Hannes Haas
Das Publikum braucht Aufklärung, aber die Aufklärung braucht auch Publikum
Anmerkungen zum Interviewer, Nachrichtenmoderator und Politikwissenschafter Armin Wolf
Vorwort
»Reines Dialektradio, ganz schlecht gemachter Beitrag, grauenvoll, unglaublich, dass das gesendet worden ist.«1 So hart urteilt er über seinen ersten Beitrag als Radioreporter für das ORF Landesstudio Tirol. Achtundzwanzig Jahre später ist Armin Wolf stellvertretender Chefredakteur im ORF-Fernsehen und Anchorman der Zeit im Bild 2, der bekannteste Fernsehjournalist des Landes und der beste Live-Interviewer. Er hat eine beträchtliche Fan-Gemeinde und das nicht obwohl, sondern weil er sich gar nicht bemüht, Everybody’s Darling zu sein. Armin Wolf polarisiert: Manche finden seine Interviews zu hart, zu insistierend, zu böse. Andere nennen das kritischen Journalismus und lieben es. Armin Wolf war der »Theodor-Herzl-Dozent für Journalismus 2012«. Dieses Buch enthält seine Vorlesungen an der Universität Wien, Reden zur Unabhängigkeit des ORF und zur Ermutigung junger Journalistinnen und Journalisten sowie einen Beitrag für die Wochenzeitung Die Zeit zu einer das Land bewegenden ORF-Personalie Ende 2011.
1 »Die Gäste kommen nicht, um meine Fragen zu beantworten.« in: Tiroler Tageszeitung vom 6.1.2013.
Es gibt mehrere Gründe, die Armin Wolf zum idealen Herzl-Dozenten machen. Er moderiert jeweils von Montag bis Mittwoch die halbstündige ZiB2 und liefert dort kontinuierlich journalistischen »Public Value«, also jenen gesellschaftlichen Mehrwert, den der öffentlich-rechtliche Rundfunk so dringend braucht. Sein Ruf als Anchorman reicht über die Landesgrenzen. Seit über zehn Jahren führt er ohne größere Formschwankungen souverän durch seine Sendung. Armin Wolfs Markenzeichen sind seine Live-Interviews, die er zu einem Instrument der journalistischen Aufklärung für das Publikum gemacht hat. So hatte ich ihn angekündigt. Die Reaktion war – dezent formuliert – überwältigend, der Bildungshunger schier grenzenlos. Kaum war die Nachricht in den Medien, wer der Theodor-Herzl-Dozent 2012 sein würde, war klar, dass wir ein Problem hatten – ein Raumproblem.
Der Hörsaal 47 im ehrwürdigen Hauptgebäude der Universität Wien ist ein schöner, heller, technisch hervorragend ausgestatteter Saal. Aber nach kaum einer Stunde hatten Hunderte Menschen auf den diversen Foren begeistert ihr Kommen angekündigt und »mindestens das Audimax für Armin Wolf« gefordert. Wir folgten dem Wunsch des Schwarms und wechselten in den größten Hörsaal der Universität Wien. Der Aufwand hat sich gelohnt: Mehr als tausend Hörerinnen und Hörer folgten – im knapp achthundert Personen fassenden Audimax – den Herzl-Vorlesungen von Armin Wolf.
Wolf bewies in diesen Vorlesungen eindrucksvoll, dass er nicht nur das ZiB2-Format beherrscht, sondern über neunzig Minuten didaktisch geradezu aufblüht. Seine Bemerkung, dass er am liebsten Universitätsprofessor geworden wäre, unterstrich er durch eine ausgereifte Ars docendi. Streamings und YouTube-Aufzeichnung hatte er als überzeugter Anhänger der Präsenzuniversität abgelehnt und auch mit seinem Wunsch nach Diskussion mit den Hörerinnen und Hörern begründet. Tatsächlich bewiesen er und das Publikum, dass in den guten Momenten – die wir an drei Abenden hatten – auch Diskussionen mit tausend Menschen möglich sind und gelingen können. Am letzten Abend hatten wir (trotz zeitgleich übertragener Fußball-EM) über neunzig Minuten diskussionsintensiver Nachspielzeit. Dagegen verblasst selbst der Überzieher Gottschalk.
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Armin Wolf war unser 14. »Theodor-Herzl-Dozent für eine Poetik des Journalismus«. Die Dozentur ist nach dreizehn Jahren etabliert, das Interesse groß. Die Herzl-Dozentur ist ein Statement für Qualitätsjournalismus. Jahr für Jahr schreiben wir den Kanon eines Qualitätsjournalismus fort, Jahr für Jahr stellen wir unter Beweis, dass es auch unter schwierigen Rahmenbedingungen exzellente Qualität im Journalismus gibt. Wir führen diesen Beweis anhand von Personen. Auch wenn ich die Letztentscheidung alleine treffe und verantworte, hat sich im Lauf der Jahre ein informelles Beratungsgremium aus Wissenschaft und Journalismus gebildet, dem an dieser Stelle herzlich gedankt sei.
Herzl-Dozentinnen und -Dozenten stehen für einen Journalismus auf höchstem Niveau, der sich seiner Aufgaben für Gesellschaft und Demokratie bewusst ist. Die Journalistinnen und Journalisten, die wir einladen, haben etwas geleistet, das wir »ein Werk« nennen. Ein Werk, über das sich zu reflektieren lohnt. Die Frage der journalistischen Qualität soll über eine universitäre in eine allgemeine Öffentlichkeit getragen werden, die Vorlesungen sind auch für nicht studierende Interessierte frei zugänglich. »Poetik« bedeutet übrigens »schöpferisch tätig sein, herstellen, verfertigen«. Darum geht es: Die »Poetik des Journalismus« analysiert journalistische Werke, die Bedingungen ihrer Entstehung, die Methoden und Verfahren, die Kontexte und Herstellungsprozesse. Darüber und über ihre Position, ihre Arbeitsweisen und ihren Zugang zum Journalismus sprechen die Journalistinnen und Journalisten in ihren Vorträgen. Die Dozentur versteht sich als Teil einer langen und internationalen universitären Tradition, die in den Bereichen von Musik, Literatur und Kunst selbstverständlich geworden ist. Wir meinen, dies sollte auch für einen Journalismus mit gesellschaftlichem Mehrwert gelten.
Für die organisatorische Unterstützung danke ich Dr.in Petra Herczeg und Martina Winkler, die sich schon seit der Gründung der Dozentur für dieses Projekt engagieren, ganz herzlich! Sie haben seit 2000 folgende Dozentinnen und Dozenten betreut: Margrit Sprecher, Kai Hermann, Elizabeth T. Spira, Herbert Riehl-Heyse, Peter Huemer, Luc Jochimsen, Klaus Harpprecht, Gerhard Kromschröder, Sibylle Hamann, Antonia Rados, Alice Schwarzer, Florian Klenk, Heribert Prantl und Armin Wolf.
Besonderer Dank gebührt Nina Putz für technischen und administrativen Support sowie unseren Studierenden Mario Aberl, Karol Nuhn, Paloma Schretter, Stefanie Slamanig und Harald Stoiber, die das gefährliche Gedränge bei den Saaleingängen sicher dirigiert und als »wandernde Mikrofone« spannende Diskussionen möglich gemacht haben.
Die Theodor-Herzl-Dozentur wird von der Stadt Wien, dem Kuratorium für Journalistenausbildung und der Universität Wien unterstützt. Vielen Dank dafür, die Veranstaltungen wären ohne diese Sponsoren nicht möglich. Danke schließlich an unsere Verleger Dr. Alexander Potyka und Dorothea Löcker sowie ihr Team bei Picus, die Jahr für Jahr die Herzl-Vorlesungen einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Und Dank an den Gründer der Dozentur, Wolfgang R. Langenbucher, der mir 2008 die Leitung übergeben hat.
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Armin Wolf wurde am 19. August 1966 in Innsbruck geboren. Er wuchs – so das Munzinger-Archiv – als Sohn einer konservativen Arbeiterfamilie in einer Sozialwohnbausiedlung im ehemaligen Olympischen Dorf auf. Sein Vater arbeitete als Hausmeister und Taxifahrer, die Mutter als Lebensmittelverkäuferin. Die Eltern engagierten sich politisch, der Vater als Betriebsratsobmann, die Mutter in der ÖVP-Frauenbewegung. Auch Armin Wolf war in seiner Schulzeit im Vorstand der Schülerunion und als Mitglied der Jungen Volkspartei politisch tätig, mit achtzehn Jahren trat er aber wieder aus. Und nirgendwo mehr bei, das ist ihm wichtig.
Wie bei unserem letztjährigen Herzl-Dozenten Heribert Prantl sorgte auch bei Wolf die Großmutter für eine frühe journalistische Prägung. Er erinnert sich: »Meine Großmutter hatte seit ewig den Spiegel abonniert und die Weltwoche, die damals noch im Zeitungsformat erschienen ist. Wenn die neuen Ausgaben kamen, gingen die vorherigen an meinen Vater weiter. Und wenn er sie dann im Taxi am Standplatz durch hatte, bekam ich sie und habe sie, seitdem ich etwa 13 war, jede Woche mit großem Interesse gelesen.« 1981, an der Handelsakademie in Innsbruck, verweigerte ihm die Chefredakteurin die Mitarbeit bei der Schülerzeitung, weil er als Erstklässler zu jung dazu sei. Also gründete er selbst eine Schülerzeitung mit dem Namen Brennessel. Es war eine erfolgreiche Gründung, die alte Schülerzeitung musste eingestellt werden. Und Wolf weiter: »Kurz darauf, im Dezember 1981, erschien das profil mit einer Titelstory ›Die Journalisten‹, die ich zufällig in einer Trafik sah. Die fand ich wirklich spannend – und sie hat mich zum profil-Leser gemacht.«
Von seinem Sitzplatz in der Maturaklasse konnte er auf das Dach des ORF Landesstudios Tirol hinunterschauen. Am Tag nach seiner schriftlichen Matura begann er dort als freier Mitarbeiter, nicht so sehr um Journalist zu werden, sondern um sich das Studium der Politikwissenschaft im Hauptfach sowie der Soziologie, Zeitgeschichte, Medienkunde und Pädagogik an der Universität Innsbruck zu finanzieren. Der eigentliche Berufswunsch lautete: Universitätsprofessor für Politikwissenschaft. Die Arbeit im ORF verzögerte das Studium. Was sich wie die typische österreichische Journalistenbiografie vom erfolgreichen Studienabbrecher zu lesen anschickt, geht ganz anders weiter. Davon gleich mehr. Wolf macht in der Folge im ORF zunächst Karriere beim Radio, nach der Lehrzeit in Tirol wechselt er 1988 als außenpolitischer Redakteur nach Wien, berichtet unter anderem über die »Samtene Revolution« in Prag 1989, über die Slowenien-Krise...