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'The Walking Dead' - Horror, Drama oder Western? Eine Analyse

AutorJasmin Kirchner
VerlagBachelor + Master Publishing
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl59 Seiten
ISBN9783956846052
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Zombie-Filme und -Serien sind natürlich dem Horror-Genre zuzuordnen. Oder? Was lange vollkommen fraglos war, wurde schon ab den 80ern mit der Entstehung der Zombie Romantic Comedy aufgeweicht. Das Genre der untoten Menschenfresser hat dabei vor allem George A. Romero mit seiner Living Dead-Reihe geprägt. Neuen Auftrieb erfährt das oft belächelte Genre seit einigen Jahren dank der Fernseh-Serie 'The Walking Dead', die vor allem in Amerika Quotenrekorde auf den Kabelsender aufstellt. Aber wie verhält Horror sich eigentlich in Serie? Wie kann man das Grauen über einen so langen Zeitraum aufrecht erhalten? Und welche anderen Genres lassen sich ausmachen? Ist es am Ende überhaupt 'klassischer' Horror oder dominieren die Strukturen von Drama, Thriller oder Western? Geklärt wird diese Frage anhand einer Untersuchung der Entwicklung des Zombies in Film und Fernsehen, einer Betrachtung der relevanten Fragestellungen und Konzepte aus der Genre-Theorie, v.a. Entwicklung und Hybridität von Genres, und schließlich einer Analyse der Genres Horror, Drama und Western. Zunächst allgemein beschrieben werden ihre Ausprägungen in der Serie erörtert und zu einem Gesamtbild zusammengeführt.

Jasmin Kirchner, geboren 1985, hat Medienkulturwissenschaft und Medienrecht an der Universität zu Köln studiert. Ihr Schwerpunkt lag dabei auf den Themen Genre-Theorie und speziell dem Genre Horror.

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Leseprobe
Textprobe: Kapitel 4.2.2, Horror in THE WALKING DEAD: Horror drückt sich in TWD vor allem durch die Zombies aus, die als Subgenre des Horror-Films, wie im vorigen Kapitel erwähnt, Freuds Konzept des Unheimlichen repräsentieren. Es handelt sich hierbei um Zombies Romero' scher Prägung, die sich durch eine grausige Erscheinung sowie durchschnittliche Schnelligkeit und Stärke auszeichnen. Alleine sind sie leicht zu besiegen, wohingegen die Masse sie zu einer übermächtigen Bedrohung wie am Ende der zweiten Staffel macht. Diederichsen konstatiert, dass in neueren Zombie-Filmen das 'Modell der Auseinandersetzung nicht mehr das Bürgerkriegsszenario aus alten Nationalstaaten, sondern der globale sogenannte Kampf gegen den Terror [ist]. Bagdad und 9/11 liefern das Material.' Bei TWD wird dabei auf eine Darstellung des Militärs so gut wie komplett verzichtet; in Folge S01E06 ist lediglich zu sehen, wie einige Soldaten im Krankenhaus sowohl Zombies als auch Menschen erschießen und S02E05 zeigt in einem Rückblick kurz, wie Bomben über Atlanta abgeworfen werden. Das Thema Krieg/Kampf gegen den Terror scheint hier also nicht vordergründig zu sein. Der Zombie kann aber auch eine sehr zeitgenössische Angst verkörpern: 'in entfremdeten Arbeitsabläufen selbst zu einem wandelnden Toten zu werden - machtlos, fremdbestimmt und ohne Hoffnung.' Sehr häufig wird diese Angst vor der Zombifizierung in der Serie von den Charakteren aufgegriffen: Die Angst davor, keine Kontrolle mehr über sich zu haben, willenlos zu sein, ohne Hoffnung auf Rettung. Verknüpft wird dies mit dem moralischen Tabuthema des Selbstmords, der in der Serie mehrfach begangen oder auch vereitelt wird. Shelton erklärt die Angst vor dem Zombie mit dem Körperbild der Neuzeit, das den Körper als streng begrenzt und nach außen durch eine glatte, undurchdringliche Oberfläche (=die Haut) verschlossen sieht. Abweichungen davon, wie Falten oder Geschwülste, werden als ekelhaft gesehen, wobei die verwesende Leiche, wie der Zombie mit teilweise klaffenden Wunden, die Extremform darstellt. Mit der Bedrohung der physischen, intakten Einheit geht die Angst vor dem Verlust der individuellen Identität einher, weil man in den Zustand eines instabilen, amorphen Seins zurückfällt. Gerade auch der Austausch von Flüssigkeiten, wie Blut beim Biss, sind als abjekt konnotiert und im Falle des Zombies auf die Spitze getrieben, da tatsächlich durch den Biss die Identität verloren geht: Der Betroffene wird zu einem in der Masse. Die Haut als Einschreibungsfläche für innere Vorgänge, Alter, ethnische Zugehörigkeit und Geschlecht verliert ihre Bedeutung: So ist bei den Zombies häufig keine Altersklasse oder ethnische Zugehörigkeit mehr zu erkennen. Vor allem die Bildlichkeit der Seuche, als welche die Zombies sich in TWD verbreiten, erzeugt eine Atmosphäre der unentrinnbaren Gefahr, die nicht nur individuell, sondern auch sozial destabilisierend wirkt. Alle ökonomischen, politischen und sozialen Strukturen brechen zusammen und ergeben ein viel apokalyptischeres Szenario als die individuelle Krankheit. Zentral dabei ist die Infektiosität, weshalb die Grenze zwischen Gesunden und ,Kranken' besonders deutlich gezogen werden muss. Der Horror erwächst dabei nicht nur aus der Unmöglichkeit, den Zombies endgültig zu entkommen, sondern vor allem auch aus der Frage, wie mit gebissenen und damit vermeintlich infizierten Gruppenmitgliedern umzugehen ist. Trotz des Wissens, dass es keine Chance auf eine Rettung gibt, wird sich zumeist trotzdem dafür entschieden, niemanden zu erschießen, der noch lebt. Der wiederauferstandene Zombie scheint, trotz seiner Ähnlichkeit mit dem Verstorbenen, auch für die Protagonisten entindividualisiert und damit leichter zu töten zu sein. TWD übernimmt auch das in NIGHT etablierte Konzept des Hauses, das nicht als Rückzugsort dient, sondern fremd und unvertraut erscheint. Zwar wird die Farm der Greenes zunächst als das letzte sichere Fleckchen Erde erachtet, doch schon die Entdeckung der Zombie-Meute in der angrenzenden Scheune nimmt die Gefahr vorweg, die letztlich auch die Farm nicht verschont. Das Haus kann dabei auch als Spiegel der familiären Strukturen sowie der Zuweisung von Macht gesehen werden: Im weißen, idyllischen Farmhaus wohnt die unschuldige, nicht tötende Familie. Die Vorahnung, die der mit einem hineingefallenen Zombie verseuchte Brunnen und die Scheune voller Walker erwecken, bestätigt sich mit dem Einzug der Gruppe ins Farmhaus. Die ,Macht' über die zusammengeführte Gruppe geht nun von Hershel auf Rick über. Die Familie muss sich schließlich doch wandeln und anfangen, Zombies zu erschießen und letztendlich geht die Scheune in Flammen auf und die Farm im Ansturm der Beißer unter. Auch die Darstellung des Seuchenkontrollzentrums am Ende der ersten Staffel nimmt bereits das ungute Ende vorweg. Statt hell, weiß und voller geschäftigem Treiben zu sein, wie man es in einer wissenschaftlichen Einrichtung erwarten würde, liegt diese bald im Dunklen, verlassen und von nur einem Menschen bewohnt; selbst die Wissenschaft bietet zu diesem Zeitpunkt keine Sicherheit mehr. Ruinen und verlassene Häuser stehen zudem für Tod und Verfall; die verwüsteten Straßen zeigen, wie die wilde Natur langsam die ihr aufgezwungenen menschlichen Strukturen überwuchert und zurückerobert. Dies ist z.B. auch im Vorspann der Serie im Bild eines leeren Raums, durch den sich große Pflanzenranken ziehen, zu sehen. Grant nennt als ein wichtiges Element für die Erzeugung von Horror das Eintreten unvorhergesehener Wendungen in einer als sicher geglaubten Situation. Zweifelsfrei ist dies ein sehr wichtiger Bestandteil der Serie. Die Überlebenden befinden sich oft in Situationen, die ganz unerwartet umschlagen, z.B. als am Ende der zweiten Staffel die als sicher erachtete Farm von Hunderten Untoten überrannt wird. Ricks plötzliches Feststecken in einer Horde Beißer zu Beginn in Atlanta, wo zuvor nur leere Straßen zu sehen waren, die anstehende Explosion des scheinbar rettenden Seuchenzentrums und der Überfall auf das Camp sind nur einige von zahlreichen Beispielen. Wood hat als privilegierte Ausformung seiner aufgezeigten Dichotomie von Monster-Mensch die Figuren des Doppelgängers, Alter Ego oder Doubles bezeichnet, die beide Seiten des Gegensatzpaars in ,einer' Person vereinigen. Ein solcher Doppelgänger kann in der Figur des Shane gesehen werden, der dem Zombie darin gleicht, dass beide mitleidslos für ihre eigenen Ziele töten und sich nehmen, was sie wollen: Der Zombie menschliches Fleisch, Shane Lori und Carl, für die er einen Bewohner der Farm opfert sowie seinen besten Freund töten will. Am Ende verschmelzen sie zu Einem, als Shane schließlich selber zu einem wandelnden Toten wird. Shane repräsentiert zudem das Thema Sexualität, das laut Vossen - neben dem Tod - in Form von 'erotischer Verdrängung, Fehlentwicklung geschlechtlicher Identität bis hin zur Sexualpathologie' oft im Fokus des Horrors liegt. Shanes Affäre mit Lori, deren Ende er nicht akzeptieren kann, sorgt erst dafür, dass er zu einem solch unberechenbaren Psychopathen wird, der neben dem unnatürlichen Zombie als menschliches Monster eine weitere Gefahrenquelle für einige Charaktere in der Serie darstellt. Für das Auftauchen der Zombies scheint diese kaputte Familie auch eine Voraussetzung im Horror-Genre zu sein, denn 'die Dämonen und bösen Aliens kommen in die Familien, die unvollständig, krank oder unharmonisch sind [...].' Dies trifft bei TWD sowohl auf Ricks Familie zu, in der Lori ihn betrogen hat, als auch auf viele andere: Carol wird von ihrem Mann verprügelt, die Brüder Merle und Daryl kommen aus einer lieblosen Familie und Jim hat seine Familie unter Walkern zurücklassen müssen.
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