Zu diesem Buch
Meine Eltern lebten eine Beziehung, wie sie für ihre Generation typisch war: Mein Vater, promovierter Chemiker, war bis zu seiner Pensionierung voll erwerbstätig; meine Mutter, die keinen Beruf erlernt hatte, sorgte für die Familie und den Haushalt. Diese Konstellation hatte natürlich Folgen und vor allem ihre Tücken. Lange Zeit war das Schild neben dem Klingelknopf unserer Haustür mit »Dr. Heinz Lukesch« beschriftet. Meine Mutter störte sich nicht daran, ich aber fand diese Reduktion eines Vier-Personen-Haushalts auf den Leithirsch schon früh äusserst seltsam. Richtig beelendet hat mich der Umgang meiner Eltern mit dem Geld. Das Thema gab regelmässig Anlass zu Streit. Hatte meine Mutter mal wieder ein Twinset (in meiner Erinnerung ging es ständig um Twinsets) gekauft, ohne vorgängig um Erlaubnis zu bitten, setzte es einen furchtbaren Krach ab, der jedes Mal am Mittagstisch und jedes Mal – so will es meine Erinnerung – bei Makkaroni mit Tomatensauce ausgefochten wurde. Kein Wunder, kann ich Makkaroni nicht ausstehen.
Mit der Zeit entwickelte meine Mutter ihre eigene Technik, um diese Konflikte zu vermeiden. Sie zweigte von ihrem Haushaltsgeld ohne Wissen meines Vaters so viele Zehner- und manchmal auch Zwanzigernoten ab, dass sie sich hin und wieder einen Kleiderwunsch erfüllen konnte, ohne anschliessend einen Bussgang antreten zu müssen. Trug sie das klandestin erworbene Stück erstmals, konnte sie auf das Desinteresse meines Vaters zählen, der nie realisierte, wenn sie etwas Neues anhatte. Ich fand es entwürdigend, dass eine erwachsene Frau nicht über ihr eigenes Geld verfügte.
Dabei hätte meine Mutter die Gelegenheit gehabt, bei einer Nachbarin in deren florierendem Damenmodegeschäft als Verkäuferin zu arbeiten. Das hätte ihr Spass gemacht und ihren kommunikativen Talenten entsprochen. Sie wollte zusagen, doch mein Vater funkte dazwischen und erklärte, er habe es nicht nötig, dass seine Frau arbeiten gehe. Welch ein Jammer! Ihr Gelangweiltsein, ja ihre sporadisch auftretenden Depressionen müssen für ihn leichter zu ertragen gewesen sein als die Aussicht auf eine Partnerin, die selbstbewusst und eigenständig durchs Leben geht.
Dessen ungeachtet, orientierte ich mich schon früh an meinem Vater. Mit knapp elf Jahren übte ich erstmals meine eigene Unterschrift: »Dr. Bärbel Lukesch« schrieb ich in krakeliger Kinderschrift auf einen Bogen Briefpapier. Ich wollte den Weg meines Vaters einschlagen beziehungsweise dem Schicksal meiner Mutter unbedingt entgehen.
Auch wenn mein Vater keinerlei Sensorium für die Berufswünsche seiner Ehefrau hatte, war es für ihn selbstverständlich, dass ich das Gymnasium besuchte und studierte. Da setzte sich offenbar der Stolz des Akademikers durch, der es genoss, dass die eigene Tochter auf seinen Spuren wandelte. Der Wahl des Studienfachs – ich entschied mich für Germanistik und Anglistik – mass dann allerdings niemand grosse Bedeutung bei. Bringt es nichts, so schadet es auch nicht, mag die Überlegung gewesen sein, die sich auch als Ausdruck von Gleichgültigkeit interpretieren lässt. Doch damals überwog die Vorstellung, dass ich eines Tages heiraten und Kinder bekommen würde, allfällige Gedanken an einen Beruf, der mir Spass machen und mir ein eigenes Einkommen sichern könnte, deutlich.
So war mein Vater dann auch nicht besonders begeistert, als ich der Frauenbefreiungsbewegung (FBB) beitrat, die in den Siebzigerjahren den Kanton Zug erreichte, wo wir damals wohnten. Seine Reaktion, die zwischen Ärger und Spott hin- und herwechselte, beeindruckte mich nicht gross.
Innerhalb der FBB lernte ich Frauen kennen, mit denen ich all die Themen diskutieren konnte, die mich wirklich interessierten: Empfängnisverhütung, Schwangerschaftsabbruch, Mutterschaftsversicherung, gleiche Löhne für gleiche Arbeit, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, später auch Pornografie.
In dieser Umgebung gewann ich Mut und die Zuversicht, dass ein Frauenleben anders verlaufen kann als jenes meiner Mutter: spannend, herausfordernd, eigenständig und überraschend.
Die Frauenfrage liess mich von dem Moment an nicht mehr los. An der Uni besuchte ich Seminare, in denen Themen wie »Geschlechtertausch im deutschen Roman der Gegenwart« oder »Hexen im Mittelalter« behandelt wurden. Meine Lizenziatsarbeit verfasste ich über die Frauenfiguren in den naturalistischen Dramen von Gerhart Hauptmann. Als Journalistin habe ich laut Datenbank 207 Artikel verfasst, die sich einem Aspekt des Lebens von Frauen widmen: Frauen und Geld, Frauen und Gewalt, Frauen und Kinder, Frauen und Erwerbstätigkeit.
Mein letztes Buch »Und es geht doch! Wenn Väter mitziehen« ist ja im Grunde auch ein Frauenbuch, schliesslich ist die Frage nach der männlichen Beteiligung an Kinderbetreuung und Haushalt für niemanden so zentral wie für Frauen beziehungsweise Mütter.
Das Buch »Wie geht Karriere? Strategien schlauer Frauen« bündelt nun viele der in meiner beruflichen Arbeit gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse in einem Band. Die hier versammelten Porträts und Interviews von und mit sechzehn Frauen und einem Mann sollen konkret veranschaulichen, welche Strategien, Entscheide und Verhaltensweisen Erfolg auf dem Karriereweg versprechen. Ich nenne meine Protagonistinnen »schlau«, weil ich ihr Vorgehen, so unterschiedlich es auch sein mag, für »klug, gescheit, gewitzt oder pfiffig« halte, so lautet die Definition im Lexikon: Schlaue Menschen »wissen um Wege, ihre Ziele (dennoch) zu erreichen«. Unter Karriere (abgeleitet vom lateinischen »carrus«, der Wagen) verstehe ich nicht nur das Erklimmen der Firmenspitze, sondern den Weg in eine bestimmte Position, welche die Inhaberin zufrieden und bestenfalls sogar glücklich macht. Das war beispielsweise der Fall bei Martina Monti, die zwanzig Jahre lang stellvertretende Chefredaktorin der »Annabelle« war und Anfragen, ob sie zur Nummer eins aufrücken wolle, stets abschlägig beantwortete. Ihre Sicherheit im Urteil und die Unabhängigkeit vom männlichen Mythos, nur der Platz an der Spitze sei wirklich top, haben mich beeindruckt. Ich porträtiere sie, weil ich finde, Frauen sollten ihren eigenen Werten und Wünschen vertrauen.
Tun sie das, stossen sie manchmal an Grenzen, die unsere Gesellschaft immer noch zieht. Wer beispielsweise seine Karriere an die erste Stelle setzt und seine Kinder, zumindest zeitweise, dem Vater überlässt, muss mit Empörung rechnen und mit den daraus resultierenden Schuldgefühlen allein klarkommen. Die interimistische »Blick«-Chefredaktorin Andrea Bleicher hat genau das erlebt. Dass sie darüber hinaus auch noch sehr selbstbewusst auftritt und aus ihrer Freude an der Macht und ihren Karrierewünschen keinen Hehl macht, nehmen ihr viele doppelt übel. Warum aber sollte sie nicht? Ich denke, erst wenn Frauenverhalten den gleichen Massstäben unterliegt wie das von Männern, können wir ernsthaft von Chancengleichheit beziehungsweise Gleichstellung sprechen. Frauen sollen, bitte schön, auch egoistisch, hart, fordernd und, wenn nötig, berechnend und kalt auftreten. Nur mit Sanftmut, Bescheidenheit, Zurückhaltung und Freundlichkeit, noch dazu gebremst von einem stets lauernden schlechten Gewissen, lassen sich keine Karrieren zimmern. Beatrice Tschanz, einst zur Nationalheiligen erhoben, weil sie nach dem Swissair-Absturz bei Halifax sehr viel Sensibilität an den Tag legte, zeigt in einem langen, beeindruckend ehrlichen Interview auch andere Seiten ihrer Person: Lust an der Macht, Unkontrolliertheit, Unzimperlichkeit. Sie macht klar, dass es auch diese Eigenschaften braucht, um eine schillernde, abwechslungsreiche Karriere hinzubekommen.
Die Frauen in diesem Buch ziehen sich manchmal auch zu grosse Schuhe an und haben schlaflose Nächte, weil sie sich vorübergehend überfordern. Sie haben auch mal Angst oder leiden unter Niederlagen, nach denen sie sich mühsam wieder aufrappeln müssen. Gleichwohl sind alle befriedigt, ja sogar stolz, wenn sie realisieren, was sie alles bewältigen, bewegen und verändern können. Die Genugtuung und die Freude über den Zuwachs an Kompetenz und Selbstsicherheit fühlen sich grossartig an. Dafür müssen die Frauen allerdings Risiken in Kauf nehmen und den Schritt ins Ungewisse wagen. Gratis sind Karrieren tatsächlich nicht zu haben.
Wer wüsste das besser als Wera Kowner und Regula Hotz, Mutter und Tochter, Besitzerinnen des Zürcher Telematik-Betriebs Kowner AG. Die beiden Frauen kommen hier zu Wort, weil ich ihre Robustheit und Widerstandsfähigkeit in einer nahezu vollständig von Männern beherrschten Branche bewundernswert finde. Ich glaube, beide haben diese Eigenschaften nicht zuletzt deshalb entwickeln können, weil die eine, Wera Kowner, von ihrem Vater und die andere, Regula Hotz, von ihrer Mutter mit grossem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ausgestattet wurden: Der Vater wie die Mutter legten das Familienunternehmen in die Hände ihrer Töchter. Alles andere als eine Selbstverständlichkeit in einem reinen Technikumfeld.
Die Förderung des weiblichen Nachwuchses...