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Aus dem Leben eines SEK-Manns

AutorEmil Pallay
VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl224 Seiten
ISBN9783641069377
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis8,99 EUR
Spektakuläre Fälle eines SEK-Polizisten
Geiselnahmen, Entführungen, Erpressungen: Heikle Einsätze waren Alltag für Emil Pallay, Leiter einer Polizei-Spezialeinheit. Jetzt schildert er erstmals seine spektakulärsten Fälle. Er erzählt, mit welchen Tricks man versucht, Geiseln gewaltlos zu befreien, wie ein Überraschungsangriff funktioniert, was Menschen dazu bringt, zu Geiselnehmern zu werden, aber auch, wie es sich anfühlt, auf einen Menschen schießen zu müssen, um andere zu retten. Hautnah erzählt, Nervenkitzel pur!

Emil Pallay, Jahrgang 1950, war 43 Jahre lang im Polizeidienst tätig, 20 davon beim Spezialeinsatzkommando (SEK) Südbayern. Neben annähernd 1000 Einsätzen zur Bekämpfung schwerer Gewaltkriminalität insbesondere bei Entführungen, Erpressungen, organisierter Kriminalität und Terrorismus, war er an der Bewältigung von über 30 Geiselnahmen beteiligt. Er berät europaweit Spezialeinsatzkommandos, hält Vorträge und Seminare. Emil Pallay lebt in München.

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Leseprobe

Freitagabend: Krimitime. Im ZDF ermittelt aus München der »Alte« alias Kriminalhauptkommissar Voss. Eine Geiselnahme. Natürlich tritt da, namentlich erwähnt, das berühmte bayerische Spezialeinsatzkommando auf. Bis zu den Zähnen bewaffnet und komplett vermummt mit Sturmhaube springen die Männer aus dem Wagen, stürmen auf das Gebäude zu. Sehr wirkungsvoll, aber eher laut als leise. »Stopp«, sagt der Kommissar und übernimmt die Verhandlungsführung. Mehr Dichtung als Wahrheit, denn einen Zugriff mit einem Kriminalbeamten an vorderster Front gibt es wirklich nur im Kino und im Fernsehen.

Auch die vermummten Supermänner, die da verwegen und geheimnisvoll wie Rambos durchs Bild rennen, entsprechen nicht unbedingt der Realität. Zumindest nicht generell. Tatsache ist vielmehr, dass die meisten Einsätze in ziviler Kleidung durchgeführt werden. Kampfausrüstung und Waffen nimmt man in einer Einsatztasche mit. Schließlich soll sich der Täter ja möglichst lange in Sicherheit wiegen.

Eine gewisse Ausnahme stellen Geiselnahmen dar, bei denen man immer mit einer gewaltsamen Lösung rechnen muss. Trotzdem vermeidet man es auch hier, dass der Geiselnehmer die schwer bewaffneten Einheiten sieht. Das wäre aus psychologischer Sicht einfach unklug und kontraproduktiv. Allerdings gibt es Gelegenheiten, wo sich eine Vermummung aus Gründen des Selbstschutzes empfiehlt. Etwa bei der Überstellung eines Mafioso oder auch bei gewalttätigen Demonstrationen. Ich kann mich noch an die unruhigen Siebzigerjahre erinnern, als sich Demonstranten und Polizei regelrechte Straßenschlachten lieferten. Damals, ich gebe es zu, wollten wir nicht gerne abgelichtet werden. Schließlich waren wir »Scheißbullen« und Vertreter eines politischen Systems, das bekämpft wurde.

In jener »heißen« Zeit, 1977, habe ich mich als junger Polizist, knapp 30-jährig, dem neu gegründeten Spezialeinsatzkommando Südbayern angeschlossen. Wie kommt man dazu? War es Abenteuerlust? Die Suche nach neuen Herausforderungen? Das Image einer Elitetruppe? Der Stolz, dazugehören zu dürfen? Von allem etwas, denke ich. Eines allerdings spielte keine Rolle: die Lust an purer Action, bei mir nicht und auch nicht bei den meisten der Kollegen. Wer anders tickte, schied bereits in der Vorrunde aus.

»Mit James-Bond-Typen können wir nichts anfangen«, hat mein erster Chef beim SEK einmal gesagt. Natürlich braucht es Mut und auch Wagemut. Übermäßige Angst würde lähmen, aber ein bisschen darf schon sein, damit man sich des Risikos bewusst bleibt. Und den Respekt und das Verantwortungsgefühl nicht verliert. Besonnene Leute also sind gefragt, die beim Einsatz einen kühlen Kopf behalten und um Gottes willen keine Aggressionen abreagieren. Die eigenständig aus der Situation heraus entscheiden können und doch diszipliniert, teamfähig und stressresistent sind. Die körperlichen Voraussetzungen und das richtige Alter, zwischen Mitte zwanzig und Mitte dreißig etwa, verstehen sich von selbst. Zudem einige Jahre Polizeidienst.

Angesichts so vieler scheinbar widersprüchlicher Voraussetzungen kann die hohe Durchfallquote nicht verwundern. Viele träumen von einer Karriere beim SEK, aber nur etwa ein Viertel übersteht die extrem schwierige Prüfung. Der Rest entspricht nicht dem Anforderungsprofil. Ich weiß es von meiner eigenen Bewerbung und bekam es später von einer anderen Warte aus mit. Als langjähriger Kommandoangehöriger in Führungsfunktionen hatte ich nämlich Einblick in das Auswahlverfahren und habe zeitweilig Belastungstests erarbeitet.

Doch auch der Bescheid Prüfung bestanden, herzlich willkommen beim SEK war noch lange kein Garant für einen Job auf Dauer. Viele mussten gehen, weil regelmäßige Überprüfungen der körperlichen und mentalen Fitness zu unliebsamen Überraschungen führten. Andere schieden freiwillig aus. Sie fühlten sich einfach dem permanenten Druck nicht gewachsen – meist war es die Psyche, die streikte. Es ist nicht einfach, ständig unter Strom zu stehen, ständig bereit sein zu müssen und nie zu wissen, was der nächste Tag bringt. Nur wer das ausbalancieren kann, hält durch. Und so habe ich in meinen 20 Jahren beim SEK Hunderte kommen und gehen sehen. Allerdings gab es zum Glück auch einige, die wie ich lange blieben und in die Führungsriege aufstiegen.

Keine Frage: Zwar kocht das SEK entgegen seinem geheimnisumwobenen Ruf in vielerlei Hinsicht ebenfalls bloß mit Wasser – vorhersehbar und langweilig war es jedoch nie. Dafür sorgte schon der Nervenkitzel bei jedem neuen Einsatz, die manchmal schier unerträgliche Spannung, die erst im Augenblick des Zugriffs absoluter Ruhe und kühler Überlegung wich. Ich bin oftmals gefragt worden, woran ich gedacht habe, wenn wir zu einem Einsatz ausrückten. Schwer zu sagen. Das hing davon ab, über welche Informationen wir zu diesem Zeitpunkt verfügten. Oft erfuhren wir erst vor Ort, worum es sich handelte. Ob wir es mit einem Profigangster zu tun hatten, einem psychisch Kranken oder einem eifersüchtigen Ehemann oder Lover, der ausgerastet war. Solange wir nichts Näheres wussten, konnten wir uns auch nicht mit den Hintergründen der Tat befassen. Was vielleicht ganz gut war. Unsere Aufgabe bestand schließlich darin, einen Täter dingfest zu machen oder ein Geiseldrama zu beenden. Die Täterpsyche auszuleuchten, das war Sache speziell geschulter Kollegen und Polizeipsychologen, die uns bei den meisten Einsätzen unterstützten. Sie halfen uns, indem sie für unsere Vorbereitungen Zeit herausschlugen, den Täter durch Gespräche hinhielten. Wir waren dankbar für jede Minute, denn ein überstürzter, risikobehafteter Zugriff war nie das Mittel der Wahl.

Bei allen Einsätzen, so unterschiedlich sie sein mochten, gab es nämlich ein unumstößliches Gebot. Absoluten Vorrang hatte der Schutz Unbeteiligter und insbesondere der von Geiseln. Notfalls durch Waffengewalt. Natürlich schoss niemand leichten Herzens auf einen Geiselnehmer, doch die Prioritäten waren eindeutig geklärt. Und das war es auch, was mir zumeist auf der Fahrt zu unseren Einsätzen durch den Kopf ging: Hoffentlich läuft alles unblutig ab, hoffentlich kommt kein Unschuldiger zu Schaden, kein Kollege und ich selbst nicht. Ich dachte an meine Familie, die mich abends zurückerwartete. Was würde meine Frau sagen, meine Kinder, wenn ich nicht käme? Und deshalb begleitete einen stets die Angst, einen Fehler zu machen, der fatale Konsequenzen haben könnte.

Ich weiß, dass es anderen genauso ging. Und damit das so selten wie möglich passierte, dafür sorgte ein ausgeklügeltes Trainingsprogramm. Ausnahmesituationen wurden so oft durchgespielt, bis sie Routine waren und jeder Handgriff saß. Für jede denkbare Einsatzlage gab es taktische Konzepte, und wir lernten es, Rückschlüsse auf das wahrscheinliche Verhalten des Täters zu ziehen. Mit der Zeit hatten wir also eine Menge Tricks auf Lager. Und nicht zuletzt lag das Geheimnis des Zugriffs im grundsätzlichen Wissen um die Gesamtumstände und im Zusammenspiel innerhalb der Gruppe und des ganzen Kommandos. Was ein hohes Maß an Disziplin und Bereitschaft zur Unterordnung voraussetzte und kaum nach dem Geschmack von Möchtegern-James-Bonds gewesen sein dürfte.

Deshalb soll in diesem Buch nicht nur von spektakulären, öffentlichkeitswirksamen Aktionen die Rede sein, sondern auch vom ganz normalen Alltag in einer Elitetruppe, von lebensgefährlichen Situationen ebenso wie von skurrilen Begebenheiten oder vergeblichen Einsätzen, bei denen der Täter uns ein Schnippchen schlug – was leider gelegentlich passierte.

In zwei Jahrzehnten erlebte ich so einiges und nahm an annähernd 1000 Einsätzen an vorderster Front teil. Es handelte sich um Terrordrohungen jeder Art, um Bekämpfung von Schwerst- und Gewaltkriminalität, um Erpressungen und Entführungsfälle – darunter auch ein Flugzeug, das von einem tschetschenischen Rebellen in München zur Landung gezwungen worden war. Und immer wieder um Geiselnahmen, die für mich stets eine besondere Rolle spielten. Bei mehr als 30 war ich im Einsatz, vier Geiselnehmer wurden getötet, einer richtete sich selbst, und fast 70 Opfer konnten wir befreien. Zum Glück musste ich es nie erleben, dass ein Unschuldiger ums Leben kam, weder eine Geisel noch ein Kollege. Die unglücklich verlaufene Geschichte nach einem Bankraub in der Münchner Prinzregentenstraße von 1971 – 18 Menschen wurden als Geiseln genommen, eine junge Angestellte kam bei der anschließenden Schießerei ums Leben – war noch lange tief und schmerzhaft im Bewusstsein der Münchner Polizei verwurzelt. Ebenso natürlich das Desaster von 1972: der gescheiterte Versuch, elf israelische Olympiateilnehmer aus der Hand eines palästinensischen Terrorkommandos zu befreien. Damals starben auf dem Bundeswehrflughafen Fürstenfeldbruck alle Geiseln sowie ein Polizist und fünf Attentäter. Besonders Letzteres machte deutlich, dass normale Polizeikräfte dem damals eskalierenden internationalen Terror fast hilflos gegenüberstanden.

Es war die Geburtsstunde der GSG 9. Erstmals trat sie 1977 auf dem Höhepunkt des »Deutschen Herbstes« in Erscheinung, der in der Ermordung von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer und der Entführung der Lufthansamaschine Landshut gipfelte, und die spektakuläre Befreiung des Flugzeugs im somalischen Mogadischu begründete den legendären Ruf dieser Elitetruppe. Es dauerte nicht mehr lange, und nach ihrem Vorbild...

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