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E-Book

Wie Zen-Meditation mein Christsein verändert

Erfahrungen von Zen-Lehrern u.a. von Michael von Brück, Willigis Jäger, Niklaus Brantschen

VerlagTopos
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl239 Seiten
ISBN9783836750301
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis10,99 EUR
Längst schon verstehen Christinnen und Christen andere Religionen nicht als Konkurrenz, sondern als Bereicherung der eigenen Gotteserfahrung. Gerade die fernöstlichen Religionen und ihre Meditationspraxis erfreuen sich einer hohen Wertschatzung. In diesem Band kommen bekannte Persönlichkeiten einer christlichen Spiritualität zu Wort, die glaubwürdig berichten, wie die Übung der Zen-Meditation zur Vertiefung ihres eigenen Glaubens führte.

Michael Seitlinger, geb. 1966; Studium der katholischen Theologie und Religionswissenschaft mit Schwerpunkt auf interreligiösem Dialog; seit etlichen Jahren Lehrer in der Zen-Meditation. Jutta Höcht-Stöhr, geb. 1955; ev. Pfarrerin; seit 2001 Leiterin der Evangelischen Stadtakademie München.

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Leseprobe

Von der Spitze einer hundert Fuß hohen Stange einen Schritt vorwärts treten


Stefan Bauberger


Von Gott gezogen – zum Zen gezogen


In einem katholischen Jugendhaus, das ich oft besuchte, wurde ein Kurs für Yoga und Meditation angeboten. Leider musste man mindestens 16 Jahre alt sein, und ich war erst 15. Ich hatte das Gefühl, eine wichtige Chance verpasst zu haben. Ein Jahr später ging wieder ein Kurs los, und diesmal war ich dabei. Das war mein Einstieg in Zen, ganz im christlichen Rahmen. Ich besuchte dann auch einige Zen-Kurse im Meditationshaus der Franziskaner in Dietfurt.

Einige Jahre später, schon vor meinem Eintritt in den Jesuitenorden, kam mein erstes Sesshin1 mit Pater Lassalle, Jesuit und Pionier der Zen-Meditation im Christentum. Es war sehr fordernd, weniger körperlich als psychisch. Dieses Sesshin hat einen tiefen Eindruck in mir hinterlassen, und ich war noch einige Jahre lang damit beschäftigt, das aufzuarbeiten, was es in mir ausgelöst hatte.

In den folgenden Jahren war ich im Noviziat der Jesuiten, zur Einführung in den Orden, besonders auch zur spirituellen Schulung. Wir sollten, neben anderen Gebeten, eine Stunde am Tag der Betrachtung widmen, was eine Form der Meditation von biblischen Texten ist. Eine weitere Stunde übte ich jeden Tag Zen-Meditation. Es gab glücklicherweise noch andere Novizen, die dasselbe Interesse hatten. Auch der Leiter des Noviziats war dafür offen. Ich las in dieser Zeit viele Texte von Mystikern. Während mir sonst manche theologische und auch spirituelle Bücher ziemlich hohl vorkamen, haben diese Texte mein Herz und meine Sehnsucht angesprochen. Anschließend konnte ich auch wieder Zen-Sesshin mit Pater Lassalle besuchen. Immer noch war ich ein Anfänger, der die ersten tastenden Schritte auf diesem Weg ging.

Meine Zen-Meditation war in dieser Zeit eine Form des täglichen Gebets: einfach zur Ruhe kommen und in Gottes Gegenwart da sein. Es war ein mühsamer Weg ohne große Erfahrungen, und das blieb es noch lange Zeit. Nachträglich bin ich sehr froh, dass mir die Geduld und Energie geschenkt wurde, durchzuhalten. Die Motivation für meine Meditation war in dieser Zeit geteilt. Eine große Rolle spielte die innere Not, mit mir zurechtzukommen. Aber es war ganz wesentlich auch die Sehnsucht nach Gott, dieselbe Sehnsucht, die mich Jesuit hatte werden lassen. Ich war dankbar, mit Pater Lassalle und anderen, denen ich begegnen durfte, Menschen gefunden zu haben, die offensichtlich auf diesem Weg Erfüllung gefunden hatten. In all dieser Zeit war es aber für mich kaum ein Thema, dass Zen eine buddhistische Meditation darstellt und im Buddhismus verwurzelt ist, obwohl ich mich für die asiatische Kultur und den Buddhismus durchaus begeistern konnte.

Krise und Glauben


Wenn auch die Übung der Meditation ohne aufregende Erfahrung ablief, geschah in dieser Zeit doch eine tiefe Umformung meines Glaubens. Diese stand in Zusammenhang mit einer großen Krise. Mein ganzes Leben schien seinen Sinn verloren zu haben, und das verdichtete sich bei der Feier des Gottesdienstes und beim Beten. In der Zen-Meditation übte ich damals nicht mit Koan2 | aber meinen Umgang mit dieser Krise kann ich nachträglich wie das Lösen eines Lebenskoan verstehen. Die Zen-Meditation war eine große Hilfe, um mich dieser Frage nach dem Sinn zu stellen. Das war eine Weise, diese Frage lebendig werden zu lassen, ihr Raum zu geben, ohne dass ich von vornherein schon eine religiöse oder sonst eine Antwort geben musste. Nach ein paar Wochen, die mir endlos vorkamen, löste sich die Frage auf und wich einer Gewissheit, die ich nicht in Worte fassen konnte.

Glaube wurde für mich ein Geschenk, eine Gnade. Er bestand nicht mehr nur darin, mich an Gewissheiten zu klammern. Ein Vertrauen, das letztlich keinen fassbaren Grund hat und das gerade deshalb unzerstörbar ist. Paulus zählt den Glauben zu den Gaben des Geistes. Er wächst aus der Beziehung zu Gott, zu Christus. Im Verständnis des Mahayana-Buddhismus3 verhält sich der Glaube zum „Geist“ wie das Licht zur Lampe: Er ist eine natürliche Funktion des „Geistes“ (die christliche Theologie nennt dasselbe „übernatürlich“). Aber diese Natürlichkeit muss erst wieder gefunden werden.

Diese Art des Glaubens erwächst aus der Spannung zwischen einem ersten Glauben und dem Zweifel – so lehrt es Zen, und so erging es mir in dieser Krise. Der Zweifel ist nicht der Feind des Glaubens, sondern die echte Auseinandersetzung mit dem Zweifel gehört zum Glauben und führt zum Glauben. Es geht im Glauben nicht nur um irgendwelche allgemein einsichtigen Wahrheiten, sondern um eine umwälzende neue und gute Botschaft. Diese ernst zu nehmen umfasst den Zweifel.

Begegnung mit dem Buddhismus


Nach zwei Jahren Studium der Philosophie kam ich zu einem einjährigen Praktikum in ein Flüchtlingslager in Malaysia. Dort waren Flüchtlinge untergebracht, die mit Booten aus Vietnam geflohen waren. Die meisten von ihnen waren Buddhisten. Diese Zeit war nicht nur persönlich sehr wichtig und prägend, sondern auch durch die Begegnung mit dem Buddhismus, zu der es kam. Ich war Supervisor für eine Gruppe von Flüchtlingen, die mit großem Einsatz für Kinder und Jugendliche im Lager sorgten, die ohne Angehörige gekommen waren. Auch die meisten meiner Mitarbeiter waren Buddhisten. Was ich am Anfang gar nicht recht fassen konnte, war, wie sie und auch andere im Lager darauf reagierten, dass ich Jesuit war. Für sie war ich ein Mönch, und sie hatten davor großen Respekt und religiöse Wertschätzung, obwohl ich Christ war. Ein paarmal war ich auch zu Feiern im buddhistischen Tempel eingeladen. Einmal kam ich dabei mit einem der Leiter dieses Tempels ins Gespräch. Er fragte mich nach christlicher Theologie, und ich stellte fest, dass er in vielen Dingen besser Bescheid wusste als ich. Diese Buddhisten haben durch ihre Offenheit, durch ihr echtes Interesse und durch ihre Wertschätzung für mein Christentum einen tiefen Eindruck in mir hinterlassen. Damit haben sie mein Christentum verändert.

Manche arrogante Formen des Denkens über andere Religionen, die mir auch später noch manchmal im Theologiestudium begegneten, hatten jede Plausibilität verloren.

Im Matthäusevangelium wird die Geschichte erzählt, wie eine heidnische Frau mit der Bitte zu Jesus kommt, sie zu heilen. Sie stimmt ihn, der sie zunächst zurückweist, durch ihren großen Glauben um (Matthäus 15,21–28). Die Begegnung mit dieser Frau überzeugt, „bekehrt“ Jesus, der zuerst darauf besteht, „nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt“ zu sein, dazu, dass seine Mission größer ist. Die interreligiöse Begegnung ist „gefährlich“, weil sie Überzeugungen aufbricht, die in Jahrhunderten von (oft berechtigter) Verteidigung gegen andere Religionen und von großartiger missionarischer Tätigkeit gewachsen sind. Diese Überzeugungen vermischen die universale christliche Botschaft mit chauvinistischen Einstellungen. Die Initiativen von Papst Johannes Paul II. zum interreligiösen Dialog sind ein großer Schritt in die richtige Richtung, uns durch die offene Begegnung mit Menschen anderer Religionen bekehren zu lassen.

In Zen eingetreten


An die Zeit im Flüchtlingslager schloss sich das Theologiestudium an. Gegen Ende dieses Studiums, als es auf die Priesterweihe zuging, wuchs in mir eine neue und noch viel deutlichere Sehnsucht nach einem spirituellen Weg. Die religiöse Sehnsucht, die Sehnsucht nach Gott, die für mein Leben grundlegend war und die mich in den Jesuitenorden geführt hatte, war noch nicht gestillt. Gleichzeitig war mein Leben inzwischen ziemlich geordnet. Und als Priester hatte ich bald auch eine deutlich sichtbare Position als „religiöser Mensch“. Diese Diskrepanz zwischen meinem inneren Empfinden und dem Äußeren ließ mich neu suchen. Schon vor der Priesterweihe besuchte ich wieder ein Sesshin, und danach ging ich richtig auf die Suche nach einem spirituellen Meister, der mich den Weg führen sollte.

Meine Übung des Zen war zu diesem Zeitpunkt viel freier als am Anfang. Erstens waren es weniger meine Probleme mit mir selbst, die mich zur Übung trieben, sondern es war viel stärker eine wirklich spirituelle Suche. Zweitens hatte ich keinerlei Ehrgeiz, es im Zen zu etwas zu bringen. Da ich einige Jahre lang nicht auf Sesshin gewesen war, hatte ich das Privileg, an das Zen von Neuem wie ein Anfänger heranzugehen, mit einer ganz neuen Suche, wenngleich ich auch in den Jahren vorher täglich treu meditiert hatte.

Während ich bisher immer sehr skeptisch gewesen war, wenn es hieß, man müsse sich an einen Meister binden, war es jetzt wesentlich die Begegnung mit meinem Meister Pater Ama Samy, Jesuit aus Indien, die mir einen ganz neuen Zugang zu Zen erschloss. Die Wirklichkeit eröffnete sich mir in einer neuen und überwältigenden Weise, der Beginn eines Erwachens zu einer neuen Existenz. Ein Geschenk.

Alles wird neu


Als ich nach diesem Beginn des Erwachens die Messe mitfeierte, war es wie etwas ganz Neues,...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Titelseite4
Impressum5
Inhalt6
Vorwort zur zweiten, überarbeiteten Ausgabe8
Einleitung10
Von der Spitze einer hundert Fuß hohen Stange einen Schritt vorwärts treten14
Stefan Bauberger14
Zen und Gebet28
Niklaus Brantschen28
Offene Weite – nichts von heilig34
Michael von Brück34
Eine größere Synthese52
Pia Gyger52
Im Grund ist alles eins66
Willigis Jäger66
Eins-Sein ist immer Eins-Werden84
Johannes Kopp84
Ein neuer Schwerpunkt100
Peter Lengsfeld100
In Gott gibt es keine Sünde116
Gundula Meyer116
Gegenwärtig sein dem unendlich Gegenwärtigen128
Karl Obermayer128
Das mystisch Erfahrene tun140
Bogdan Snela140
Aufmerksamkeit und Hingabe154
Jeroen Witkam154
In Christus haben alle echten Religionen Platz170
Detlef Witt170
Dieser eine Atemzug184
Doris Zölls184
NachwortZen im Christentum – Konfliktpunkte und Klärungsansätze196
Michael Seitlinger196
Die Autorinnen und Autoren218
Weitere Topos Taschenbücher223
Über das Buch226
Über den Autor227
Hinweis des Verlages228
Leseprobe229

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