Vorwort
Die vielfach anzutreffenden Vorurteile und Missverständnisse über den Sinn der Philosophie lassen sich vermutlich auf dem kürzesten Weg durch Fragen entkräften, die sich wissenschaftlichen Forschungen entziehen und sich dennoch nicht vermeiden lassen. Sobald wir uns auf die Erörterung dieser Fragen einlassen, Stellung beziehen und die eine oder andere Auffassung vertreten, verwickeln wir uns in philosophische Überlegungen, nach denen wir nicht mehr bereit sind, den Sinn der Philosophie in Zweifel zu ziehen. In dieser Weise werden im Folgenden exemplarisch Probleme der Philosophie, des Geistes, der Erkenntnis, der Sprache und der Logik erörtert.
Für die Frage Wo denn bin ich im Hinblick auf das Bewusstsein der eigenen Existenz? sind die großen Fortschritte der Hirnforschung insofern provozierend, als den zerebralen Ereignissen mentale Zustände zugeschrieben werden, deren Existenz sich nicht epistemisch feststellen lässt. Unter dieser Voraussetzung scheint es erforderlich zu sein, beispielsweise mir selbst bewusst zu werden, wie oder inwiefern ich eine phänomenale Erfahrung habe, was für sie charakteristisch ist und wie es für mich möglich ist, das Phänomen der eigenen Existenz zu erfassen. Wenn wir davon ausgehen, dass eigene phänomenale Erfahrungen in Sinnesempfindungen und Emotionen bestehen, wie kann ich dann durch sie zu dem Phänomen des Bewusstseins der eigenen Existenz gelangen? Diese besondere Erfahrung scheint sich durch unbewusste Lernprozesse der Sinneswahrnehmungen aus Sinnesempfindungen und der Gefühle aus Emotionen zu entfalten. Das eigene Selbst ist mir vorgegeben, es kann weder von mir noch von einem anderen als existierend festgestellt oder nachgewiesen werden. Da dessen phänomenale Erfahrung von Ereignissen in meinem Körper abhängig ist, irritiert mich die utopische Frage nach dem Bewusstsein der eigenen Existenz, wenn es weder bei noch in meinem Körper ist.
Mit der behavioristischen Fehldeutung der Handlung wird zwar eingeräumt, dass das Verhalten des Menschen aufschlussreich ist für seine Handlungen, dass es jedoch nicht identisch sein kann mit ihnen. Für eine Handlung ist es essentiell, dass sie ein phänomenales Subjekt hat, und zwar auch in Fällen einer Fehlhandlung oder Unterlassungshandlung, wenn nämlich jemand unbeabsichtigt oder versehentlich etwas tut oder unterlässt zu tun. Eine Handlung kann daher weder als ein Ereignis aufgefasst noch durch ein Ereignis kausal erklärt werden. Wenn jemand es unterlässt, etwas zu tun, dann kann er für die Folgen verantwortlich sein oder gemacht werden, seine Unterlassungshandlung ist jedoch nicht selbst eine Handlung.
Mit der epistemischen Differenz zwischen Meinung und Wissen wird auf die Frage eingegangen, inwiefern das Wissen von etwas behauptet werden kann. Im Hinblick auf Bestrebungen, den Begriff des Wissens auf eine Definition festzulegen, nämlich auf die irgendwie allgemein einflussreiche Lehrmeinung »Knowledge is justified true belief«, hat Gettiers Widerlegung dieser Definition weltweit endlose, zuweilen leidenschaftliche Erörterungen zur Folge gehabt. Gettier wendet sich gegen diese Definition mit dem Argument, die gerechtfertigte wahre Überzeugung einer Person könne auch dann vorliegen, wenn die Person gerechtfertigt ist, etwas zu glauben, was nur zufällig wahr ist; dann könne man jedoch nicht behaupten, die Person wisse, dass p. Seltsamerweise ist die zugrunde gelegte Auffassung von Wissen als gerechtfertigte wahre Überzeugung bisher nicht überprüft worden. Aus entsprechenden Beispielen wird ersichtlich, dass die Behauptung einer Person, sie wisse, dass p, nur dann als Wissen akzeptiert wird, wenn sie für ihr Wissen einen hinreichenden Grund angeben kann; ist ihr Grund unzureichend, dann ließe sich konstatieren, sie wisse nicht, dass p. Beruht dagegen ihre Überzeugung, dass p, auf einem unzureichenden Grund, dann könnte ihre Überzeugung gerechtfertigt sein, wenn sich herausstellt, dass p wahr ist, wir würden jedoch nicht feststellen, sie wisse, dass p. Es besteht also zwischen der Behauptung des Wissens und der Überzeugung von etwas eine epistemische Differenz.
Die Struktur wissenschaftstheoretischer Erklärungen ist inkompatibel mit der Lehrmeinung, es bestehe ein Zusammenhang zwischen Logik und Erkenntnis. Das Bedingungsverhältnis im Fall von wissenschaftstheoretischen Erklärungen bezieht sich auf Ereignisse und insofern ist es vollkommen verschieden von einem logisch gültigen Schlussverfahren. In kausalen Gesetzesaussagen werden kausale Beziehungen nicht behauptet, sondern als Hypothesen unterstellt. Wegen der Möglichkeit von »störenden Bedingungen« in wissenschaftstheoretischen Bedingungsverhältnissen ist es erforderlich, diesen wenig beachteten Sachverhalt systematisch zu untersuchen und nicht nur Aussagen über Ereignisse, sondern auch über Handlungen und Zustände einzubeziehen. Durch den begrifflichen Unterschied zwischen Hypothesen und generellen Aussagen wird ersichtlich, dass nur Wahrscheinlichkeitserkenntnisse für wissenschaftstheoretische Erklärungen grundlegend sein können.
In den Ausführungen über Spiele, Sprachspiele und Familienähnlichkeiten kommt es, abgesehen von einigen allgemeinen Überlegungen zum Spätwerk Wittgensteins, auf den Gesichtspunkt an, dass seine Beispiele für Begriffe ohne Grenzen nicht geeignet sind, Begriffsdefinitionen in Frage zu stellen oder zu verwerfen. Wie ungenügend die Annahme der Familienähnlichkeiten von verschiedenen Begriffen ist, wird aus Wittgensteins zusammenhanglosen Bemerkungen ersichtlich und aus deren Einschätzung für die Philosophie der Sprache.
Das Universalienproblem scheint aus einer unzureichenden Konzeption von Begriffen und Individuen hervorzugehen. Durch eine Analyse auf der Basis von Freges Unterscheidung zwischen den Eigenschaften und den Merkmalen eines Begriffs werden die Gründe herausgearbeitet, warum es weder von Begriffen noch von Individuen möglich ist, zu behaupten, sie seien Entitäten der realen Welt. In dem Zusammenhang kann der destruierte Bestand von Begriffen ohne Grenzen dargestellt werden.
Mit dem destruktiven Dilemma der Logik werden offenbar folgenreiche Schwierigkeiten bei der Interpretation der bekannten logischen Prinzipien expliziert, dem Prinzip der Identität p → p, des Nicht-Widerspruchs ¬ (p ∧ ¬ p) und des ausgeschlossenen Dritten p ∨ ¬ p. Wenn man von einigen Einwänden gegen traditionelle Auslegungen dieser Prinzipien absieht, dann ist der Umstand bedeutsam, dass die Unterscheidung zwischen ein- und zweistelligen Aussagenverknüpfungen für die Interpretation dieser Prinzipien problematisch ist, nämlich in Hinsicht auf die Feststellung, dass die Affirmation und die Negation von p jeweils durch zwei Wahrheitsmöglichkeiten und -bedingungen und die Konjunktion, Disjunktion und Implikation jeweils durch vier Wahrheitsmöglichkeiten und -bedingungen bestimmt werden. Obgleich die drei logischen Prinzipien durch unterschiedliche zweistellige Aussagenverknüpfungen ausgedrückt werden, ist es für sie eigentümlich, dass sie jeweils nur zwei Wahrheitsmöglichkeiten und -bedingungen haben. Danach scheint es nicht möglich zu sein, die Frage zu beantworten, ob mit den drei logischen Prinzipien etwas über zwei Aussagen oder nur etwas über eine Aussage festgestellt wird; die eine wie die andere Interpretation ist inkohärent.
Bei der Analyse der logischen Gültigkeit wird die Irritation aufgegriffen, dass das wiederholte Vorkommen eines Terms oder einer Aussage in logisch gültigen Formeln oder Schlüssen bisher nicht geklärt werden konnte und dass es infolgedessen nicht möglich ist, die logische Folgerungsbeziehung in einem Schluss von der Wahrheit der Prämissen auf die Wahrheit der Konklusion begrifflich zu analysieren. Die gelegentlich vertretene Annahme, mit dem wiederholten Vorkommen von ›p‹ werde in einer Formel wie p → p oder p ∨ ¬ p die Wiederholung einer Aussage p behauptet, ist wegen der logischen Konstruktion dieser Formeln unverständlich. Um dem destruktiven Dilemma der Logik zu entgehen, scheint es notwendig zu sein, die Feststellung zu treffen, dass mit den logischen Junktoren nicht Aussagen, sondern nur deren Wahrheitswerte miteinander verknüpft und daher als einstellige bzw. als zweistellige Wahrheitswertrelationen definiert werden. Danach kann sich ein zweistelliger Junktor nicht nur auf die Wahrheitswerte von zwei verschiedenen Aussagen, sondern auch auf die Wahrheitswerte von nur einer Aussage beziehen. So wird zum Beispiel in p → p oder p ∨ ¬ p eine reflexive Beziehung zwischen den Wahrheitswerten von p ausgedrückt und behauptet, der jeweilige Wahrheitswert von p sei mit sich selbst identisch oder die beiden Wahrheitswerte von p seien miteinander unvereinbar. Die logische...