Wer nicht genau weiß, wohin er will, braucht sich nicht zu wundern, wenn er ganz woanders ankommt.
ROBERT F. MAGER
Nachdem Sie jetzt wissen, welche Motive Sie haben und welche Motive Ihr Verhandlungspartner hat, können Sie sich das Folgende erarbeiten:
- das Ziel,
- die Strategie,
- die Taktik.
Nehmen wir nochmals als Beispiel die bereits angeführte Geiselnahme mit dem Motiv der Anerkennung. Ein Geiselnehmer, als allein handelnder Täter, hat sich mit der Geisel in einer Wohnung verschanzt.
Ein Ziel ist ein messbares Ergebnis, das präzise festgelegt wird. Sie überlegen sich also vor der Verhandlung, was Sie erreichen möchten. Dabei ist es wichtig, sich neben dem optimalen Ziel auch ein Minimalziel zu überlegen. Fixieren Sie schriftlich, wo genau Ihre Untergrenze für die Verhandlung liegt.
Das Ziel für den Verhandlungsführer der Polizei ist, die Geisel unverletzt zu befreien und den Geiselnehmer zu verhaften.
Eine Strategie ist eine übergeordnete Leitlinie für das Vorgehen im gesamten Verhandlungsprozess, sie führt Sie von Ihren Motiven zu Ihren Zielen.
Bei der Geiselnahme bietet sich die Strategie »Zeitgewinn« an. Der Geiselnehmer ist allein, er wird spätestens am zweiten Tag der Geiselnahme sehr müde und erschöpft sein.
Die Taktik ist die konkrete Umsetzung der Strategie, es sind ihre einzelnen Aktionen.
Als konkrete Umsetzung der Strategie »Zeitgewinn« kommen alle Aktionen in Betracht, welche die Geiselnahme in die Länge ziehen. Sollte der Geiselnehmer einen Geländewagen als Fluchtwagen fordern, dann kann dem Geiselnehmer vorgetäuscht werden, dass wirklich ein Geländewagen besorgt wird. Nach Stunden wird dem Geiselnehmer dann eröffnet, dass kein Geländewagen bereit steht. Jetzt wird er wieder gefragt, welches Fahrzeug er als Ausweichmöglichkeit haben möchte.
Ausgehend von Ihrem Motiv planen Sie Ihr Ziel für die Verhandlung, dann die Leitlinie zu Ihrem Ziel – die Strategie – und anschließend die konkrete Umsetzung – die Taktik.
Die Strategie
Grundsätzlich gibt es vier Möglichkeiten der Strategieplanung:
- Druck ausüben
- Ausweichen
- Nachgeben
- Partnerschaft
Sie können zwischen vier grundsätzlichen Strategierichtungen entscheiden.
Strategie 1: Druck ausüben
Wenn Sie auf Ihren Verhandlungspartner starken Druck ausüben, wollen Sie der Sieger sein, Sie allein möchten Ihr Verhandlungsziel erreichen. Dabei ist es Ihnen egal, was mit Ihrem Verhandlungspartner passiert. Hauptsache, Sie erreichen Ihr Ziel.
Diese Strategie wenden viele an, wenn Sie glauben, gewinnen zu können. Wenn Ihr Verhandlungspartner glaubt, gewinnen zu können, dann sollten Sie sich die Frage stellen, was Sie getan haben, damit er das glauben kann!
Hier ist wichtig, zwischen der Was haben Sie
getan, damit Ihr
Verhandlungspartner
glaubt, er könne
ohne Sie gewinnen?hartnäckigen Initiative und dem Willen zum Sieg zu unterscheiden. Wer hartnäckig für seine Positionen und Motive eintritt, wird mit der Strategie des Druckausübens einen Teilerfolg auf dem Weg zu einer zufrieden stellenden Vereinbarung erreichen. Er wird Druck ausüben und gleichzeitig in anderen Gebieten nachgeben. Wenn er jedoch nur an sein Ziel denkt und dieses Ziel unbedingt durchbringen will, dann wird der andere abblocken. Wenden beide Verhandlungspartner diese Strategie an, dann kommt es zum Kampf. Jeder will gewinnen und keiner möchte etwas abgeben. Das ist dann das Ende der Verhandlung.
Strategie 2: Ausweichen
Beim Ausweichen verzichten Sie Ausweichen
heißt Konfrontationen
meidenauf eine Forderung, auf eine Kooperation und auf eine zufrieden stellende Vereinbarung. Sie fliehen vor dem Konflikt und vermeiden somit jede Auseinandersetzung mit dem Verhandlungspartner. Wie schön für ihn!
Ausweichen macht nur als Taktik Sinn, wenn Sie eine Forderung – erst einmal – ins Leere laufen lassen möchten. Sie vertagen sie damit auf einen späteren Zeitpunkt, wenn Sie glauben, dass Sie mit ihr dann besser umgehen können.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Verhandlungspartner zum jetzigen Zeitpunkt übermächtig ist, dann können Sie seine Forderung oder seinen Angriff ins Leere laufen lassen.
Ich habe diese Technik beim Jiu-Jitsu, einer japanischen Kampfsportart, erlernt. Beim Jiu-Jitsu stellen Sie sich der Kraft des Gegners nicht entgegen, sondern Sie lassen sie ins Leere laufen, indem Sie den Gegner an sich vorbei führen. Sie können ihn solange mit dieser Technik »bekämpfen«, bis er an Kraft verloren hat. Mit einem schwächeren Gegner wird der Kampf für Sie leichter. Das Kämpfen bleibt Ihnen aber nicht erspart.
Genauso ist es beim Verhandeln. Mit Ausweichen schwächen Sie einen übermächtigen Gegner solange, bis er für die Verhandlung bereit ist oder einen Fehler begeht. Verhandeln müssen Sie aber nach wie vor. Wenn Sie nur Ausweichen und sich nicht stellen, dann überlassen Sie das Feld Ihrem Verhandlungspartner.
Die Strategie »Zeitgewinn« war bei der beispielhaft angeführten Geiselnahme eine sehr wirksame Variante des Ausweichens. Der allein handelnde Geiselnehmer läuft mit jeder Forderung ins Leere.
Strategie 3: Nachgeben
Wenn Sie nachgeben, zeigen Sie Ihre Bereitschaft Wenn Sie
nachgeben,
lenken Sie einzur Partnerschaft. Sie geben dabei Ihr Ziel zumindest teilweise auf. Diese Strategie kann sehr nützlich sein, um ein Zeichen des Einlenkens zu geben. Ihr Verhandlungspartner kann dieses Zeichen als solches erkennen und Ihnen im Gegenzug ein Stück näher kommen. Er kann es allerdings auch als Einladung zu mehr Druck verstehen. Wenn er Siegeschancen wittert, wird er sein Drängen verstärken. Wenn Ihr Verhandlungspartner Sie sehr drängt, kann es daran liegen, dass Sie bisher zu viel nachgegeben haben.
Wichtig für Sie ist die Feststellung, dass Nachgeben bei unwichtigen Verhandlungspunkten sehr sinnvoll sein kann – sofern Sie die wichtigen Ziele am Ende dann doch erreichen. Beachten Sie bitte auch hier den Grundsatz der Reziprozität (siehe S. 109).
Strategie 4: Partnerschaft
Diese Strategie macht beide Verhandlungspartner zu Gewinnern. Es werden die Motive von beiden Seiten berücksichtigt. Das setzt natürlich voraus, dass Sie die Motive des Verhandlungspartners genau kennen.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass beide eine Zusammenarbeit wünschen und das notwendige Vertrauen besteht. Wenn Sie Ihrem Verhandlungspartner nicht vertrauen, dann können Sie diese Strategie nicht anwenden.
Mit einem Kompromiss verlassen Sie die konsequente Umsetzung einer grundsätzlichen Strategierichtung – zum Nutzen einer halbwegs zufrieden stellenden Vereinbarung.
Strategie 5: Der Kompromiss
Im Kompromiss kooperieren Sie ein wenig, aber nicht vollständig. Das Ziel beim Kompromiss ist, eine halbwegs – auf halbem Weg – zufrieden stellende Vereinbarung zustande zu bringen. Die Verhandlungspartner treffen sich »in der Mitte«; keiner wird richtig zufrieden sein, aber beide können mit der Vereinbarung leben. Der große Vorteil dabei ist, dass immerhin eine Vereinbarung getroffen wird. Zwar keine optimale, aber doch eine Vereinbarung.
Ein Beispiel für die richtige Strategie:
Angenommen, Sie möchten eine Softwarelösung an einen Konzern verkaufen und erwarten dabei eine schwierige Preisverhandlung. Überlegen Sie sich bereits vor der Verhandlung, welche Vereinbarung für Sie optimal wäre und welche Untergrenze Sie für die Verhandlung ansetzen.
Gehen Sie bitte nie in eine Verhandlung um nur mal zu sehen, welche Forderungen der Verhandlungspartner stellt. Wenn Sie kein klares Ziel formuliert haben, kann Ihr Verhandlungspartner sehr leicht die Führung in der Verhandlung übernehmen und Sie dazu verleiten, die Untergrenze aufzugeben.
Das Ziel für die Preisverhandlung:
Ihr Ziel ist beispielsweise, mit 3 Prozent Nachlass die Softwarelösung zu verkaufen. Weniger Nachlass wäre aufgrund Ihrer bisherigen Erfahrung unrealistisch.
Dann sollten Sie Ihre Untergrenze formulieren, die vielleicht bei 8 Prozent Nachlass liegt. Das heißt, dass Sie bei maximal 8 % Nachlass unterschreiben würden, 9 Prozent würden für Sie nicht mehr in Betracht kommen.
Formulieren Sie also vor der Verhandlung Ihr Ziel. Die Wichtigkeit, eine Untergrenze zu formulieren, wird meist unterschätzt. Viele Verkäufer lassen sich leider von ihrem Verhandlungspartner durch die Verhandlung führen und geben dann ohne zu kämpfen die Untergrenze preis. Wenn der Verhandlungspartner mit der Salamitaktik immer mehr fordert, geben die Verkäufer auch immer noch ein bisschen mehr dazu.
Am Ende der Setzen Sie sich
eine UntergrenzeVerhandlung stellen die Verkäufer fest, dass sie doch mehr gegeben haben, als sie eigentlich wollten. Ein deutlicher Beweis, dass die Untergrenze nicht frühzeitig formuliert und hartnäckig verteidigt worden ist.
Die Strategie für Ihre Preisverhandlung:
Wenn Sie eine für beide Seiten zufrieden stellende Vereinbarung anstreben, dann ist hier die Strategie »Partnerschaft« sinnvoll.
Das heißt, Sie wollen innerhalb Ihres Zielbereichs verkaufen, müssen also von Ihrer Wunschvorstellung mit 3 Prozent Nachlass abrücken. Sie dürfen dabei jedoch nie unter 8 Prozent kommen, sonst wäre...