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Grundlagen der Finanzwirtschaft
In diesem Kapitel
- Finanzwirtschaft im Unternehmen
- Teilgebiete und Aufgaben der Finanzwirtschaft
- Investition und Finanzierung
- Finanzwirtschaftliche Unternehmensziele
- Grundbegriffe des Finanz‐ und Rechnungswesens
Finanzwirtschaft im Unternehmen
Das betriebliche Geschehen in einem Unternehmen ist ein Kreislauf von Gütern bzw. Dienstleistungen und Zahlungen (siehe Abbildung 1.1). Ständig werden erworbene Produktionsfaktoren in zu verkaufende Güter und Dienstleistungen transformiert:
- Das Unternehmen benötigt Kapital um produzieren zu können. Kapital kann sich das Unternehmen auf dem Finanzmarkt besorgen.
- Das Kapital wird vom Unternehmen verwendet, um am Beschaffungsmarkt Produktionsfaktoren in Form von Betriebsmitteln und Werkstoffen zu erwerben und Mitarbeiter zu bezahlen. Betriebsmittel umfassen materielles und immaterielles Anlagevermögen, Werkstoffe bezeichnen Roh‐, Hilfs‐ und Betriebsstoffe.
- Im Rahmen der Leistungserstellung werden im Unternehmen die Produktionsfaktoren in Güter und Dienstleistungen transformiert.
- Auf dem Absatzmarkt werden die erstellten Güter und Dienstleistungen an Kunden verkauft.
- Läuft alles wie geplant, erwirtschaftet das Unternehmen einen Gewinn, zahlt Steuern und befriedigt die Ansprüche der Kapitalgeber durch die Zahlung von Zinsen oder Dividenden.
Abbildung 1.1: Leistungs‐ und finanzwirtschaftlicher Prozess
Der betriebliche Prozess kann gedanklich in einen leistungswirtschaftlichen und einen finanzwirtschaftlichen Prozess, das Unternehmen selbst in einen leistungswirtschaftlichen und einen finanzwirtschaftlichen Bereich zerlegt werden.
- Der Leistungsbereich ist durch die leistungswirtschaftlichen Prozesse mit Leistungsströmen charakterisiert. Ein Leistungsstrom bezieht sich auf Güter, Dienstleistungen oder Arbeit.
- Der Finanzwirtschaftsbereich (Finanzbereich) umfasst die finanzwirtschaftlichen Prozesse mit den Zahlungsströmen. Ein Zahlungsstrom ist entweder eine Einzahlung oder eine Auszahlung.
Hinweis
Die Finanzwirtschaft befasst sich mit der Planung, Steuerung und Kontrolle der Zahlungsströme im Unternehmen.
Ein Unternehmen interagiert auf verschiedenen Märkten mit unterschiedlichen Gruppen:
- mit Lieferanten auf dem Beschaffungsmarkt,
- mit Mitarbeitern auf dem Arbeitsmarkt,
- mit Kunden auf dem Absatzmarkt,
- mit Eigentümern, Gläubigern und Schuldnern auf dem Finanzmarkt,
- mit konkurrierenden Unternehmen auf allen genannten Märkten,
- mit dem Management im Unternehmen selbst und
- mit dem Staat (z. B. mit Behörden) und der Gesellschaft (z. B. mit politischen Parteien, Verbänden).
Fachbegriff
Gruppen, die eine Beziehung zum Unternehmen haben oder von den Handlungen des Unternehmens betroffen sind, werden Stakeholder genannt. Stakeholder sind z. B. Lieferanten, Kunden, Mitarbeiter, Management, Eigentümer, Gläubiger oder politische Gruppen. Die Gruppe der Eigentümer wird Shareholder bezeichnet. Je nachdem, welche Interessengruppe bei der Unternehmensführung im Vordergrund steht, spricht man von einem Stakeholder‐orientierten oder einem Shareholder‐orientierten Ansatz der Unternehmensführung.
Teilgebiete und Aufgaben der Finanzwirtschaft
Der finanzwirtschaftliche Bereich eines Unternehmens hat verschiedene Aufgaben, die in unterschiedlichen Gebieten der Finanzwirtschaft wahrgenommen werden (siehe Abbildung 1.2):
Abbildung 1.2: Finanzwirtschaftliche Aufgaben und Gebiete
- Investition: Aufgabe dieses Teilgebiets ist die Beurteilung von Investitionsalternativen mit Investitionsrechenverfahren. Teil III präsentiert verschiedene Investitionsrechenverfahren, mit denen wir die Vorteilhaftigkeit von Einzelinvestitionen beurteilen, mehrere Investitionsalternativen vergleichen und die optimale Nutzungsdauer eines Investitionsprojekts bestimmen können.
- Finanzierung: In diesem Teilgebiet geht es um Finanzierungsentscheidungen. Diese umfassen die Festlegung einer für das Unternehmen optimalen Kapitalstruktur, die Auswahl geeigneter Finanzierungsinstrumente sowie die Bestimmung der Kapitalkosten. Verschiedene Finanzierungsinstrumente stellen wir in Teil II vor.
- Finanzanalyse: Die Finanzanalyse analysiert die finanzielle Situation des Unternehmens. Dies beinhaltet eine Analyse der Vermögens‐ und Kapitalstruktur, der Ertragslage, der Liquidität sowie der Zahlungsströme des Unternehmens mit Hilfe von Finanzkennzahlen. Genauere Erläuterungen der Finanzanalyse sind in Teil IV zu finden.
- Finanzplanung: Die beiden Hauptaufgaben der Finanzplanung sind die Ermittlung des zukünftigen Kapitalbedarfs sowie die Sicherstellung der Liquidität des Unternehmens. Diese Aufgaben werden mit Hilfe der Kapitalbedarfs‐ bzw. der Liquiditätsplanung sowie der Kapitalflussrechnung erfüllt. Mit der Finanzplanung beschäftigt sich Teil IV.
- Finanzdisposition: Aufgabe der Finanzdisposition ist die Abwicklung des Zahlungsverkehrs. Dies beinhaltet die Überwachung der Einzahlungen und die Durchführung von Auszahlungen.
Investition und Finanzierung
Investition und Finanzierung bzw. Vermögen und Kapital des Unternehmens hängen wie zwei Seiten einer Medaille eng zusammen. Einen Ansatzpunkt zur Erklärung der Begriffe Investition und Finanzierung bzw. Vermögen und Kapital liefert die Bilanz des Unternehmens. Eine grobe Bilanzgliederung ist in Abbildung 1.3 dargestellt.
Abbildung 1.3: Investition und Finanzierung in der Bilanz
- Das Vermögen eines Unternehmens umfasst die Gesamtheit aller eingesetzten Wirtschaftsgüter und Geldmittel. Das Vermögen wird auch konkretes Kapital genannt. Investition und Investitionstätigkeiten beziehen sich auf das Vermögen.
- Das Kapital eines Unternehmens umfasst die Gesamtheit aller Verbindlichkeiten gegenüber Eigentümern und Gläubigern. Das Kapital wird auch abstraktes Kapital genannt. Finanzierung und Finanzierungstätigkeiten beziehen sich auf das Kapital.
Hinweis
Salopp formuliert geht es bei der Investition um die Kapitalverwendung, bei der Finanzierung um die Kapitalaufbringung.
Finanzwirtschaftliche Unternehmensziele
Das Management leitet ein Unternehmen auf Basis unterschiedlicher Zielsetzungen:
- Leistungswirtschaftliche Unternehmensziele sind Ziele des Leistungsbereichs des Unternehmens. Beispiele solcher Ziele sind die Realisierung eines Marktanteils von 10 % oder die Produktion von 10.000 Bohrmaschinen pro Jahr.
- Finanzwirtschaftliche Unternehmensziele sind Ziele des Finanzbereichs des Unternehmens. Beispiele für konkrete finanzwirtschaftliche Zielsetzungen sind das Erreichen eines Verschuldungsgrades von 0,5 oder einer Mindesteigenkapitalrendite von 25 %.
- Sonstige Unternehmensziele können z. B. sozialer, politischer oder ökologischer Natur sein. Solche Ziele könnten lauten: Erhöhung der Einflussnahme auf politische Entscheidungen oder Reduzierung der Abgasemissionen um 10 % pro Jahr.
Als wichtigste generelle finanzwirtschaftliche Zielsetzungen einer wertorientierten Unternehmensführung gelten:
- Maximierung der Rentabilität: Das Unternehmen muss die Wirtschaftlichkeit des Kapitaleinsatzes durch die Minimierung der Kapitalkosten oder die Maximierung der Erlöse aus dem Geldvermögen optimieren, um seine Ertragskraft zu steigern.
- Sicherstellung der Liquidität: Im Fokus dieser Zielsetzung steht der Erhalt der Zahlungsfähigkeit. Das Unternehmen muss sicherstellen, dass es allen Zahlungsverpflichtungen zu jeder Zeit uneingeschränkt nachkommen kann. Die Sicherstellung einer ausreichenden Liquidität ist Grundvoraussetzung für die Verfolgung anderer Ziele, da Illiquidität bzw. Zahlungsunfähigkeit zur Insolvenz eines Unternehmens führt.
- Maximierung der Sicherheit: Das investierte Kapital soll erhalten und finanzwirtschaftliche Risiken minimiert werden. Zu den finanzwirtschaftlichen Risiken zählen u.a. das Kreditrisiko, das Zinsänderungsrisiko, das Rohstoffpreisrisiko und Wechselkursrisiken.
- Erhalt der Unabhängigkeit: Die Freiheit der Unternehmensführung, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, soll erhalten werden. Durch Aufnahme von Kapital werden Kapitalgebern Rechte (Informations‐, Mitentscheidungs‐ und Kontrollrechte) eingeräumt, welche die Freiheit der unternehmerischen Entscheidung einschränken. Daher versuchen Unternehmen die Einflussnahme von Kapitalgebern zu begrenzen.
Können mehrere Ziele nicht gleichzeitig ohne Restriktionen verfolgt werden, spricht man von einem Zielkonflikt.
Beispiel
Zwischen den verschiedenen finanzwirtschaftlichen Zielen gibt es mehrere Zielkonflikte. Wie in Abbildung 1.4 angedeutet, existiert beispielsweise ein Zielkonflikt zwischen der Maximierung der Rentabilität und der Sicherstellung der Liquidität. Soll eine hohe Rentabilität erreicht werden, erfordert dies die Investition eines Großteils der...