Im abschließenden Kapitel wollen wir uns der Frage widmen, wie man verlorenes Vertrauen zurückgewinnen kann. Dabei sollen drei Aspekte im Vordergrund stehen: Der Neuanfang (→ „Siehe, ich mache alles neu"), Aufklärung und Bitte um Verständnis (→ „Wir haben verstanden") sowie (→ „Die Zeit heilt alle Wunden"). Am Ende mag sich der Kreis ein wenig schließen. Denn wenn man es geschafft hat, die Vorbehalte zu überwinden, können die Techniken und Methoden zum Einsatz kommen, von denen bereits im zweiten Kapitel die Rede war, in dem es darum ging, wie man Vertrauen aufbaut.
Inwieweit es überhaupt gelingt, Vertrauen zurückzugewinnen, das hängt immer von den jeweiligen Umständen ab: von der Schwere des Vertrauensverlustes, von den verfügbaren Alternativen und von dem Grad der Abhängigkeit, die den Vertrauensgeber an den Vertrauensnehmer bindet. Auf jeden Fall ist nach einem Vertrauensbruch die Situation nicht mehr so wie zuvor. Aber genau darin kann eine große Chance liegen.
„Siehe, ich mache alles neu"
Ist das Vertrauen Ihres Gegenübers erschüttert, halten Sie sich an die biblischen Worte aus der Offenbarung des Johannes, die dort zwar in einem anderen Sinne geäußert werden. Doch treffen sie genau, worum es auch hier geht: Sie müssen einen klaren Neuanfang setzen. Mit dem Gestus: „Siehe, ich mache alles neu!" Das heißt, der andere muss deutlich erkennen können, dass sich etwas Entscheidendes geändert hat. Wenn Sie Vertrauen enttäuscht haben und nichts verändern möchten, können Sie nicht darauf hoffen, dass Ihnen wieder Vertrauen zufließt. Und zwar aus zwei Gründen:
- Sehen Sie keinen Anlass, etwas zu verändern, so bringen Sie damit zum Ausdruck: Es ist schon alles in Ordnung so. Für den anderen ist nicht nachzuvollziehen, warum unter den gleichen Bedingungen die gleiche Geschichte nicht noch einmal passieren sollte.
- Ihre Ernsthaftigkeit steht in Frage, wenn es für Sie keine einschneidenden Konsequenzen hat, dass Sie das Vertrauen enttäuscht haben.
Personen auswechseln
Es ist eine weit verbreitete, aber auch wirksame Methode, Vertrauen zurückzugewinnen. Trennen Sie sich von denen, die den Vertrauensbruch zu verantworten haben. Für Organisationen gilt: Wechseln Sie das Führungspersonal aus. Denn Vertrauen und Misstrauen machen sich an Personen fest, nicht an Strukturen (→ S. 69). Die müssen Sie womöglich auch verändern, aber ohne Veränderungen beim Personal wird ein Neuanfang kaum glaubhaft zu machen sein.
Muss ein Verantwortlicher seine Position räumen, dann zeigt das auch, dass Sie den Vertrauensbruch missbilligen. Der Betreffende verliert seine Reputation. Das ist ein deutliches Signal, mit dem Sie Ihren Wunsch glaubhaft machen können, tatsächlich neu anzufangen.
Wer auf die Stelle nachrückt, der darf nicht bereits vorbelastet sein. Das kann ein gewisses Problem sein, wenn einfach nur der bisherige Stellvertreter die Führungsposition übernimmt. Wenn jemand aus der Organisation nachrückt, dann sollte es jemand sein, der in einem anderen Bereich gearbeitet hat oder der sich ganz deutlich auf Distanz zum bisherigen Stelleninhaber befunden hat. So etwas lässt sich nach außen nicht immer überzeugend darstellen. Daher scheint es häufig die bessere Wahl, einen Externen zu holen, der dann am sinnfälligsten einen Neuanfang verkörpern soll. Allerdings hat der das Problem, dass er die Organisation nicht gut genug kennt und an der Spitze auf diejenigen angewiesen bleibt, die zuvor an den fragwürdigen Praktiken beteiligt waren. Bei einem schweren Vertrauensbruch wird es daher nicht ausreichen, einfach nur die „erste Garde" auszuwechseln. Daneben besteht noch eine ganz andere Gefahr, wenn jemand von außen geholt wird: Da er den Laden, ja womöglich nicht einmal die Branche gut genug kennt, ist das Risiko größer, dass er scheitert oder einfach „überspielt" wird. Doch gibt er auf, ist die versprochene Erneuerung sinnfällig gescheitert.
Tipp: Ein harter Schnitt stärkt die Glaubwürdigkeit
Fachlich mag es nahe liegen, möglichst wenig zu verändern. Aber es geht auch darum, nach innen ein Zeichen zu setzen. Machen Sie daher einen „harten Schnitt" auf der Führungsebene, versteht auch jeder Mitarbeiter: Jetzt ist eine neue Zeit angebrochen.
Zuständigkeiten neu zuschneiden
Häufig kann aber auf diejenigen, die an dem Vertrauensbruch beteiligt waren, gar nicht verzichtet werden. Es stehen überhaupt keine Fachkräfte zu Verfügung, die sie ersetzen könnten. Und manchmal lässt sich nicht einmal ein „Verantwortungsnehmer" (→ S. 199) opfern. Dann sollten zumindest die Zuständigkeiten so verändert werden, dass diejenigen, deren Vertrauen enttäuscht wurde, mit anderen Personen zu tun bekommen. Bei einem schweren Vertrauensbruch wird das kaum ausreichen. Aber womöglich ist es ein Anfang. Und im Laufe der Zeit gelingt es Ihnen allmählich, den einen oder anderen zurückzugewinnen, der sich enttäuscht abgewandt hatte. So eine Entwicklung kann auch eine gewisse Eigendynamik bekommen und weitere „Vertrauensgeber" dazu veranlassen, Ihnen eine Chance zu geben.
Ursachenforschung
Für einen Vertrauensbruch kann es die verschiedensten Ursachen geben. Es kommt entscheidend darauf an, dass Sie diese Ursachen herausfinden und Änderungen herbeiführen, Prozesse oder Strukturen verändern, Kontrollen einführen oder wirksamer gestalten. Solange Ihr Gegenüber nicht den Eindruck hat, dass Sie die Ursachen angegangen sind, dürfte es schwierig werden mit der Rückgewinnung von Vertrauen. Dabei hängt auch viel davon ab, wie ernsthaft diese Ursachenforschung betrieben wird.
Verhaltensänderung und mehr
Ein Vertrauensbruch kann natürlich auch Sie als Einzelperson betreffen. Aber selbst dann sollten Sie dafür Sorge tragen, dass Ihr Gegenüber erkennt: Sie machen einen Neuanfang. Das ist gar nicht so einfach zu vermitteln. Denn Sie bleiben ja dieselbe Person, diejenige, die das Vertrauen enttäuscht hat. Und doch ist es ratsam, den Neuanfang deutlich zu markieren, ausgehend von äußerlichen Veränderungen, die natürlich nur unterstützende Funktion haben. Aber sie signalisieren eben doch - und zwar auf den ersten Blick erkennbar, dass Sie ein anderer werden wollen.
Entscheidend ist allerdings, dass Sie Ihr Handeln ändern. Dabei kommt es darauf an, wie tief verwurzelt das Verhalten ist, das den Vertrauensbruch verursacht hat. Womöglich sollten Sie sich professionelle Hilfe holen. Denn es genügt nicht, sich einfach nur vorzunehmen, sein Verhalten zu ändern. Holen Sie sich Unterstützung von außen, ist dies auch ein Zeichen für den anderen, dass Sie es nicht bei bloßen Absichtserklärungen belassen, sondern tatsächlich etwas tun. Und doch dürfte es Ihnen erst in der Kombination mit den beiden anderen Methoden gelingen, Vertrauen zurückzugewinnen.
Änderungswünsche
Darüber hinaus kann es noch vertrauensbildend wirken, wenn Sie diejenigen befragen, deren Vertrauen Sie enttäuscht haben: Was soll sich (außerdem noch) ändern, damit ihr mir wieder vertrauen könnt? Man muss hinzufügen, dass dies nur eine zusätzliche Maßnahme sein kann, die Sie außerdem erst in die Wege leiten sollten, nachdem Sie bereits einiges geändert haben. Sonst drängt sich der Eindruck auf, Sie hätten gar nicht verstanden, was eigentlich schiefgelaufen ist, und Sie müssten sich die Sache erst noch von denen erklären lassen, die dem Vertrauensbruch zum Opfer gefallen sind. Auch können Sie erst auf die Mitwirkung der anderen hoffen, wenn diese bereits wieder ein bisschen Vertrauen zu Ihnen gefasst haben. Denn jemandem, den man für einen Hochstapler, Betrüger oder Schaumschläger hält, gibt man nicht noch wohlmeinende Hinweise, wie er sich bessern könnte.