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E-Book

'Was zum Teufel geschieht in meinem Hirn?'

Ein Leben jenseits der Demenz

AutorKate Swaffer
VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783456758510
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis26,99 EUR
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Leseprobe

Einführung


Wie in meinem ersten Gedichtband Love, Life, Loss: A Roller-Coaster of Poetry (2012c) ist auch in diesem Buch mein Leben das Thema, allerdings steht hier das Leben mit der Diagnose Young Onset Dementia im Vordergrund. Es ist keine Autobiografie im üblichen Sinn, sondern es geht um das Gefühl, mit Demenz zu leben und um Geschichten und Gedanken, die aus meinem Herzen kommen, nicht nur um Demenz. Es ist kein wissenschaftliches Buch und es beschäftigt sich auch nicht speziell mit dem Gesundheitsbereich; es ist auch nicht nur für Menschen mit Demenz und ihre Familien oder Pflegepartner gedacht. Ich bin jedoch überzeugt, dass Gesundheitsfachleute und Dienstleistungsanbieter davon profitieren können. Das Buch vermittelt meine Wahrheit und meine Realität. Man könnte das Genre als wirr bezeichnen, gerade so wie ich auch manchmal bin. Es ist ein kreatives Sachbuch mit wissenschaftlichen und autobiografischen Anteilen. Manche Geschichten oder Gedanken werden Anklang finden, andere nicht. Einige werden vielleicht sogar zu Irritationen führen, aber immer kommen sie aus meinem Herzen.

Ich habe angefangen, über Demenz zu schreiben, um geistig aktiv zu bleiben, um meine Gedanken mitzuteilen, um mich zu erinnern, wer ich wirklich bin und um mein Leben, meine Gedanken und meine Einstellungen festzuhalten, um später Aufzeichnungen von ihnen zu haben, selbst wenn ich mich nicht erinnere, was ich gedacht und getan haben. Durch mein Schreiben und Bloggen ist eine Datenbank für meine Erinnerungen entstanden. Bedingt durch meine Gewohnheit, soziale Medien wie Facebook und Twitter zu nutzen, musste ich mir die Mühe machen zu kommunizieren. In der Tat sind soziale Medien heutzutage fast die einzige Möglichkeit, zu anderen Kontakt zu halten, da nur wenige ihr Handy benutzen und kaum jemand noch an seinen Festnetzanschluss geht, falls es überhaupt einen gibt, und fast niemand mehr Zeit für einen Kaffee oder einen Plausch hat. Es scheint, dass wir alle zu sehr mit unserem Leben beschäftigt sind, um miteinander zu reden und so ist das Schreiben für mich eine Möglichkeit, zu anderen Kontakt zu haben, und sei es nur über dieses Buch oder über meinen Blog im virtuellen Raum oder über soziale Medien. Momentan sind mein Blog Creating Life with Words: Inspiration, Love and Truth (http://kateswaffer.com) und soziale Medien für mich oft die einzige Möglichkeit, mit mir und dem Rest der Welt in Kontakt zu bleiben.

Niemand geht ans Telefon,

Keine Zeit für seichtes Geplapper,

Ein kurzer Text tut’s auch.

Bevor ich anfing zu schreiben und meinen Blog zu aktivieren, wusste ich nicht, wie wichtig es sein könnte, einen Platz zu haben, wo andere Menschen mit Demenz und deren Familien und Freunde sich über das Leben, Krankheiten, Demenz und unsere anderen, sich stetig verschlechternden Fähigkeiten austauschen können, wo ich, unter den Augen anderer (eher Leser als Kritiker), erfahren kann, wie meine Geschichten bei anderen angekommen sind. Der geistreiche Schriftsteller Joel Magarey, Autor von Exposure, sagt, seine Worte würden erst dann zum Leben erweckt, wenn sie von seiner Seelenverwandten und Geliebten gelesen und kommentiert werden, deren Empathie und Übereinstimmung mit ihm er sehr eloquent in dem Buch beschreibt:

Wenn ich mir vorstelle, wie ich diese Worte zu Penny sage, scheinen sie die Bedeutung zu erlangen, die ich mir wünsche, so als würden diese subjektiven Erfahrungen erst dadurch, dass ich ihr davon erzähle, richtig zum Leben erweckt.

(2009, S. 183)

Dieses „aufmerksame“ Lesen erfordert kluge und kontemplative Stille, die es dem Autor ermöglicht, die Fantasie des Lesers zu beflügeln und aus dem Herzen zu sprechen. Es ist kein Ersatz für kritisches Lesen, kann aber eine wertvolle Quelle sein, die den Menschen bereichert.

Dieses Buch verdankt seine Existenz der Tatsache, dass Menschen mit Demenz unterrepräsentiert sind. Inzwischen habe ich viele Bücher und Blogs gelesen, von denen einige auf sehr bewegende Art große Wertschätzung für liebe Angehörige mit Demenz zum Ausdruck bringen, aufklärend und informativ und als Unterstützung für Pflegepartner gedacht sind, allerdings geschrieben von Menschen ohne Demenz über Menschen mit Demenz. Leider sind diese und viele andere Beiträge von Pflegepartnern, die ich online gesehen habe, meistens äußerst bedrückend, weil häufig schriftlich oder mündlich über Menschen mit Demenz gesagt wird, sie seien eine Belastung für ihre Familie, sie „bauen immer mehr ab“ oder „seien nicht ganz da“. Solche Äußerungen halten die vielen falschen Vorstellungen und die Stigmatisierung am Leben, die den Versuch, ein Leben jenseits der Demenz zu führen, vereiteln und meine Schuldgefühle wegen meiner Demenz verstärken.

Ich bin immer wieder empört, dass Menschen ohne Demenz es völlig in Ordnung finden, über die Befindlichkeit von Menschen mit Demenz und das, was für sie das Beste ist, Vorträge zu halten, zu schreiben, zu sprechen und zu verbreiten, ohne sich die Mühe zu machen, uns zu fragen. Ich bin nicht mehr bereit, an einer Konferenz oder Veranstaltung über Demenz teilzunehmen, wenn nicht wenigstens eine Person mit Demenz auf dem Podium ist und eine programmatische Rede hält.

Ich melde mich zu Wort, weil der Satz „Nichts über uns, ohne uns“ weltweit im Bereich Demenz und davor jahrelang unter Menschen mit Behinderung herumgegeistert ist, ohne dass bislang eine umfassende Inklusion erfolgt ist. Der World Dementia Council existiert seit Anfang 2014 und in der Zeit, bevor die vielen Initiativen pro Inklusion stattfanden, war niemand mit Demenz dort Mitglied. Jede Advocacy-Organisation [advocacy = Engagement, Fürsprache] in Australien und die Alzheimer-Gesellschaften in den meisten anderen Ländern, die behaupten, Menschen mit Demenz und pflegende Angehörige zu unterstützen und sich für deren Interessen einzusetzen, haben in ihren Ausschüssen selten Menschen mit Demenz. Ich halte das für eine eklatante Irreführung, die lediglich bestätigt, dass in den meisten Fällen immer noch „ohne uns, über uns“ entschieden wird. In Weißbüchern und anderen Berichten fehlen die Stimmen von Menschen mit Demenz. Das ist nicht nur unverschämt und beleidigend, sondern auch diskriminierend und fördert zudem die Stigmatisierung, Isolation und Ausgrenzung. Einige mögen sich fragen, warum wir überhaupt Mitglied in einem Ausschuss sein wollen, denn dies ist oft mit Anstrengung und viel Arbeit verbunden, aber wenn sie dort „ohne uns, über uns“ entscheiden, halten sie die falschen Vorstellungen über Demenz weiter lebendig. Ich melde mich auch zu Wort, um andere aufzuklären und ihnen bewusst zu machen, dass jeder in jedem Alter Demenz bekommen kann. Und wenn ich Sie nicht mit meiner Welt vertraut mache, kann ich wohl kaum erwarten, dass Sie verstehen, was das Leben mit Demenz für mich wirklich bedeutet.

Der zweite Grund, warum ich beschlossen habe, aus der Sicht einer Betroffenen schriftlich und mündlich zu vermitteln, was es bedeutet, mit Demenz zu leben, ist der, dass ich es satt habe, zu hören und zu lesen, was für eine „Belastung“ wir für pflegende Angehörige sind, wie schwer sie es haben, dass wir immer mehr abbauen, wie negativ sich unser „herausforderndes Verhalten“ auf sie auswirkt und welche Schwierigkeiten das Gesundheitssystem generell mit unserer Pflege hat. Ich habe es satt, von Menschen ohne Demenz zu hören, oder in Artikeln von ihnen zu lesen, dass es ihr gutes Recht ist, Menschen mit Demenz wegzuschließen oder sie elektronisch zu überwachen. Die Begründung ist natürlich immer, es sei zu unserer eigenen Sicherheit.

Seit wann ist es gesetzlich erlaubt, Menschen wegzuschließen oder sie elektronisch zu überwachen (was nach der Auffassung anderer nur unserer eigenen Sicherheit dient)? Meines Wissens ist dies nur dann möglich, wenn wir als Kriminelle verurteilt werden. Selbst Menschen mit schweren psychischen Störungen können nicht einfach weggeschlossen werden, und trotzdem akzeptiert die Gesellschaft bereitwillig, dass es völlig in Ordnung ist, gegen grundlegende Menschenrechte zu verstoßen und Menschen mit Demenz wegzuschließen oder elektronisch zu überwachen. Wir bringen Menschen mit Demenz in Einrichtungen unter, oft in geschlossenen Demenzabteilungen, und dort werden sie dann häufig einfach vergessen. Das ist nicht nur eine Vermutung von mir, denn Untersuchungen belegen klar, dass Menschen nach ihrer Unterbringung im Pflegeheim nur noch ganz selten Besuch bekommen. Es kommt jedoch auch vor, dass die Person, die ins Pflegeheim geht, kein Interesse daran hat. Natürlich ist dies eine Verallgemeinerung, die allerdings wissenschaftlich belegt ist. Es gibt auch viele pflegende Angehörige, die sehr viel Zeit mit dem geliebten Menschen verbringen und meinten, keine andere Wahl zu haben, als ihn im Pflegeheim unterzubringen. Ich war eine von ihnen, denn ich war die Pflegepartnerin für drei Personen, die mittlerweile alle gestorben sind. In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass viele pflegende Angehörige unter Schuldgefühlen leiden, weil sie einen geliebten Menschen im Pflegeheim untergebracht haben. Mein Mann und ich haben das auch getan und werden uns immer schuldig fühlen und denken, wir hätten seinen Vater im Stich gelassen.

Interessant ist auch, dass wir Kinder seit Jahren nicht mehr in Einrichtungen unterbringen, weil wir inzwischen wissen, dass die Pflege dort oft schlecht war und Kinder misshandelt wurden. Doch wir...

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