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E-Book

Verhaltenstraining in der Grundschule

Ein Programm zur Förderung emotionaler und sozialer Kompetenzen

AutorFranz Petermann, Nandoli von Marées, Ulrike Petermann, Ute Koglin
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl286 Seiten
ISBN9783844429312
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis35,99 EUR
Das Verhaltenstraining in der Grundschule stellt ein altersgerecht gestaltetes Präventionsprogramm zur gezielten Förderung der emotionalen und sozialen Kompetenz sowie der moralischen Entwicklung von Grundschulkindern dar. Es wurde speziell für Kinder in der 3. und 4. Klasse der Grundschule entwickelt und umfasst 26 Einheiten. Es kann in inklusiven und exklusiven Schulsettings mit Klassen und kleineren Gruppen durch Lehrkräfte (Regelschullehrkräfte und Lehrkräfte für Sonderpädagogik) oder an anderen pädagogischen Einrichtungen durch pädagogische Fachkräfte durchgeführt werden. Zunächst lernen die Kinder, ihre eigenen Gefühle und die Gefühle anderer besser wahrzunehmen und zu verstehen. Zudem üben sie, wie unangenehme Gefühle (z.B. Wut) angemessen bewältigt werden können. In der nächsten Stufe lernen die Kinder eine eigenständige Konfliktbewältigung mittels eines Problemlöseplans und anhand von praktischen Übungen zur sozialen Kompetenz. In der abschließenden Trainingsstufe werden die Kinder beim Aufbau von Wertmaßstäben im Hinblick auf Fairness, Selbstverantwortung und Zivilcourage unterstützt, der Aufbau prosozialen Verhaltens wird systematisch gefördert. Die Stärken des Programms liegen in der wissenschaftlichen Fundierung der Trainingsinhalte und der motivierenden Gestaltung des umfangreichen Trainingsmaterials, wie zum Beispiel dem spannenden Hörspiel 'Abenteuer auf Duesternbrook', in dem vier Kinder eine geheimnisumwitterte Burg erkunden. Die Neubearbeitung berücksichtigt aktuelle Forschungsergebnisse zu sozialen und emotionalen Kompetenzen sowie die Anwendung des Programms in inklusiven Bildungssystemen. Die vielfältigen Arbeitsmaterialien des Programms sind auf der beigelegten DVD verfügbar.

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Leseprobe

|18|2 Trainingsbereich: Emotionale Kompetenz


Emotionen werden als Gefühlszustände beschrieben, die mit physiologischen Reaktionen, wie etwa dem Erröten bei Scham, und Kognitionen, wie zum Beispiel dem Gedanken an ein eigenes Fehlverhalten, einhergehen (vgl. Dalgleish & Power, 1999; Petermann & Wiedebusch, 2016; Zins & Elias, 2006). Sie prägen unser Verhalten und spielen eine bedeutsame Rolle für unsere zwischenmenschlichen Beziehungen. So können uns Emotionen (Ängste) vor Gefahren warnen und geeignete Verhaltensweisen auslösen (z. B. Flucht bei der Begegnung mit einem Tiger) und damit unseren Fortbestand sichern.

Wir unterscheiden zwischen primären und selbstbezogenen, sekundären Emotionen (Petermann & Wiedebusch, 2016). Zu den primären Emotionen zählen Ekel, Überraschung, Freude, Angst, Trauer und Ärger. Diese Emotionen werden von Säuglingen bereits im Laufe des ersten Lebensjahrs gezeigt. Insbesondere der mimische Ausdruck dieser Emotionen gilt als universell und kulturübergreifend. Als selbstbezogene oder sekundäre Emotionen werden zum Beispiel Stolz, Scham und Schuld bezeichnet. Sekundäre Emotionen können bei Kindern frühestens ab der Mitte des zweiten Lebensjahres beobachtet werden, da das Erleben dieser Emotionen bestimmte kognitive Fertigkeiten voraussetzt, die sich erst im Laufe der Kindheit herausbilden. Bevor ein Kind beispielsweise ein Gefühl wie Scham erleben kann, muss es zumindest ein basales Bewusstsein über sich selbst entwickelt sowie soziale Normen und Verhaltensstandards verinnerlicht haben.

Wenngleich die grundsätzliche Bedeutsamkeit von Emotionen für unser Leben als unbestritten galt, wurde erst in jüngerer Zeit wieder der Umgang mit Emotionen und seine Beziehung zu Sozialverhalten oder etwa der psychischen Gesundheit genauer untersucht. In diesem Zusammenhang wurde der Begriff der emotionalen Kompetenz geprägt.

2.1 Was versteht man unter emotionaler Kompetenz?


Im Laufe der vergangenen Jahre wurden verschiedene Konzepte von emotionaler Kompetenz bei Kindern und Jugendlichen diskutiert. Ein vielfach beachtetes Konzept legte Saarni (1999, 2002) vor. In diesem Konzept werden emotionale Kom|19|petenzen vor allem im Hinblick auf ihre Funktion im Rahmen sozialer Beziehungen betrachtet. Anhand ihres Ansatzes gelten Kinder als emotional kompetent, wenn sie emotionale Fertigkeiten in sozialen Beziehungen anwenden und sich dessen bewusst sind, welchen Nutzen die Verwendung emotionaler Fertigkeiten mit sich bringt (emotionale Selbstwirksamkeit). Man kann also von emotionaler Selbstwirksamkeit sprechen, wenn:

  • Kinder sich dessen bewusst sind, dass ihr eigener Emotionsausdruck ihre Mitmenschen beeinflussen kann, und

  • sie gelernt haben, ihr emotionsbezogenes Verhalten zu steuern, um gewünschte Reaktionen bei anderen hervorzurufen.

Im Rahmen ihres Konzeptes zur emotionalen Kompetenz beschreibt Saarni acht emotionale Schlüsselfertigkeiten, die Kinder in sozialen Beziehungen erlernen und die stark von familiären und kulturellen Einflüssen geprägt sind (s. Kasten 1).

  1. Die eigenen Gefühle erkennen,

  2. die Gefühle anderer erkennen und verstehen,

  3. die Fähigkeit, altersangemessenes Emotionsvokabular verstehen und einsetzen zu können,

  4. sich in andere einfühlen können,

  5. wissen, dass Gefühlserleben und Gefühlsausdruck unterschiedlich sein können,

  6. mit belastenden Emotionen und Problemsituationen angemessen umgehen können,

  7. wissen, dass soziale Beziehungen durch emotionale Kommunikation mitgeprägt werden,

  8. emotionales Selbstwirksamkeitserleben.

Die Zusammenstellung dieser Schlüsselfertigkeiten erfolgte anhand von empirischen Befunden, nicht nach einem theoretischen Erklärungsmodell, sodass es über die genannten emotionalen Fertigkeiten hinaus weitere geben mag, durch die Saarnis Konzept ergänzt werden kann. Die Entwicklung dieser Fertigkeiten kann nach Saarni nur in sozialen Beziehungen gelingen, das heißt, in den Beziehungen der Kinder zu ihren Eltern, zu Gleichaltrigen oder auch Lehrkräften.

Eltern, jedoch später auch anderen Bezugspersonen, kommt in der emotionalen Entwicklung von Kindern eine wichtige Funktion zu. Sie stellen sowohl im Hinblick auf die Darbietung als auch die Bewertung von Emotionen wichtige Vorbilder für ihre Kinder dar. Kinder imitieren die emotionalen Ausdrucksweisen und orientieren sich an den Bewertungen ihrer Eltern. Durch ihre Reaktionen auf kindliche Emotionsäußerungen verdeutlichen Eltern ihren Kindern, wie angemessen ein geäußertes Gefühl ist und helfen ihrem Kind dabei, Emotionen zu |20|regulieren. So werden Eltern ihren Kindern im Grundschulalter beispielsweise verdeutlichen, dass ungezügelte Wutanfälle während des Unterrichts nicht geeignet sind, um mit Misserfolgen umzugehen. Darüber hinaus werden Eltern, die ihre Kinder kompetent im Umgang mit Emotionen „coachen“ nicht selbst bei jedem geringen Anlass in Wut ausbrechen, da sie wissen, dass Kinder ein solches Problemlöseverhalten sehr oft nachahmen. Anhand solcher Beispiele wird deutlich, dass Kinder emotionale Kompetenzen vor allem in sozialen Beziehungen erwerben (Fern & Petermann, 2018).

Saarni (2002) verknüpfte die emotionale Kompetenz auch mit der Moralentwicklung. Sie ging davon aus, dass nur derjenige über emotionale Kompetenz verfügt, der die emotionalen Fähigkeiten auf der Basis grundlegender moralischer Überzeugungen anwendet. Nutzt ein Kind die Fähigkeit, Emotionen bei anderen zu erkennen und zu manipulieren nur, um egoistische Ziele zu erreichen, ist dieses Kind nicht emotional kompetent.

Ein weiteres Konzept zur emotionalen Kompetenz wurde von Denham (1998) vorgelegt. Nach dieser Vorstellung besteht emotionale Kompetenz aus drei Hauptkomponenten: dem Emotionsausdruck, dem Emotionsverständnis und der Emotionsregulation. In diesem Konzept wird die Bedeutung eines gekonnten Umgangs mit der Darbietung von Emotionen (Emotionsausdruck) stärker betont (s. Kasten 2).

Emotionsausdruck

  • nonverbale emotionale Botschaften durch Gesten mitteilen können

  • Einfühlungsvermögen in Bezug auf die Gefühle anderer zeigen können

  • selbstbezogene Gefühle (wie etwa Scham) zeigen können

  • sozial missbilligte Gefühle (wie zum Beispiel Neid oder Wut) kontrollieren können, indem Erleben und Ausdruck entkoppelt werden

Emotionsverständnis

  • eigene Gefühle unterscheiden können

  • Gefühle anderer unterscheiden können

  • Emotionsvokabular (zum Beispiel das korrekte Benennen von Gefühlen) beim Sprechen über Gefühle einsetzen können

Emotionsregulation

  • negative Gefühle bewältigen können

  • positive Gefühle bewältigen können

  • ...
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