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E-Book

Was uns Jägern wirklich bleibt ...

AutorGerd H Meyden
VerlagLeopold Stocker Verlag
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl238 Seiten
ISBN9783702015770
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Was hat wirklich Bestand im Leben? Diese philosophisch anmutende Frage stellt der Autor Gerd Meyden mit Blick auf die Jagd. Seine überraschende Antwort: die Erinnerung an schöne Erlebnisse. Es sind weder die mächtigen Trophäen noch Wildbret oder Decke, die den bleibenden Wert der Jagd ausmachen. Das Fleisch bereitet zwar kurz Genuss, ist aber bald verzehrt. Und die Trophäen ereilt nach einer kurzen Spanne stolzer Freude meistens das gleiche Schicksal: sie verstauben irgendwo in Vergessenheit. Es gibt aber etwas Zusätzliches, das die Jagd dem bewussten Jäger bieten kann. Etwas, das über den kurzlebigen materiellen Wert der Beute hinausgeht - die Erinnerung an schöne Erlebnisse in freier Natur und die Achtung des brüderlichen Geschöpfes. Diese Achtung der Natur und ihrer Geschöpfe vermittelt der Autor in kurzen Erzählungen aus seinem erlebnisreichen Jägerleben, sodass der Leser ihm rasch beipflichtet, dass es die Eindrücke und Erinnerungen sind, die 'uns Jägern wirklich bleiben ...'

Gerd H. Meyden ist seit mehreren Jahrzehnten passionierter Jäger, Revierbetreuer und begeisterter Hundeführer. Sein erstes im Leopold Stocker Verlag erschienenes Buch 'All das ist Jagd' erlebt bereits die 6. Auflage. Gerd H. Meyden schreibt auch immer wieder Artikel für diverse Jagdzeitschriften.

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Leseprobe

Frühe „Jagdreisen“


Nur Reisen ist Leben, wie umgekehrt das Leben Reisen ist.

JEAN PAUL

Wenn einer heutzutage von Jagdreisen erzählt, dann sollte es unbedingt weit in die Ferne gehen. Namibia ist bald schon so alltäglich, als wenn einer vom Urlaub auf Mallorca berichtet. Nein, damit die staunende Runde die Löffel spitzt, da muss es schon nach Neuseeland, Alaska, Kamtschatka oder in den Tien Shan gehen.

Mit meinen frühen „Jagdreisen“ kann ich da nicht punkten. In den Fünfzigerjahren da kannte man die wenigen jagdlichen Globetrotter, die je über des Vaterlands Grenzen hinaus ihre Büchse geführt hatten, alle beim Namen. Staunend und sehnsüchtig verschlang ich die Berichte eines Graf Hoensbroech, Ernst Zwilling oder Eben-Ebenau. Jedoch, wie man es meinem Sternzeichen Schütze nachsagt, verspürte ich schon früh Fernweh und Reiselust. Doch es war noch weit bis zu jenem Schritt, frei nach Mephisto: „Ihn treibt die Sehnsucht in die Ferne.“

Von einer Jagdreise in die Weite der Welt konnte ich nur träumen und ich führte Freudensprünge auf, weil ich auf einen Rehbock ins Donaumoos eingeladen war.

Mein strenger jagdlicher Lehrprinz, Graf Bülow, der in München 1951 ein Bläserkorps gegründet hatte, dessen jüngstes Mitglied ich war, hatte seinen Wirkungskreis nach Augsburg verlegt. Auch dort hatte er schnell junge Jäger für Brauchtum und waidgerechtes Jagen begeistern können. Zur Feier der bestandenen Jägerprüfung seiner Schützlinge waren wir zur festlichen Umrahmung mit Hörnerklängen zur Stelle. Die gestandenen „alten Jäger“ und Revierinhaber luden uns nun zur Belohnung auf einen Rehbock ein. Mein Gönner war ein Augsburger Urgestein – der Heindl Schorsch. Die Einladung war im Herbst ausgesprochen worden, und ich konnte es kaum erwarten, dass es endlich Juni würde. Doch zuvor musste ich selbst diejägerprüfung machen.

Das war damals noch ein recht einfaches Spiel, mir jedenfalls erschien es so, der ich mit Jagd und Hunden aufgewachsen war. Die Prüfer kannten mich allesamt. Entweder es waren Hundeleute – ich führte ja schon selber auf Verbandsprüfungen – oder sie kannten mich als passionierten Jagdhornbläser. Mit einem der Prüfer diskutierte ich über Deutsch-Kurzhaar-Mutterlinien, mit dem anderen, der Wildkunde prüfte, über Rezepte der Wildzubereitung. Die Schießprüfung war ein Vergnügen, sodass ich frech nach schwereren Tontauben fragte. Das fachliche Wissen, welches damals gefordert wurde, konnte ich locker und ausführlich unter Beweis stellen. Die „Alten“ waren froh, so begeisterten Nachwuchs in ihren durch den Krieg gelichteten Reihen zu haben.

Es kam nun die Blattzeit heran, und der Heindl Schorsch wollte mich auf meinen „Ersten“ führen. Ich wohnte damals in einem Vorort im Westen Münchens. Die Entfernung von „lächerlichen“ 80 km bis Augsburg strampelte ich daher per Fahrrad ab. Eine Büchse, hieß es, brauchte ich nicht mitzubringen, der Schorsch wollte mir seinen Drilling leihen. So radelte ich frohgemut, mit druckfrischem Jugendjagdschein, grünbehemdet gen Westen. Ab und zu begegneten mir ebenfalls grüngewandete Pfadfinder. Freundlich grüßend hielten sie mich für einen der Ihrigen. Um sie nicht zu enttäuschen, entgegnete ich auch mit Pfadfindergruß, den ich ihnen schnell abgeguckt hatte.

In Augsburg angelangt, bestieg ich den VW-Käfer vom Heindl Schorsch und wir schnurrten frohgemut gen Donauried. Im Revier, in der Nähe von Mertingen, hatte der Schorsch eine winzige Jagdhütte, klein wie eine Schuhschachtel, inmitten eines Kiefernwaldes. Ich wurde ermahnt, stets sofort die Türe zu schließen, denn draußen sangen und sirrten blutdürstige Mückenwolken. Denen war ich mit meinen kurzen Lederhosen ein willkommenes Opfer. Die Frau vom Schorsch – selber Jägerin – mied das Revier im Sommer, da sie auf Insektenstiche allergisch reagierte.

Gegen die Mückenplage hatte ich ein Mittelchen dabei – Bonomol – das bei unvorsichtiger Anwendung auf den Schleimhäuten und an den Augen höllisch brannte. Doch jetzt, glaubte ich als „gestandener Jäger“, könnte eine Pfeife meine „Würde“ unterstreichen und zugleich die lästigen Insekten vertreiben. Ich hatte mir schon fachmännisch eine teure Pfeife eingeraucht, indem ich den Pfeifenkopf innen mit Honig eingestrichen hatte. Das, so sagten mir die Experten, würde den richtigen Brand geben. Es gab ihn auch, vor allem auf meiner Zunge. Ich schmeckte nichts mehr, außer salzig oder süß, aber ich fand, es sehe furchtbar fesch aus, so lässig mit der Pfeife im Mund.

Zum Abendansitz brachte mich der Jagdherr auf einen Sitz an einer Erle am Rande des Moores. Er hatte dort einen Einstangenbock bestätigt. Stolz und glücklich, endlich allein ansitzen zu können, kraxelte ich auf meinen Erlensitz. Der Drilling mit der 8x57R-Kugel duftete wunderbar nach Ballistol. Immer wieder musste ich daran schnuppern. Am Geruch dieses Waffenöls hängen für mich seitdem immer noch die schönsten Erinnerungen.

Im schwindenden Büchsenlicht erspähte ich den Gesuchten, aber die Entfernung war zu groß. Eifrig trieb er seine Geiß in immer weiteren Kreisen von mir fort.

In der Nacht fand ich vor lauter Vorfreude kaum Schlaf – eine lästige Eigenschaft, die mich auch heute, nach so vielen Jahrzehnten, noch nicht verlassen hat. Zum Aufstehen in aller Herrgottsfrühe brauchte ich keinen Wecker. Schon vor dem ersten Dämmern saß ich mückenumsirrt auf meiner Leiter. Ich rauchte eine Pfeife nach der anderen, meine Zunge wurde immer pelziger und gefühlloser.

Da erspähte ich im ersten Morgenlicht den Gesuchten. Wieder trieb er keuchend seine Geiß, wieder war er viel zu weit. Da hielt es mich nicht mehr auf meinem Sitz und ich pirschte mich an. Die Strafe folgte sogleich. Die Geiß bekam mich in den Wind und sprang, den Bock mit sich fortnehmend, ab. Enttäuscht und verärgert über meine Ungeduld schlich ich zu meinem Erlensitz zurück. Doch die grünen Geister hatten ein Einsehen. Bald rauschte es in den Erlenstauden und der Bock trieb, nun wesentlich näher, seine Geiß in Kreisen und Girlanden um die Büsche. Mit dem Drilling im Anschlag, das Herz hämmerte bis zu den Ohren, wartete ich, dass er einmal verhoffen würde. Endlich stand er breit. Eingestochen! Ich nahm mich zusammen und der erlösende Schuss knallte ins stille Moor. Mit taumelnder Flucht verschwand der Getroffene im Gesträuch.

Als ich nach einer nie enden wollenden Halbstunde zum Anschuss ging, wies mir blasiger Lungenschweiß die Fluchtbahn. Nach wenigen Metern stand ich dann vor meinem Ersten, dessen einzige Stange, etwa zehn Zentimeter hoch, wie ein Korkenzieher gewunden war.

Nachdem ich ihn aufgebrochen hatte – mit den von Blutgier wie tollen Bremsen und Mücken eine wahre Tortur – verblies ich ihn, ich war ja schließlich Jagdhornbläser, mit allen passenden Signalen. Am liebsten hätte ich noch Zugaben gemacht.

Bald erschien der Schorsch, der sich mit mir freute und mir den ersten Erlegerbruch – natürlich Erle – überreichte. Seitdem ist mir der Erlenbruch, wenn’s keine Zirbe oder Latsche gibt, der liebste geblieben.

Es war noch früh am Morgen, und so wollte der Freund mit mir einen Pirschgang durchs Moos machen. Den Bock ließen wir zum Ausschweißen an einem schattigen Platz zurück. Es ging an Torfstichen, an rohrkolbenumwachsenen Tümpeln vorbei, aus denen paakend Enten aufstiegen, immer weiter hinein ins menschenleere, weite Donauried. Auf einer größeren Freifläche machten wir einen geringen Bock aus.

„Auf, Gerd, den schiesch jetzt au no!“ forderte mich der großzügige Versucher auf.

„Nein Schorsch, vielen Dank, aber versteh’ mich recht, das Erlebnis vom Morgen, das soll heute einzigartig bleiben!“

Der liebe Freund verstand mich gut und schoss nun selbst den geringen Gabler. Den wollte aber jetzt ich tragen und packte mir den Erlegten in den Rucksack. Mittlerweile stand die Sonne hoch am Himmel und machte den glühenden Hundstagen alle Ehre. Der Schweiß rann mir in Strömen herab, schwemmte das Mückenmittel fort, und Pfeife rauchen – das war sinnlos. Zeitweise waren meine nackten Knie geradezu grau von Blutsaugern und ich verstand sehr gut, warum die Frau vom Schorsch hier im Sommer fernblieb.

Ich habe in späteren Jahren in diesem Revier noch so manchen Rehbock glücklich schwitzend zur kleinen Jagdhütte getragen, aber da war ich besser gegen die Bluträuber gewappnet.

Der korkenzieherartig gewundene „Einstangler“ hängt heute an einem Ehrenplatz auf einem besonderen Taferl neben einem anderen, der eine hohe Anzahl meiner Rehböcke rundete.

* * *

Meine nächste „Jagdreise“ führte mich in den Chiemgau. Auf den zahlreichen Hundeprüfungen schloss ich nähere Bekanntschaft mit dem Freiherrn Crafft von Crailsheim. Sein Familiensitz, das Schloss Amerang, mit dem berühmten, von den Scaligern erbauten Renaissance-Innenhof wurde bereits im Jahre 1072...

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