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E-Book

Wenn Märchenprinzen lästig werden ...

Die neue Leichtigkeit männerloser Frauen

AutorEvelyn Holst, Peter Sandmeyer
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783105601440
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Manche Frösche kann frau küssen soviel sie will, es wird kein Prinz daraus. Und viele Märchenprinzen verwandeln sich unversehens in Frösche zurück. Dennoch: Die Sehnsucht nach einem, den wir lieben könnten, bleibt. Evelyn Holst und Peter Sandmeyer haben nachgefragt, wie allein lebende Frauen denken, fühlen, was sie sich wünschen und was sie genießen. Dabei zeigt sich, dass allein leben nicht unbedingt heißt, ohne Männer zu leben und männerlos leben sehr in Ordnung sein kann. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Evelyn Holst, geboren 1952, studierte Geschichte und Englisch, bevor sie als Reporterin zum »stern« ging. Sie hat zahlreiche Romane geschrieben, von denen einige fürs Fernsehen verfilmt wurden.

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Leseprobe

Frauen gehört die Zukunft


Moderne Hirnforschung beweist:
Sie sind den Männern überlegen


Es ist gerade mal zwanzig Jahre her, dass es bei den Berliner Philharmonikern, dem renommiertesten Orchester Deutschlands, zu einem schweren Konflikt kam. Anlass: Herbert von Karajan hatte die Stelle einer Solo-Klarinette gegen den Willen der Orchestermänner mit einer Frau besetzt. Heute sitzen vor dem Dirigentenpult sechzehn Frauen, als Solistinnen sind sie selbstverständlich, bei Probespielen setzen sich mehr Frauen durch als Männer, und an den Hochschulen und Orchester-Akademien haben sie längst die Mehrheit. «Frauen», sagt die Geigerin Eva-Maria Tomasi, «sind heute ehrgeiziger als viele Männer.»

Und besser. Instrumentale Musik ist eine hochartifizielle Verarbeitung emotionaler Erfahrungen wie Schmerz, Liebe, Trauer; ein komplexer Vorgang, an dem beide Hirnhälften beteiligt sind. Seitdem Wissenschaftler über Geräte wie den Kernspintomographen verfügen und damit Menschen beim Denken zuschauen können, wissen sie, dass im Kopf von Männern und Frauen ganz unterschiedliche Prozesse ablaufen. Die Durchblutungskarte des Gehirns zeigt, dass bei Frauen beide Hälften in lebhafter und ständiger Verbindung miteinander stehen. Das weibliche Gehirn verfügt über deutlich mehr Nervenbahnen, welche die beiden Hemisphären miteinander verbinden, während das männliche Gehirn stärker gegliedert ist. Männer denken deswegen nur mit der Gehirnhälfte, die gerade benötigt wird, während bei Frauen immer beide Gehirnhälften beteiligt sind. Dieser biologische Unterschied führt bei Männern zu dem bekannten «zielorientierten» Denken, das noch von dem männlichen Hormon Testosteron unterstützt wird, welches unter anderem dafür sorgt, dass die Aufmerksamkeit auf einen Punkt gelenkt wird. Frauen denken da «emotionaler». Der Gehirnbereich, der für Gefühle zuständig ist, wird nicht abgeschaltet, sondern an jedem Denkvorgang beteiligt. Das ist für Männer bekanntermaßen irritierend, für Frauen aber ein wahrer Segen. Denn es ermöglicht ihnen im Unterschied zu den Männern ein vernetztes oder komplexes Denken. Genau das wird aber nicht nur von Orchestermusikern, sondern in immer mehr Jobs der modernen Berufswelt verlangt.

Frauen nehmen mehr Einzelheiten in ihrer Umgebung wahr und ziehen mehr Möglichkeiten bei der Lösung eines Problems in Erwägung als Männer; sie können besser mit komplexen Mustern umgehen und stärker in Zusammenhängen denken. Sie sind deswegen in vielen Arbeitsbereichen auf dem Vormarsch, nicht nur als Lehrerinnen und Ärztinnen, sondern auch als Kommunikationsexpertinnen, Autorinnen, Journalistinnen, Managerinnen und Juristinnen.

Der Vormarsch der Frauen in vielen gesellschaftlichen Bereichen wird von einem weiteren biologischen Unterschied zwischen den Geschlechtern begünstigt. Er besteht in der hormonellen Steuerung. Der amerikanische Komiker Steve Martin drückt die Konsequenz dieses Unterschieds salopp mit dem Satz aus: «Men have enough blood to run their penis and to run their brain; but not enough to run both at the same time.» Wenn sich also das Blut eines Mannes zwischen Kopf und Penis zu entscheiden hat, wird die Entscheidung mit ziemlicher Sicherheit für den Penis fallen. Schuld daran ist wieder ein Teil des Gehirns: Der Hypothalamus, ein kirschkerngroßer Teil des Zwischenhirns, der als Sexzentrum gilt. Er steuert das sexuelle Verlangen, und die Stimulanz dieses Verlangens ist das Hormon Testosteron. Dessen Spiegel ist bei Männern eklatant höher – zehn- bis zwanzigmal – als bei Frauen, und der Hypothalamus ist deutlich größer. Das erklärt nicht nur, weshalb Männer immer nur «das Eine» wollen, sondern auch, weshalb sie es einfach nicht können, nicht zu wollen. Frauen dagegen sind mit einem kleineren Hypothalamus gesegnet und längst nicht so stark von Testosteron vergiftet. Ihnen gelingt es deswegen viel leichter, auf Sex zu verzichten und stattdessen beispielsweise Karriere zu machen.

Und das tun heute immer mehr erfolgreiche Frauen, die finden, dass sie es nicht nötig haben, ihren Selbstwert über ihre Beachtung bei Männern zu definieren. So unterschiedliche Frauen wie die Eiskunstläuferin Katarina Witt oder die Schauspielerin Mariella Ahrens sind in diesem Punkt einer Meinung und erklären offen, dass sie mit Männern in der jetzigen Phase ihres Lebens nichts anfangen können und wollen und sich stattdessen lieber auf ihre berufliche Karriere konzentrieren.

Männer mit gleichen Absichten müssten Wege finden, ihren Testosteron-Spiegel auf andere Weise abzubauen. Sie würden andere Länder überfallen oder den nächsten Schnapsladen, sich auf ihre Nachbarin stürzen oder auf die Ausrottung sämtlicher Konkurrenten im Büro. Kein Wunder, dass allein stehende Männer eine signifikant schlechtere Gesundheit und Lebenserwartung haben als Männer in festen Partnerschaften. Allein stehende Frauen dagegen sind gesünder und leben länger als ihre verheirateten Schwestern. Ihnen fehlt nichts. Sie können einfach Geige spielen. Das macht sie emotional stark. Stärker als die Männer.

Die Überlegenheit von Frauen in diesem Punkt – und nicht nur in diesem – lässt sich an vielen historischen Beispielen demonstrieren. Ein klassischer Fall ist das Ehepaar Hemingway-Gellhorn, Ernest und Martha, beide Autoren, Romanciers und Berichterstatter. Der spanische Bürgerkrieg hatte sie zusammengeführt, beide schrieben für amerikanische Magazine, beide waren engagiert für die Sache der Republikaner; sie trafen sich im belagerten Madrid und waren fasziniert voneinander. Im Rückblick sagte sie: «Ich glaube, das war die einzige Zeit in seinem Leben, als er nicht das Wichtigste war, was es gab. Ihm lag wirklich etwas an der Republik und am Ausgang des Krieges. Ich glaube, sonst wäre ich auch nie hängen geblieben.»

Sie blieben aneinander hängen, er ließ sich scheiden, heiratete sie und lebte mit ihr auf einer Finca in der Nähe von Havanna. Doch der Kumpel, Liebhaber und Genosse aus den Kriegstagen von gestern wurde bald zum Bremsklotz in ihrem Leben. Als sie in der angebrochenen Hitler-Zeit für eine große Reportage über die Tschechoslowakei nach Europa fuhr, da fand sie ihn nach ihrer Rückkehr inmitten von Unmengen leerer Flaschen und Bergen von schmutziger Wäsche, vorwurfsvoll und beleidigt. In ihrer Abwesenheit hatte er einen «Kontrakt» aufgesetzt, den sie unterschreiben sollte. «Ich, die unterfertigte Mrs. Martha, garantiere und verspreche hiermit, meinen gegenwärtigen und zukünftigen Gatten in keiner wie immer gearteten Weise brutal zu behandeln. Ich erkenne an, dass ein sehr guter und sensibler Schriftsteller nicht zwei Monate und sechzehn Tage allein gelassen werden kann, während welcher Zeitspanne er vielen nervtötenden und unmöglichen Dingen willkürlich und unwillkürlich ausgesetzt ist, und dass ich ein triftiger Grund für seinen bedrückten Gemütszustand während dieser langen Periode der Einsamkeit war. Ich bedaure das daher zutiefst und werde versuchen, ihn für das Elend zu entschädigen, das er durchgemacht hat …» Dieser Text Hemingways hat noch einen Unterton von Selbstironie, aber der wurde immer rarer in seinem Leben.

Ein paar Jahre später schreibt Martha Gellhorn in einem Brief an Ernest, sie sei zu der Ansicht gelangt, dass die Ehe «eine seltene und gute Sache» sei und eher etwas Instinktives, da sie überall in der Natur vorkomme, «aber auch eine Verrohung». Es sei die Verrohung einer erstickenden Sicherheit. «Zwei Menschen leben zusammen und werden allmählich füreinander der gemeinsame Nenner. Sie kommen schweigend überein, die Phantasie und Leidenschaft wegzulassen. Sie finden eine gemeinsame Basis, die grün und weich ist, und dort bleiben sie.» Und dann fährt sie fort: «Ich möchte jung und arm und in Mailand sein, zusammen mit dir aber nicht mit dir verheiratet. Ich glaube, dass ich mich immer in gewisser Weise wie eine Frau fühlen wollte, und wenn ich das je getan habe, so war es im ersten Winter in Madrid. In diesem Gefühl steckt eine Art Blindheit und Feuer und Rücksichtslosigkeit, die man immer wollen muss. Ich hasse es, so weise und vorsichtig, so verlässlich und denaturiert zu sein, so imstande, zurechtzukommen.»

Verzweifelt schrieb sie diesen Brief an ihren Mann, der immer mehr in die Saturiertheit des kubanischen Dolce Vita und die whiskyselige Pose des «Papa Hemingway» abdriftete, um ihn aufzurütteln und ihrem träge gewordenen Eheleben neuen Schwung zu geben. Ohne Erfolg. Auch im sexuellen Bereich wuchsen jetzt Spannungen und Frustrationen. Hemingway forderte seine ehelichen Rechte ein, ohne noch die alte Grundlage für ihren erotischen Umgang miteinander – «mit meinem Körper verehre ich dich» – zu beachten.

Schließlich zog Martha allein los, wieder nach Europa, wieder als Kriegsberichterstatterin; und sie zog ihn noch einmal nach, aber es war zu spät: In London kam es zum endgültigen Bruch zwischen ihnen. Fortan lebte sie wie befreit von einer Last, glücklich und allein, berichtete von vielen Kriegsschauplätzen und noch mehr Reisen, die sie quer durch Europa, Asien und Afrika führten, engagierte sich für Kinder und Kriegsopfer, starb hochbetagt und hoch geachtet. Ihr Ex-Gatte dagegen suchte sich umgehend die nächste Frau und die nächste Schnapsflasche, wurde erst unkreativ, dann impotent, dann depressiv und jagte sich schließlich eine Kugel in den Kopf.

 

»Blindheit und Feuer und Rücksichtslosigkeit» – wie eine Fanfare für das Selbstverständnis der Stärke moderner Frauen klingen die drei Worte von Martha Gellhorn. «Vielleicht kennen Sie von Ihren Freundinnen oder auch von sich selbst dieses Phänomen, dass eine Frau zu den...

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