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E-Book

Verschwörung!

Die fanatische Jagd nach dem Bösen in der Welt

AutorRoger Schawinski
VerlagNZZ Libro
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783038103783
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,30 EUR
Verschwörungstheoretiker haben sich im Internet und im Buchmarkt ein neues Universum geschaffen. Roger Schawinski stellt die beliebtesten und gefährlichsten Verschwörungstheorien und die wichtigsten Repräsentanten der heutigen Szene vor. Er zeigt die Voraussetzungen und Methoden für eine erfolgreiche Karriere als Verschwörungstheoretiker auf und präsentiert die Gemeinsamkeiten der führenden Vertreter dieser Zunft. Zudem untersucht er die Welt der Anhänger und widmet sich der Frage, welche Menschen eher auf Verschwörungstheorien setzen als andere. Zwei Personen werden genauer beleuchtet: Daniele Ganser, der sich als sogenannter Friedensforscher eine besondere Stellung in der Welt der deutschsprachigen Verschwörungstheoretiker erarbeitet hat, und Donald Trump, der gewohnheitsmässig und hemmungslos Fake News bedient und damit an die Schalthebel der Macht gelangte. Zur Szene der Verschwörungstheoretiker zählen u. a. auch Steve Bannon, die führende Feder hinter «Breitbart» News, Alex Jones, das Gesicht von Infowars, oder Ken Jebsen, der Kopf von KenFM.

(* 1945) doktorierte an der Universität St. Gallen in Ökonomie. 1974 gründete und moderierte er die Sendung Kassensturz. 1977 wurde er Chefredaktor der 'Tat'. Er gründete mit Radio 24 den ersten privaten Radiosender der Schweiz, lancierte mit TeleZüri den ersten Schweizer Privat-TV-Sender und startete mit Tele 24 das erste nationale Privatfernsehen. 2003 wurde er Geschäftsführer von Sat.1 in Berlin. 2008 kehrte er nach Zürich zurück und lancierte Radio 1. Roger Schawinski ist Autor einer Vielzahl von Kolumnen, Artikeln und Büchern.

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Leseprobe

Protokolle der Weisen

Quelle: Deutsches Historisches Museum, Berlin

Die Weltverschwörungstheorien

Am 15. März 44 v. Chr. betrat Julius Cäsar das Senatsgebäude im Theater des Pompeius in Rom, obwohl ihn seine Frau wegen schwerer Albträume in der eben vergangenen Nacht vor diesem Gang gewarnt hatte. Ausserdem litt er an jenem Tag an einer schweren Erkältung. Doch Verschwörer hatten den Imperator mit dem Versprechen angelockt, dass er eine weitere Ehrung empfangen würde, und von denen konnte er, wie sie nur zu gut wussten, nie genug bekommen. Als er im Gebäude eintraf, wurde er von einigen Senatoren sofort umringt, die ihn in einer minutiös geplanten Aktion mit 23 Messerstichen ermordeten.

Die Geschichte kennt viele solcher Verschwörungen. Doch wie kann man echte Verschwörungen von erfundenen oder erdachten unterscheiden? Leider gibt es dafür keine klaren, objektiven Unterscheidungskriterien. Es ist jeweils ein subjektiver Entscheidungsprozess notwendig, in dem zwischen Fakten und blossen Annahmen unterschieden werden muss.

Karl Hepfer definiert dies in seinem Buch Verschwörungstheorien. Eine philosophische Kritik der Unvernunft wie folgt: Eine Verschwörung «lässt sich als das geheime Zusammenwirken einer (in der Regel überschaubaren) Gruppe von Personen definieren, deren Absprachen und Handeln darauf zielen, die Ereignisse zu ihrem eigenen Vorteil (und damit zugleich zum Nachteil der Allgemeinheit) zu beeinflussen. Eine Verschwörungstheorie ist entsprechend der Versuch, (wichtige) Ereignisse als Folge derartiger geheimer Absprachen und Aktionen zu erklären … Theorien treten allgemein mit dem Versprechen an, uns zu einem besseren Verständnis der Welt zu verhelfen und Verschwörungstheorien sind hier keine Ausnahme.» Bei Verschwörungstheorien verbleibe immer ein Restzweifel, welche Interpretation zutrifft. Deshalb, so Hepfer: «Beispiele für zunächst unwahrscheinlich klingende Szenarien, die sich später als zutreffend herausstellten, gibt es in der historischen Forschung schliesslich genug. Um es kurz zu machen: Auch an Verschwörungstheorien können wir (so wie an alle empirischen Theorien) deshalb nur eine Messlatte anlegen, die von ‹wahrscheinlich›, über ‹vielleicht zutreffend› bis ‹abstrus› und ‹sehr unwahrscheinlich› reicht.» Wissenschaftstheoretisch ist zwar die Bestätigung einer echten Verschwörung möglich, hingegen ist eine empirisch bewiesene definitive Widerlegung in keinem Fall möglich. Dieter Groh beschreibt Verschwörungstheorien in «Die verschwörungstheoretische Versuchung oder: Why do bad things happen to good people?» als «monokausale, nach aussen hin abgeschlossene (d. h. nicht falsifizierbare) und komplexitätsreduzierende Erklärungszusammenhänge, die komplexe Ereignisse auf das Wirken weniger identifizierbarer Akteure reduzieren». Einfacher formuliert: Es gibt aus wissenschaftstheoretischer Sicht keine absolute Sicherheit, dass eine Verschwörungstheorie falsch ist, weil dafür keine absolut unwiderlegbaren Beweise vorgelegt werden können.

Traditionell blühen Verschwörungstheorien in unsicheren Zeiten auf – und in einer solchen befinden wir uns zurzeit. Donald Trump, der sich gewohnheitsmässig und ohne jegliche Hemmungen bei Verschwörungstheorien bedient, um sich auf diese Weise persönliche Vorteile zu verschaffen, hat diese bereits zuvor vorhandenen Tendenzen in seiner bisherigen Amtszeit als Präsident der USA noch weiter verstärkt. Dank seiner Position legitimiert der mächtigste Mann der Welt eine solche Vorgehensweise. Hepfer beschreibt diesen Mechanismus so: «Der Rückzug auf einfache Welterklärungen, wie Verschwörungstheorien sie anbieten, ist daher eine naheliegende Strategie der Gegenwehr gegen die zunehmend unübersichtliche und unverbindliche Realität. Er ist die naheliegende Antwort auf eine Krise, die zugleich subtiler und tiefgreifender ist als ihre historischen Vorläufer.»

Das heisst: In einer immer komplexeren Gegenwart sucht man nach einfachen Erklärungen, die den oft nicht aufschlüsselbaren Ereignissen einen Sinn geben. Dieser Ansatz kann zu einem entscheidenden Beitrag für die eigene Lebensbewältigung werden. Dazu bietet es sich als Erstes an, die Welt in Gut und Böse zu teilen. Es sind vor allem Menschen, die sich in Stresssituationen befinden, die nach einfachen Erklärungen für das Böse suchen, dem sie sich ausgesetzt fühlen. In einer Zeit, in der man den Autoritäten und ihren Vertretern immer mehr misstraut, ist man besonders empfänglich für Thesen, die den offiziellen, für wahr gehaltenen Meinungen widersprechen. Dies ist einer der wichtigen Gründe, weshalb Verschwörungstheorien heute in immer weiteren Kreisen der Gesellschaft Anklang finden.

Verschwörungstheorien liefern absolute und letztgültige Antworten auf komplexe Fragen und sind deshalb besonders attraktiv. Da die Verschwörer zumeist als allmächtig beschrieben werden, können vorgelegte Gegenargumente mit dem Hinweis beiseitegeschoben werden, dass genau dies ein weiterer Beweis für die Existenz einer besonders heimtückischen und gefährlichen Verschwörung sei.

Ein unverzichtbarer Bestandteil jeder verschwörungstheoretischen Erzählung ist zuerst das Vorliegen einer für alle sichtbaren Erklärung. Solche Erklärungen stellen beispielsweise die offiziellen Versionen der Ermordung von John F. Kennedy oder die Bilder der ersten Mondlandung dar. Daneben gibt es aber gemäss Verschwörungstheorien eine zusätzliche, geheime und damit unsichtbare Erklärung, mit der die «Defekte» in der sichtbaren Erklärung aufgedeckt werden können, schreibt David Kelman in Counterfeit Politics. Damit wird suggeriert, dass die Verschwörungstheorie durch das Aufdecken des «Geheimnisses» die «Wahrheit» enthüllt.

Verschwörungstheorien sind keine Theorien im wissenschaftlichen Sinn. Es handelt sich zumeist um blosse Hypothesen, mit denen gewisse Ereignisse erklärt werden sollen. Dabei werden Gegenargumente und empirische Belege nicht oder nur am Rande zur Kenntnis genommen, um sie umgekehrt als Beleg einer besonders heimtückischen Verschwörung interpretieren zu können. Verschwörungstheorie-Experte Michael Butter beschreibt diesen Mechanismus in der Zeit: «Es gibt empirische Experimente, bei denen man Verschwörungstheoretiker mit überzeugenden Gegenargumenten konfrontiert hat. Ergebnis: Sie glauben danach noch stärker an ihre Theorie als zuvor … Mit eingefleischten Verschwörungstheoretikern kann man nicht diskutieren.»

Da die prominenten Verschwörungstheoretiker den hier geschilderten Mechanismus genau kennen, suchen und geniessen sie die öffentlichen Auseinandersetzungen mit ihren Kritikern, weil sie und ihre Fans sich dadurch gestärkt fühlen. Deshalb muss man sich Gedanken machen, wie man ihnen in sinnvoller Weise entgegentreten kann. Dieses Buch ist unter anderem auch ein Versuch, dass man sich dazu eine gewisse Klarheit zu verschaffen vermag.

Generell wollen Verschwörungstheorien eine Logik und eine Kohärenz belegen, die aber nicht existieren, und deshalb sind sie eigentlich nicht mehr als Dogmen. So werden von ihnen Zusammenhänge zwischen Tatsachen herbeikonstruiert, Zufälle bestritten, angebliche Experten und Insider zitiert und manchmal auch Belege gefälscht, schreibt der deutsche Kommunikationswissenschaftler Tobias Jaecker, der die Bezeichnungen «Verschwörungsideologie» oder «Verschwörungsmythos» für sachgerechter hält. Allerdings hat sich die Bezeichnung Verschwörungstheorie durchgesetzt, weshalb er sie ebenfalls verwendet, was wir in diesem Buch auch so halten werden.

Bei Verschwörungen soll es sich um geheime Absprachen und Aktionen von gewissen Gruppen zum eigenen Vorteil und zum Nachteil der Allgemeinheit handeln. Bei diesen Verschwörern mit ihrem verderblichen Handeln geht es in der Regel um Gruppen, gegen die in der Gesellschaft Vorurteile bestehen, die also bereits traditionell dämonisiert werden und die zudem als übermenschlich böse und gerissen beschrieben werden. Um dieses Image zu verstärken, werden ihnen oft Eigenschaften zugeschrieben, die sonst allein die Götter aufweisen sollen, nämlich Allmacht und Unfehlbarkeit, gegen die man sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr setzen muss.

Gleich wie die Mythen der Vergangenheit lassen sich Verschwörungstheorien von Machthabern gezielt zur Rechtfertigung von Unterdrückungsmassnahmen einsetzen, die dem Erhalt ihres Regimes dienen. Je stärker diese (angeblichen) Verschwörer von den Herrschenden dämonisiert werden, desto eher kann dies als Hinweis dafür dienen, dass die vorgebrachte Theorie ein Produkt der Verunglimpfung ist.

Wer von einem Ereignis profitiere, müsse es verursacht haben, ist eine Hauptthese von Verschwörungstheoretikern. Und deshalb stellen sie jeweils die Frage: Cui bono? – Wer hat Nutzen aus einem Vorkommnis gezogen? Verschwörungstheoretiker glauben, dass sie mit diesem Ansatz in jedem Fall auf die Übeltäter stossen. Das heisst, sie zäumen das Pferd vom Schwanz auf, legen zuerst fest, wer Nutzen aus einer Aktion zieht, um dann die dafür notwendigen Beweise zu suchen. Das ist sehr oft viel zu kurz gegriffen.

Zusätzlich bedienen sich Verschwörungstheoretiker des Analogieschlusses. Das heisst, wer früher Böses verursacht hat, der gilt bei einem neuen Ereignis automatisch als Hauptverdächtiger. Die amerikanischen Regierungen mit den nachgewiesenen Verschwörungen bei Watergate, den vielen düsteren Machenschaften des CIA, den vorgeschobenen Gründen für den Vietnamkrieg und vielem mehr stehen deshalb für die meisten Verschwörungstheoretiker automatisch im dringenden Verdacht, auch den 11. September inszeniert zu haben. «Sie meinen, der...

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