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Foto: Markus Dankowski
3 Methoden und Vorgehensweisen bei einem Wildlife-Fotoprojekt
Die Planung Ihres Wildlife-Fotoprojekts sollte mit der theoretischen Beschäftigung der ins Visier genommenen Art beginnen. Diese wesentliche Voraussetzung und zugleich spannende Herausforderung wird Ihnen in vielerlei Hinsicht die Vorbereitung und Durchführung erleichtern und Ihre Ergebnisse verbessern. Ziel sollte stets sein, biologisch korrekte und aussagekräftige Fotos zu schaffen. Unter dieser Grundvoraussetzung können Sie mit der Planung und Durchführung beginnen, um dann im zweiten Schritt an der künstlerischen Gestaltung des Fotomotivs zu arbeiten.
Empfehlenswert für Ihre Recherche ist primär fundierte Fachliteratur, die von der Insektenkunde (Entomologie) bis zur Säugetierkunde (Mammalogie) mit einschlägigen Buchpublikationen zur Verfügung steht. Damit sollte jeder Naturfotograf zumindest in Bezug auf sein Hauptinteresse umfangreich ausgestattet sein. Mit monatlichen Zeitschriften oder Magazinen können Sie sich über neueste wissenschaftliche Erkenntnisse, praktische Beobachtungsmethoden oder interessante Beobachtungsplätze immer wieder auf den neuesten Stand bringen. Insgesamt ist es ein kalkulierbarer Zeitaufwand, den eine genauere Recherche über eine Art oder etwa die Avifauna, d. h. die Gesamtheit aller innerhalb eines Gebiets vorkommenden Vogelarten, in Anspruch nimmt.
Die so erworbenen Kenntnisse über den Lebensraum, das artspezifische Verhalten und Aktivitätszeiträume versetzen den Naturfotografen in die Lage, sich in vielerlei Hinsicht den Tieren zu nähern, behutsam ihr Vertrauen zu gewinnen, sie freundlich überlisten zu können oder vorübergehend gar ein Teil ihrer Lebensgemeinschaft zu werden. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Fotoansitz, dessen Erfolg sehr davon abhängt, wie man sich mit dem zu erwartenden Artenspektrum beschäftigt und inwieweit wichtige Merkmale und biologische Verhaltensweisen vorher bekannt sind. Mit diesem Wissen kann man bestimmte Situationen erahnen oder ist auf solche gedanklich vorbereitet. Das schärft die Sinne eines jeden Beobachters und Fotografen. Es ist zum Beispiel wenig hilfreich, sich auf einer Fototour in Skandinavien einen Birkhahnbalzplatz zu suchen, ohne über den typischen Lebensraum informiert zu sein, in dem eine Suche nach Balzarenen sinnvoll ist. Ist ein geeigneter Platz gefunden, sind für den weiteren Erfolg fundierte Kenntnisse über die Balzarena und die Balzreviere der Hähne sowie ausreichende Vorbeobachtungen erforderlich. Eine sinnvolle Positionierung des Versteckzeltes orientiert sich an diesen Erkenntnissen. Im Fotoansitz sollte der Naturfotograf über das ritualisierte Balzverhalten der Birkhähne mit all den Darbietungen der Hähne und dem Verhalten beim Auftreten der Hennen in der Balzarena Bescheid wissen, um Beobachtungen biologisch einzuordnen und diese fotografisch sinnvoll darzustellen.
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Birkhuhn-Balzplatz in Finnland. Kenntnisse über den Lebensraum, das artspezifische Verhalten und Aktivitätszeiträume versetzen den Naturfotografen in die Lage, auf bestimmte Verhaltensweisen vorbereitet zu sein und diese erfolgreich mit seiner Kamera festzuhalten.
Ein weiteres Beispiel ist die Tages- und Jahresrhythmik der verschiedenen Froschlurcharten. Auch hier ist der fotografische Erfolg von Kenntnissen über Lebensräume, die jahreszeitlichen Phasen und die zirkadiane Rhythmik entscheidend. Wenn man berücksichtigt, dass die Laichzeit einiger Arten nur an wenigen Tagen im Frühjahr stattfindet, werden theoretisch erworbene Kenntnisse verbunden mit der Erfahrung, die man sich im Laufe der Zeit als Naturfreund oder -fotograf aneignet, den fotografischen Erfolg steigern. Das Verständnis über Zusammenhänge in der Natur und das biologische Wissen, verbunden mit praktischen Erfahrungen durch Beobachtung und Fotografie, wird sich zunehmend auf die Qualität Ihrer Tierfotos auswirken.
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Geduldige Beobachtungen sind nicht nur für die Suche der Motive, sondern auch für die Planung und Durchführung fotografischer Vorhaben notwendig. Daher sollte ein gutes Fernglas zur Ausrüstung gehören. Der Ornithologe und Naturfotograf Markus Dankowski nutzt zu diesem Zweck ein Dekarem 10 ⊗ 50 von Carl Zeiss.
3.1 Ansitz- oder Versteckfotografie
Die Ansitz- oder Versteckfotografie ist wohl die am häufigsten angewendete Methode in der Naturfotografie und beschreibt das gezielte Warten des meist getarnten Fotografen auf fotogene Situationen oder Szenen. Um die Erfolgschancen zu erhöhen, positioniert der Fotograf seinen Ansitz an für die Tiere interessanten Plätzen. Das können Vogeltränken im Sommer, eine Kleinvogelfütterung im Winter, ein Schlafplatz, ein Balzplatz oder eine Ansitzwarte sein. In einigen Fällen reicht ein ganz normaler Ansitz ohne Tarnung. Das ist in Gegenden möglich, wo Tiere sehr an die Anwesenheit der Menschen gewöhnt sind oder generell eine geringe Fluchtdistanz haben. Derartige Möglichkeiten findet man unter anderem an Kranich-Rastplätzen am Hornborgasjön oder in der Darß-Zingster Boddenkette. Vielerorts sind auch auf Island solche Situationen vorzufinden, wo viele Vogelarten an den Brutfelsen, aber auch im Landesinneren den Fotografen häufig ohne Tarnung und mit geringer Scheu begegnen. Erfahrungsgemäß sind jedoch in den allermeisten Fällen eine Tarnung und eine entsprechende Vorbereitung notwendig. Mit einigen exemplarischen Situationen sollen im Folgenden Versteckmöglichkeiten dargestellt werden.
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Der Ansitz am Kleinvogel-Futterplatz im Winter ist eine sehr beliebte Beschäftigung für Naturfotografen während der kalten Jahreszeit. Die Vorbereitung dafür ist relativ einfach. Idealerweise füttert man über das ganze Jahr oder beginnt im September oder Oktober mit der Fütterung über eine Futterampel. An Baumstämmen können (aus Fotoperspektive nicht sichtbare) Futterdepots angelegt werden, in denen sich beispielsweise Spechte oder Kleiber während der Nahrungsaufnahme in fotogener Position aufhalten.
Der winterliche Kleinvogel-Futterplatz ist ein sehr beliebtes Betätigungsfeld für Naturfotografen während der kalten Jahreszeit. In der Landschaft herrscht Ruhe und eisige Kälte hält die Lebensgemeinschaft fest im Griff. Viele Brutvögel sind als Zugvögel bereits im Spätsommer und Herbst nach Süden gezogen, lediglich Stand- und Strichvögel verbleiben in unseren Breiten. Es gibt aber einige nordische Arten wie Bergfink, Birkenzeisig und gelegentlich Seidenschwänze, um nur einige zu nennen, die das mitteleuropäische Artenspektrum im Winter bereichern. Einige Arten lassen sich zudem im Winter wesentlich einfacher fotografieren, als das im Frühjahr oder Sommer der Fall ist. Man denke dabei nur an einige Meisenarten (Sumpfmeise, Tannenmeise, Haubenmeise), den Mittelspecht, den Grauspecht oder die Wacholderdrossel. Der Sonnenstand ist im Winter relativ niedrig und das Licht während des ganzen Tages sehr freundlich und warm. Eine verschneite oder mit Eiskristallen überzogene »Dekoration« am Futterplatz lässt den Naturfotografen im Fotoansitz häufig als »Kunstmaler« arbeiten.
Ein Futterplatz kann bereits im eigenen Garten eingerichtet werden. Auch im dichteren Wald, auf einer Streuobstwiese oder in freier Flur finden sich vielerorts geeignete Plätze. Je nach Standort bieten sich abwechslungsreiche Artenspektren.
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Der Mittelspecht wurde mit kleinen Futterdepots an diese Position des Stamms gelockt, die aus der Fotoperspektive nicht sichtbar waren.
Canon EOS 1D Mark IV mit 4.0/500 mm IS, Stativ, Versteckhütte, Blende 4, 1/1000 s, ISO 800
Die Vorbereitung ist relativ einfach. Idealerweise füttert man über das ganze Jahr oder beginnt im September oder Oktober mit der Fütterung über eine große Futterampel bzw. einen Futterautomaten, den man sich ohne größeren Aufwand selbst bauen kann. Das Fassungsvermögen sollte in der Planung eines solchen Futterspenders nicht zu knapp bemessen werden. Größere Futterautomaten müssen nicht so häufig nachgefüllt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten der einzelnen Vogelarten und ihrer spezifischen Anforderungen an die Nahrung ist diese Darreichungsform lediglich dazu geeignet, um beispielsweise mit Meisen und Grünfinken den Futterplatz zu beleben und damit die Aufmerksamkeit weiterer Arten zu wecken. Um das Artenspektrum zu vergrößern, sollte das Angebot des winterlichen Futterplatzes erweitert und parallel dargeboten werden (beispielsweise Weichfutter, Beeren, Futternüsse oder Insektenknödel). An dieser Stelle verweise ich auf weiterführende Fachliteratur (z. B. Richard Schöne: Am Futterhaus: Vögel erleben im Jahresverlauf, Bern 2012).
Wenn die Futterstelle gut angenommen wurde und man sich mit dem Fernglas ein Bild über das Artenspektrum verschafft hat, kann man mit der Planung und Gestaltung beginnen. Dabei sollte die »Dekoration« an die vor Ort auftretenden...