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E-Book

Werner von Siemens

1816-1892

AutorJohannes Bähr
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl578 Seiten
ISBN9783406698217
FormatPDF/ePUB
KopierschutzDRM/Wasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR

Werner von Siemens gehört zu den Wegbereitern der Moderne. Anlässlich seines 200. Geburtstags zeichnet Johannes Bähr ein faszinierendes Bild dieses außergewöhnlichen Unternehmers und seiner Epoche. Dazu wurden erstmals tausende Briefe auf digitaler Basis ausgewertet. Als Erfinder hat Werner von Siemens dazu beigetragen, das Leben der Menschen zu verändern. Seine Innovationen spielten eine entscheidende Rolle, indem sie der Elektrizität immer neue Anwendungsfelder erschlossen: bei der Übertragung von Nachrichten, bei der Erzeugung von Energie, der Beleuchtung von Gebäuden und dem Antrieb von Maschinen. Doch der Pionier der Elektroindustrie war auch als Mensch facettenreich: Unternehmer und Erfinder, Offizier des preußischen Militärs, verantwortungsvoller Familienvater sowie Abgeordneter und Wissenschaftsförderer. Seine Biografie bietet das Panorama eines Jahrhunderts, in dem sich die Welt grundlegend wandelte. Kriege, Revolutionen, Könige und Zaren beeinflussten den Werdegang dieses Erfinderunternehmers, der Telegrafenkabel nach Nordamerika und Vorderasien verlegen ließ und die erste elektrische Straßenbahn der Welt baute.



<p>Johannes B&auml;hr ist apl. Professor an der Goethe-Universit&auml;t Frankfurt am Main und hat zahlreiche Werke zur Unternehmensgeschichte ver&ouml;ffentlicht.</p>

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Leseprobe

Einleitung


Werner von Siemens hat als Unternehmer, Erfinder und Techniker dazu beigetragen, dass sich die Welt in seiner Zeit so tief greifend veränderte wie kaum jemals zuvor. Der 1816 geborene Gründer der heutigen Siemens AG wuchs heran, als die Industrie aufkam. Mit der Ausbreitung von Dampfmaschinen und Eisenbahnen begann eine bis dahin beispiellose Epoche technischer Innovationen. Werner von Siemens hat als Pionier der Elektrotechnik eine Branche mitbegründet, ohne die unsere heutige Welt nicht vorstellbar ist. Auch andere Erfinder haben damals die neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse über die Prinzipien der Elektrizität genutzt, doch nur wenige haben das wirtschaftliche Potenzial dieser neuen Technik so erfolgreich erkannt, und nur wenige Industrielle waren so frühzeitig auch international tätig.

Heute ist Werner von Siemens so bekannt wie kaum ein anderer deutscher Unternehmer aus der Zeit der frühen Industrialisierung. Dies liegt nicht allein daran, dass das von ihm gegründete Unternehmen zu den großen Marken der elektrotechnischen Industrie zählt, sondern auch an seinen Leistungen als Erfinder, Verbandsgründer und Förderer. Als «Vater der Elektrotechnik» wurde er schon bald nach seinem Tod zur Ikone einer nationalen Erinnerungskultur, die wissenschaftliche und technische Leistungen höher bewertete als unternehmerische. Dieses Bild begann in den vergangenen Jahrzehnten zu verblassen und mit ihm das Interesse der Öffentlichkeit an Werner von Siemens. Nennenswerte Biografien über ihn wurden in den letzten 70 Jahren nur noch von Leitern des Siemens-Archivs beziehungsweise des SiemensForums verfasst.[1]

Dabei ist die Beschäftigung mit Werner von Siemens heute ausgesprochen lohnenswert, wenn man sich seiner Lebensgeschichte in all ihren Facetten und ohne Verklärung nähert. Den Ansätzen der heutigen historischen Forschung entsprechend, bietet die vorliegende Biografie erstmals ein Gesamtbild der Persönlichkeit, unter Einbeziehung des familiären, geschäftlichen und gesellschaftlichen Umfelds.[2] Neben dem Unternehmer und Erfinder wird der Bürger Werner von Siemens zu beschreiben sein, der Ehemann, Bruder, Familienvater und Nachbar, aber auch der Abgeordnete, der Vereinsvorsitzende und das Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Um die zeitlichen Zusammenhänge zu verdeutlichen, ist die Darstellung in Kapitel für einzelne Lebensabschnitte gegliedert, die so weit wie möglich Unterkapitel zu unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen umfassen.

Einen Schwerpunkt bildet das für Werner von Siemens außerordentlich wichtige Verhältnis zu seinen Geschwistern, das geradezu als Schlüssel zu seiner Biografie gelten kann. Er selbst hat sich stets als Teil eines Geschwisterbunds verstanden. Besonders gilt dies für die enge Beziehung zu den Brüdern Wilhelm und Carl, in denen man seine wichtigsten Lebensbegleiter sehen kann. Beide prägten auch die Entwicklung der Unternehmen Siemens & Halske und Siemens Brothers, an denen sie beteiligt waren. Privates und Geschäftliches gingen im Verhältnis zwischen den Brüdern Werner, Wilhelm und Carl Hand in Hand. Die Loyalität untereinander war ein wichtiger Faktor für den geschäftlichen Erfolg und hat Werner von Siemens’ Vorstellungen von einem Familienunternehmen entscheidend beeinflusst.

Die engen Verbindungen zwischen den Brüdern sind bisher in keiner Werner-von-Siemens-Biografie systematisch beleuchtet worden. Als der Nationalökonom Richard Ehrenberg 1906 die erste Darstellung zur Geschichte der Siemens-Firmen verfasste, war ihm noch bewusst, dass es sich um «Unternehmungen der Brüder Siemens» handelte.[3] Später rückte dieser Zusammenhang in den Hintergrund. Erst in den vergangenen Jahren wurde er durch die von Martin Lutz verfasste Carl-von-Siemens-Biografie wiederentdeckt. Diese Biografie zeichnet zugleich ein neues Bild der Brüder, indem sie deren Wirken in den Kontext der Globalisierung im 19. Jahrhundert stellt.[4] In den vergangenen Jahren hat auch die aus der historischen Anthropologie entstandene Verwandtschaftsgeschichte die Familie Siemens als Untersuchungsfeld entdeckt. David Warren Sabean sieht in der Form dieser familiären Beziehungen ein Beispiel für ein «kinship»-System, das der Entwicklung der deutschen Wirtschaft im 19. Jahrhundert förderlich war.[5] Gleichwohl ist immer noch wenig bekannt, wie sich denn der Zusammenhalt zwischen den Siemens-Brüdern und innerhalb der gesamten Familie gestaltete. Die vorliegende Biografie geht diesen Fragen sowohl in Bezug auf Werner von Siemens als auch in Bezug auf den familiären Kontext nach.

Einen zweiten Schwerpunkt bildet das Verhalten als Erfinder- und Eigentümerunternehmer in einer neuen, wissensgestützten Branche. Werner von Siemens gehörte noch zu den Unternehmern der frühen Industrialisierung in Preußen. Die Firmen waren damals − wie auch Siemens & Halske − durchweg Eigentümer- bzw. Familienunternehmen. Untypisch hingegen war der beschrittene Weg zur Unternehmensgründung. Werner von Siemens gründete als Offizier ohne Erfahrung in der Fabrikation zusammen mit dem Mechaniker Johann Georg Halske eine Werkstatt, um einen von ihm erfundenen Telegrafenapparat zu vermarkten. Sein Aufstieg als Unternehmer ging mit dem einer neuen Branche einher, die auf naturwissenschaftlichen Erkenntnissen beruhte. Dies erforderte ein anderes Vorgehen als in älteren Industriezweigen, vor allem größere Bereitschaft zur Internationalisierung des Geschäfts und eine Abwägung der Risiken, die mit dem Einsatz noch nicht ausgereifter Techniken verbunden waren. Mit dem Übergang zum Großbetrieb und der Etablierung der elektrotechnischen Industrie entstanden veränderte Rahmenbedingungen, die in vielem ein Umdenken erforderten. Das im Rückblick vorherrschende Bild von Werner von Siemens als Industriefürst stammt aus dieser späten Zeit, wird jedoch seiner gesamten Biografie nicht gerecht.

Wie sehr sich das Wirken des Werner von Siemens generellen Erklärungsmustern entzieht, zeigen die unterschiedlichen Bewertungen einzelner Aspekte seines Handelns in der historischen Forschung. Jürgen Kocka hat in seiner klassischen Studie über die Entwicklung der betrieblichen Organisation bei Siemens & Halske herausgearbeitet, dass Werner von Siemens auch dann noch an den Mustern einer eigentümergeführten Personengesellschaft festhielt, als das Unternehmen für einen derartigen Rahmen längst zu groß geworden war.[6] Ein ganz anderes Bild zeichnet die technik- und wissenschaftsgeschichtliche Forschung. Hier wird Werner von Siemens als weitsichtiger Unternehmer beschrieben, der als Erfinder der Dynamomaschine das Potenzial der Starkstromtechnik frühzeitig erkannt und in der Forschungsförderung zukunftsweisende Neuerungen durchgesetzt hat.[7]

Die vorliegende Biografie stützt sich hauptsächlich auf Briefe von und an Werner von Siemens. Die dichte Überlieferung und die Aussagekraft dieser Quellen sind für die unternehmerhistorische Forschung ein Glücksfall. Allein die Korrespondenz zwischen Werner von Siemens und seinen Geschwistern umfasst rund 6500 Briefe. Die große Zahl erklärt sich vor allem durch den ständigen Austausch mit den Brüdern Wilhelm und Carl, die das Geschäft der Siemens-Firmen in London und St. Petersburg leiteten. Die Brüder teilten sich in ihren Briefen geschäftliche Angelegenheiten und technische Fragen ebenso mit wie private Vorgänge und Einschätzungen. Dass ein derartiger Quellenfundus aus dem 19. Jahrhundert erhalten blieb, ist selten und wohl nur dadurch zu erklären, dass das heutige Siemens Historical Institute über eines der ältesten deutschen Unternehmensarchive verfügt. Schon die ersten umfassenden Darstellungen zur Siemens-Geschichte stützten sich auf die Briefe des Unternehmensgründers.[8] Viele von ihnen wurden in den von Conrad Matschoss (1916) und Friedrich Heintzenberg (1953) herausgegebenen Editionen veröffentlicht.[9] In beiden Sammlungen fehlen jedoch die korrespondierenden, nicht weniger aufschlussreichen Briefe an Werner von Siemens. Inzwischen ist die Basis der erfassten und transkribierten Briefwechsel breiter geworden. Dank der vom Siemens Historical Institute veranlassten Digitalisierung können die Briefe gezielter und umfassender ausgewertet werden. Diese Möglichkeiten wurden nun erstmals für eine Werner-von-Siemens-Biografie genutzt. Ergänzend zu...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titel3
Zum Buch578
Über den Autor578
Impressum4
Inhalt5
Einleitung9
Kapitel 1: Herkunft, Kindheit und Jugend15
Eine Familie mit bürgerlicher Tradition15
Idyllische Kindheit und überschattete Jugend22
Schuljahre31
Kapitel 2: Frühe Weichenstellungen39
Der junge Leutnant39
Die Tragödie von Menzendorf48
Getrennte Wege der Waisen57
Kapitel 3: «Das verdammte Geld»63
Erste Experimente63
«Erfindungsspekulation»70
Vormund für drei Brüder83
Kapitel 4: «Halskes Werkstatt»91
Alles auf eine Karte91
Der erste Siemens-Zeigertelegraf98
Unternehmensgründung104
Kapitel 5: Telegrafenlinien für Preußen115
In Revolution und Krieg115
Die ersten Fernlinien126
Erfolglos im Ausland137
Die «Nottebohm-Krise»143
Kapitel 6: «Familiengenius»151
Der Brüder-Bund151
Mit Vernunft zur Liebe157
Heirat und Umzug164
Russland oder Frankreich?168
Aufschwung im Krimkrieg174
Kapitel 7: Im Schatten187
Mathildes Erkrankung187
Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern191
Schwierige Anfänge in London199
Mathildes Tod208
Kapitel 8: «Einer großen Zeit entgegen»217
«Für ein einiges und mächtiges Deutschland»217
Neue Liebe226
Die Dynamomaschine235
Untergang oder Weltfirma242
Kapitel 9: Megaprojekte257
Die Indo-Europäische Telegrafenlinie257
Privatgeschäfte und Familie274
Transatlantikkabel281
Siemens Brothers & Co. Ltd.293
Kapitel 10: Im Zenit299
Der Unternehmer und seine Prinzipien299
Lobbyist für den Patentschutz313
Familienleben mit Antonie321
Neue Zeiten: Telefone und elektrische Beleuchtungen329
Die ersten elektrischen Bahnen341
Kapitel 11: «Die errungene Position behaupten»353
Die Herausforderung durch das Edison-System353
Berlin versus London373
Übergang zum Großunternehmen385
Kapitel 12: Das Vermächtnis393
Die neue Generation393
Förderer der Forschung404
Geadelt wider Willen412
Die letzten Jahre419
Zielstrebig in einer Zeit des Wandels – ein Fazit429
Anhang441
Anmerkungen443
Quellen- und Literaturverzeichnis542
Abbildungsnachweis563
Personenregister564
Ortsregister573
Stammbaum577

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