Preise verfügen, sehen Unternehmen in Schmiergeldzahlungen eine effektive Methode, um Aufträge zu erlangen. [32]
Darüber hinaus lassen sich unterschiedliche korrupte Verhaltensweisen darstellen. Eine situative korrupte Handlung wird spontan begangen und ist nicht geplant oder vorbereitet.[33] Dagegen erfolgt eine strukturelle Korruption planmäßig und dauerhaft innerhalb eines größeren Beteiligtenkreises[34] und höherer Bestechungsleistung, wie z. B. der Vergabe von öffentlichen Aufträgen.[35] Charakteristisch für korrupte Netzwerke ist die systematisch betriebene und zur Geschäftspolitik gehörende Korruption. Solche Unternehmen üben Wirtschaftskriminalität organisiert und strukturiert aus, um Aufträge zu akquirieren und abzuwickeln. Beteiligt sind langfristig eine Vielzahl von Personen auf Geber- und Nehmerseite. Verhaltensweisen und Korruptionsbeziehungen in diesen Netzwerken werden von den Nachfolgepersonen übernommen.[36]
Der Schwerpunkt der polizeilich bekannt gewordenen korrupten Straftaten...