Die regional stark unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung[54] der letzten Jahre hat durch ein rasantes Ansteigen der Insolvenzen auf über 100.000 in 2003[55] zu einer starken Belastung der Rechtsabteilungen der Banken und Sparkassen geführt. Von diesem Anschwellen der Leistungsstörungen sind insbesondere die kleinen und mittleren Institute in strukturell schwachen, ländlichen Regionen betroffen. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten und den Anforderungen nach MaRisk haben erste Sparkassen NPL-Transaktionen durchgeführt[56]. Während die Großbanken ihre Kreditbestände bereits durch volumenstarke NPL-Portfolioverkäufe ohne breite Reaktionen der Öffentlichkeit bereinigen konnten, wächst der Widerstand gegen die deutlich kleineren Transaktionen der Genossenschaftsbanken und Sparkassen.
Bei den vergleichsweise kleinen Transaktionen der Sparkasse Wedel[57] – die an Credit Suisse verkauft hat – mit 200 betroffenen Kunden und der Sparkasse Südholstein[58] mit 67 Kunden und einem Volumen von 167 Mio. Euro – Verkauf an Lone Star – kam es zu massiven Reaktionen, die selbst den Landtag Schleswig-Holsteins[59] und das Landgericht Kiel[60] beschäftigten. Besonders die Vorgehensweise der zukünftigen Verhandlungspartner, wie z.B. Hudson Advisors GmbH, die für die Abwicklung der Kredite der Irish Holdings V Limited, eine Tochter von Lone Star, zuständig ist, sorgte für Ängste bei den Kreditnehmern. Es ist die rigorose Abwicklung der Kredite unter zügiger Verwertung der Sicherheiten üblich. Im Vergleich zu den stark belasteten Rechtsabteilungen mit langen Reaktionszeiten der verkaufenden Sparkassen haben die neuen Forderungsinhaber die notwendigen Ressourcen, die Verhandlungen in einem straffen Zeitrahmen zu führen. Es muss dabei nicht auf eine weiter bestehende Kundenbeziehung Rücksicht genommen werden[61]. Zusätzlich sind die Mitarbeiter der Abwicklungsgesellschaften erfolgsabhängig vergütet, was eine intensive Begleitung der Engagements vermuten lässt.
Aufgrund der zunehmenden Beschwerden in der Gesellschaft hat das bayerische Finanzministerium unter Günther Beckstein den Sparkassen des Freistaates sogar den Verkauf von NPL-Portfolien untersagt[62]. Auch die Bundesregierung und der Bundestag wollen sich wegen „neuer rechtlicher Fragestellungen[63]“ mit einer Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Handel von Krediten befassen.
Auch die Medien verfolgen Kreditverkäufe mit zunehmendem Interesse. Dieses resultiert sicherlich aus der guten Möglichkeit, Stimmungen bei den Lesern gegen einen übermächtig erscheinenden Block von Investoren, Banken, Inkassounternehmen und Finanzdienstleistern erzeugen zu können. Eine fundierte Meinungsbildung in diesem komplexen Zusammenspiel verschiedenster Aspekte ist schwierig und vornehmlich durch eine diffuse Angst jedes Bankkunden geprägt, auch von den Folgen einer Finanztransaktion betroffen zu sein. Die öffentliche Kritik an solchen Transaktionen erfolgt dabei oft undifferenziert[64] und berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Sachverhalte und die volkswirtschaftlichen Aspekte. Außerdem handelt es sich gerade bei NPL-Transaktionen ausschließlich um Kreditnehmer, die ihren vertraglichen Verpflichtungen, nämlich der regelmäßigen Erbringung der Leistungsraten, nicht nachgekommen sind.
Aber gerade diese Gemengelage an Wahrnehmungen in der Öffentlichkeit macht es erforderlich, eine aus rein wirtschaftlichen Überlegungen sinnvolle NPL-Transaktion genau mit der Außenwirkung abzuwägen.
In dieser Studienarbeit wollen wir uns gerade mit dieser Außenwirkung auseinandersetzen und sie der rein wirtschaftlichen Betrachtung gegenüberstellen. Vielmehr ist die Auswirkung auf das Image durch die verstärkte öffentliche Wahrnehmung ein gewichtiger Entscheidungsfaktor bei einer NPL-Transaktion geworden. Für den weiteren Verlauf der Studienarbeit ist es daher erforderlich, den häufig verwendeten Begriff „Image“ zu definieren:
Das Image eines Kreditinstitutes ist die Summe der Wahrnehmungen und Einschätzungen aller relevanten Stakeholder hinsichtlich der Beratungsleistung, Produkte, Services etc. und der sich daraus ergebenden „Wertschätzung“ vor diesem Institut. Vereinfacht ausgedrückt, stellt das Image ein jenes Bild dar, das man sich von einem bestimmten Objekt – in unserem Fall die Bank – macht [65].
Mittelpunkt unserer Empirie ist dabei der Stakeholder „Kunde“. Jedes Kreditinstitut ist auf die Loyalität ihrer Kunden angewiesen, welche insbesondere für regional tätige Banken von großer Bedeutung ist. Speziell die Hausbankfunktion und die starke Verwurzelung in der Region macht die Stärke der „Bank vor Ort“ aus. Dieses Relationship Lending[66] mit einer festen Kunde-Bank-Beziehung gilt für alle Genossenschaftsbanken und Sparkassen in besonderer Weise.
Diese Loyalität übernimmt dabei eine Indikatorfunktion und macht das Image „messbar“ und begründet sich durch ein positives Gesamtbild des Kunden von seiner Hausbank. Ein Forderungsverkauf kann zu einem deutlichen Vertrauensverlust bei den Kunden dieser Bank führen und bewirkt eine Verschlechterung des Relationship Lending. Gerade die nachlassende Loyalität macht Kunden empfänglich für andere Wettbewerber und führt in letzter Konsequenz zu einem Wechsel der Bankverbindung.
Damit ist Loyalität ein Spätindikator für eine Veränderung des Images durch einen Kreditverkauf. Die „weichen Faktoren“ wie Kundenbeziehung und Imageauswirkungen sind somit für ein verkaufswilliges Institut nicht vorab betriebswirtschaftlich zu ermitteln.
Ein Schlüssel zu einer insgesamt erfolgreichen Transaktion ist die positive oder zumindest neutrale Bewertung durch die Kunden des Instituts, die unseres Erachtens durch gezielte Kommunikation gelenkt werden kann. Um zu ermitteln, wo und wie das Kreditinstitut einen Einfluss auf die Wahrnehmung der Kunden nehmen kann, haben wir in unserer Empirie den Schwerpunkt auf Außenwirkung und „Image“ gelegt. Daher haben wir die vorhandenen Meinungen und Erfahrungen erfragt und die Wünsche der Kunden bezüglich der Kommunikation über solche Verkäufe ermittelt.
Die Akzeptanz einer Syndizierungsklausel in den Darlehensverträgen, die zunehmend, wie unter 0 beschrieben, von Banken und Sparkassen zur Vereinfachung von Transaktionen verwendet werden, soll ebenfalls untersucht werden[67].
Des Weiteren prüfen wir, ob Kreditkunden bereit wären, einen möglichen Verkauf Ihrer Kredite – Non Performing oder Performing – durch einen höheren Zinssatz bei Vertragsabschluss zu verhindern.
Zur Durchführung einer NPL-Transaktion ist auch die Datenweitergabe erforderlich. Die starken Reaktionen der Presse und die Formierung von Interessengruppen[68] zielen gerade auf die Weitergabe von benötigten Kundendaten an Investoren ab. Argumente werden allgemein aus dem Begriff des Bankgeheimnisses und bei Sparkassen zusätzlich aus der Amtsträgerschaft abgeleitet. Auch wenn für den Verkauf von NPLs eine Einverständniserklärung zum Verkauf und der Datenweitergabe, wie unter Punkt 0 schon ausgeführt, nicht erforderlich ist, wollen wir aus Imagegesichtspunkten die Meinung der Kunden zu diesem sensiblen Thema erfahren.
Für die Erhebung der Daten haben wir einen Fragebogen mit 22 Fragen erstellt, der sich in 15 fachbezogene und 7 statistische Fragen aufteilt. Der Fragebogen wurde mit Hilfe der Software „Grafstat“ gestaltet und über einen Internet-Link[69] zur Verfügung gestellt. Eine Kopie ist als Anlage dieser Arbeit beigefügt.
Per E-Mail-Einladung wurden 150 zufällig ausgewählte Kontakte direkt über die Befragung informiert. Zusätzlich konnte der Internet-Link von den Empfängern an beliebige Kontaktpersonen weitergeleitet werden. Daher kann keine genaue Angabe zur Anzahl der Personen gegeben werden, die über die Befragung informiert wurden, wir gehen aber überschlägig von ca. 250 Personen aus. Insgesamt sind über einen anonymen Daten-Sammelpunkt auf einem Server der Universität Duisburg 102 auswertbare Fragebögen eingegangen, die nachfolgend detailliert ausgewertet werden. Eine Ermittlung der Rücklaufquote ist auf Grund des Durchführungsweges nicht verbindlich möglich, könnte aber bei ca. 250...