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Wissen und Wissenszurechnung im öffentlichen Recht.

Unter besonderer Berücksichtigung von Anforderungen an die Organisation und Folgen ihrer Verletzung im Rahmen öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit.

AutorMarkus Reinhardt
VerlagDuncker & Humblot GmbH
Erscheinungsjahr2010
ReiheSchriften zum Öffentlichen Recht 1169
Seitenanzahl207 Seiten
ISBN9783428533206
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis74,90 EUR
Wissen erweist sich nicht nur als Macht, sondern im Recht vielfach auch als Last. So knüpft eine Vielzahl von Normen an einen Wissensbestand Rechtsfolgen, nach denen ein Recht in seiner Entstehung, seinem Inhalt oder seiner Durchsetzbarkeit beeinträchtigt wird. Sind Organisationen Adressaten derartiger Wissensnormen, findet sich zuweilen der Volksmund bestätigt, denn 'eine Hand weiß nicht, was die andere tut'. Diese Problematik stellt sich nicht nur im Zivilrecht, sondern im verstärkten Maße im öffentlichen Recht, das sein Gepräge gerade durch juristische Personen als Akteure erhält. Der rechtsdogmatische Wissensbegriff, der an den Inhalt des Bewusstseins natürlicher Personen anknüpft, stößt an seine Grenzen, je breiter ein Wissen innerhalb einer Organisation 'gestreut' ist und je weniger sich dieses im Bewusstsein der Handelnden verorten lässt. Rechtsprechung und Literatur haben sich in der Bewältigung dieser Problematik in komplexe, kasuistische Konstruktionen der Zurechnung von Bewusstseinsinhalten natürlicher Personen auf Organisationen verstrickt. Die so praktizierte Einzelfallgerechtigkeit führt zu Einbußen an Rechtssicherheit. Hier setzt die vorliegende Untersuchung an: Der Autor entwickelt einen neuen, normativen Wissensbegriff zunächst für den öffentlich-rechtlichen Bereich. Dieser wird in objektiven Umständen statt im Bewusstsein natürlicher Personen gegründet. Er kann damit unmittelbar auf Organisationen angewendet werden. Der hier entwickelte Wissensbegriff ermöglicht ohne den Umweg einer Zurechnung eine systematische Lösung von Fällen, in denen die herkömmlichen personenbezogenen Ansätze mangels Vorhandenseins von zurechnungsfähigen Wissensbestandteilen versagen. Zugleich bildet er den Ausgangspunkt zu einer Revision der bisherigen Zurechnungsfiguren.

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Inhaltsverzeichnis
Vorwort6
Inhaltsverzeichnis8
Einleitung16
I. Problemstellung16
II. Vorgehensweise23
Kapitel 1: Grundlagen24
I. Wissen im Rechtssinn24
1. Tatbestandsspezifik des Wissensbegriffs25
2. Subjektiver oder faktischer Wissensbegriff27
3. Erweiterung durch objektive oder normative Elemente28
4. Erweiterter interdisziplinärer Ansatz29
a) Daten, Information, Wissen29
b) Kritische Würdigung31
5. Zwischenergebnis33
II. Wissensnormen35
1. Begriff35
2. Das Funktionssubjekt als Normadressat37
3. Fallgruppen38
a) Fristenlauf39
b) Nichterwerb von Rechten40
c) Verschlechterung der Rechtsstellung40
III. Wissenszurechnung bei juristischen Personen und ihren Untergliederungen41
1. Begriff41
2. Bedeutung42
3. Organschaft und Vertretung – Zurechnung bei juristischen Personen42
4. Zurechnung und Rechtsfähigkeit44
5. Die Wissensnorm als Zurechnungsnorm44
6. Interdependenz von Wissensbegriff und Wissenszurechnung45
7. Eigen- und Fremdzurechnung46
8. Zurechnung in Mehrpersonenverhältnissen46
9. Handlungsbezogene und personenbezogene Wissenszurechnung47
10. Der Zurechnungsgrund48
a) Begriff48
b) Die Organtheorie48
c) Wissensvertretung49
d) Das Gerechtigkeitsargument50
e) Das Gleichstellungsargument51
f) Das Verkehrsschutzargument51
g) Bewertung51
Kapitel 2: Der Organisationsansatz zwischen Wissen und Wissenszurechnung54
I. Entwicklung54
II. Inhalt55
1. Rechtsprechung55
a) Deliktsverjährung56
aa) Wehrdienstbeschädigung: Kenntnisvermittlung durch Leistungsträger I58
bb) Wehrdienstbeschädigung: Kenntnisvermittlung durch Kompaniefeldwebel59
cc) Wehrdienstbeschädigung: Kenntnisvermittlung durch Leistungsträger II60
dd) Opferentschädigung: Kenntnisvermittlung durch erstbefasste Behörde61
ee) Sozialversicherungsbeiträge: Kenntnisvermittlung durch Betriebsprüfer62
ff) Rückforderung von Sozialhilfe: Kenntnisvermittlung durch Gewährungsamt63
gg) Ersatz für Ausfuhrzoll: Kenntnisvermittlung durch örtliches Zollamt63
hh) Unfallversicherung: Kenntnisvermittlung durch Leistungsabteilung I64
ii) Unfallversicherung: Kenntnisvermittlung durch Leistungsabteilung II65
b) Verschlechterung der Rechtsposition durch Kenntnis66
aa) Gemeinde: Kenntnisvermittlung durch ehemaligen Bürgermeister66
bb) Gemeinde: Kenntnisvermittlung durch Sachbearbeiter67
cc) Gemeinde: Kenntnisvermittlung durch Beigeordneten68
c) Kritische Würdigung68
2. Literatur71
III. Dogmatische Einordnung72
1. Informationsorganisationspflichten/-anforderungen im Zivilrecht73
2. Wissenszurechnung mittels „Wissensverantwortung“ (Bohrer)75
a) Gedankengang75
b) Kritische Würdigung77
3. Wissenszurechnung mittels Naturalrestitution (Römmer-Collmann)78
a) Gedankengang78
b) Kritische Würdigung79
4. Wissenszurechnung mittels Herstellungsanspruchs (Baum)79
a) Gedankengang79
b) Kritische Würdigung81
5. Wissensvermittlung über Grundsatz von Treu und Glauben (Buck)82
a) Gedankengang82
b) Kritische Würdigung83
6. Fazit: Zunehmende Unschärfe des Wissensbegriffs84
Kapitel 3: Informationsorganisationsanforderungen im öffentlichen Recht86
I. Besonderheiten öffentlich-rechtlicher Informationsorganisation86
1. (Informations)organisationsmodelle der öffentlichen Verwaltung86
a) Bürokratie als klassische Struktur87
b) Neues Steuerungsmodell, Good Governance und Outsourcing88
2. Informationsorganisation und Aktenprinzip90
a) Historischer Hintergrund und aktuelle Situation91
b) Der Verwaltungsvorgang als Akte92
3. Datenschutzrechtliche Vorgaben zum Informationsmanagement95
a) Wissen als personenbezogenes Datum95
b) Begriff der öffentlichen Stelle96
c) Übermittlung zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Stellen97
d) Übermittlung innerhalb einer öffentlichen Stelle98
e) Zweckändernde Übermittlung und Nutzung99
f) Datenverarbeitung im Auftrag99
g) Zwischenergebnis100
4. Geheimnisschutz100
a) Allgemeines Verwaltungsgeheimnis100
b) Dienstgeheimnis und Pflicht zur Verschwiegenheit102
II. Explizite Informationsorganisationspflichten im öffentlichen Recht102
1. Der Untersuchungsgrundsatz103
a) Allgemeines103
b) Historischer Hintergrund104
c) Inhalt105
aa) Sachverhaltsermittlung105
bb) Berücksichtigung aller bedeutsamen Umstände105
cc) Entgegennahme von Erklärungen105
dd) Umfang der Ermittlungen106
d) Folgen der Verletzung106
2. Aufgabennormen zur Informationsgewinnung oder -systematisierung107
a) Aufgaben- und Kompetenznormen108
aa) Heilberufsgesetz von Nordrhein-Westfalen108
bb) Bewertung108
b) Aufgabennormen zur Informationssystematisierung109
aa) Informationsfreiheitsgesetz Bund (IFG)109
bb) Ergebnis109
3. Pflicht zur Weiterleitung von Erklärungen109
a) § 71b VwVfG110
b) § 23 Abs. 3 GO LSA110
c) Ergebnis111
4. Aktenbezogene Pflichten111
a) Pflicht zur schriftlichen und vollständigen Aktenführung111
b) Geschäfts- und Aktenordnungen112
c) Aufbewahrungspflichten und -fristen112
d) Bewertung113
5. Zusammenfassung113
III. Bewältigung der Verletzung von Anforderungen an die Informationsorganisation114
1. Amtshaftung114
a) Drittbezogene Amtspflicht114
b) Beschränkter Anspruchsumfang115
c) Zwischenergebnis115
2. Haftung aus verwaltungsrechtlichem Schuldverhältnis115
a) Bestehen eines verwaltungsrechtlichen Schuldverhältnisses116
b) Pflichtverletzung116
c) Zwischenergebnis116
3. Vertrauensschutz und Vertrauenshaftung117
a) Dogmatische Herleitung118
b) Inhalt118
c) Rechtsfolgen118
d) Anwendbarkeit – Die Tatbestandsmerkmale im Einzelnen119
aa) Vertrauenstatbestand119
bb) Vertrauen121
cc) Schutzwürdigkeit des Vertrauens121
dd) Selbstwiderspruch123
e) Ergebnis123
4. Treu und Glauben, Rechtsmissbrauch124
a) Dogmatische Verortung und Inhalt124
b) Anwendbarkeit125
IV. Fallgruppen im Lichte der Rechtsprechung125
1. Die verwaltungsrechtlichen Ausschlussfristen126
a) Kenntnis der Behörde: Inhalt ihrer Verwaltungsvorgänge127
b) Kenntnis der Behörde: „Behörde“ innerhalb der Behörde128
c) Kenntnis der Behörde: Intern zuständige Stelle129
d) Kritische Würdigung129
2. Verjährungsfragen130
a) Verjährung von Regressansprüchen im Beamtenrecht130
aa) Verjährungsbeginn: Kenntnisvermittlung durch erstbefasstes Referat131
bb) Verjährungsbeginn: Kenntnisvermittlung durch Gemeinderat132
b) Kritische Würdigung133
3. Nichterwerb von Rechten133
a) Kenntnis innerhalb einer Behörde135
aa) Kenntnisvermittlung durch Bestand aktiver Akten135
bb) Kenntnisvermittlung zwischen organisatorisch getrennten Dienststellen136
cc) Kenntnisvermittlung getrennter Stellen aufgrund von Funktionsnähe137
dd) Kenntnisvermittlung durch bereichsübergreifende Leitungsperson138
ee) Kenntnisvermittlung aufgrund von Verletzung der Ermittlungspflicht138
ff) Inhalt ausgelagerter Akten als Kenntnis der Behörde139
gg) Inhalt archivierter Akten als Kenntnis der Behörde140
hh) Kenntnisvermittlung zwischen Veranlagungsstelle und Bewertungsstelle141
ii) Kenntnisvermittlung durch rechtwidrig handelnden Amtswalter142
jj) Kenntnisvermittlung zwischen Fahndungs- und Bearbeitungsabteilung143
kk) Kenntnisvermittlung zwischen Stellen abweichender örtlicher Zuständigkeit145
ll) Kenntnisvermittlung: Begrenzung durch Umfang der Ermittlungspflicht146
mm) Kritik146
b) Kenntnis verschiedener Behörden147
aa) Kenntnisvermittlung durch Wohnsitzfinanzamt147
bb) Kritik147
4. Verschlechterung der Rechtsstellung148
a) Amtshaftung148
aa) Wissensvermittlung gegenüber Aufsichtsbehörde durch externen Prüfer148
bb) Kritik150
b) Steuerforderungen im Insolvenzverfahren151
aa) Kenntnisvermittlung zwischen Finanzämtern151
bb) Kritik152
5. Zusammenfassung und Gegenüberstellung der Rechtsprechung153
a) Wissen im Zivilrecht (fiskalischer Bereich sowie Leistungsverwaltung)153
b) Wissen im öffentlichen Recht (hoheitlicher Bereich)153
c) Gegenüberstellung154
aa) Insbesondere: Organisation und Ordnung interner Zuständigkeiten155
bb) Zusammenfassung156
V. Erklärungsansätze im öffentlich-rechtlichen Schrifttum157
1. Kenntnisvermittlung über Amtshaftung (Henning)157
a) Informationsorganisationsanforderungen als Verkehrspflichten157
b) Kritik159
2. Zeichnungsvermerk als Anscheinsbeweis für Kenntnis (Knoke)161
a) Gedankengang161
b) Kritik162
Kapitel 4: Objektiver Wissensbegriff auf subjektiver Grundlage164
I. Grundlagen einer Neudefinition165
II. Objektiver Wissensbegriff auf subjektiver Grundlage166
1. Die faktische Ebene167
a) Gegenstand167
b) Organisationsbereich – Zuständigkeitsordnung168
c) Kompetenz als Anknüpfungspunkt170
d) Sonderfälle: Erweiterungen des Organisationsbereichs171
aa) Mandat171
bb) Delegation172
cc) Amtshilfe172
dd) Auslagerung an (sonstige) Dritte172
ee) Informationsverbund173
2. Die normative Ebene174
a) Überblick174
b) Kriterien175
aa) Fehlender Anlass175
bb) Fehlende Relevanz176
cc) Fehlende Verfügbarkeit176
c) Berechtigung der normativen Kriterien178
aa) Auswirkungen auf den Bereich der Zurechnung179
bb) Bedeutung der Anforderungen an die Informationsorganisation180
d) Exkurs181
aa) Bedeutung der Rechtsfähigkeit des Funktionssubjekts181
bb) Behandlung von Rechtswissen182
III. Gesamtwürdigung dieses Ansatzes182
1. Vorzüge182
a) Bewältigung der Organisationsproblematik182
b) Überzeugende Ergebnisse184
2. Mögliche Einwände184
a) Versagen bei Nichtverkörperung von Information?185
b) Gleichsetzung von Wissen mit Wissenmüssen?185
c) Systembruch oder Zurechnung durch die Hintertür?186
IV. Grundfälle186
1. Grundfall: „Klassischer Bürokratiefall“188
a) Abwandlung 1189
b) Abwandlung 2189
2. Grundfall: „Moderner“ Fall („Outsourcing“)189
a) Abwandlung 1190
b) Abwandlung 2190
3. Lösung der Grundfälle190
a) Grundfall 1: „Klassischer Bürokratiefall“190
aa) Abwandlung 1192
bb) Abwandlung 2193
b) Grundfall 2: „Moderner“ Fall („Outsourcing“)194
aa) Abwandlung 1194
bb) Abwandlung 2194
V. Schlussbetrachtung195
1. Zusammenfassung195
2. Vorschlag zur Gesetzgebung198
a) Standort198
b) Inhalt199
Literaturverzeichnis200
Sachverzeichnis206

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