Sie sind hier
E-Book

Zwangsstörungen

AutorHildegard Goletz, Manfred Döpfner, Veit Roessner
VerlagHogrefe Verlag GmbH & Co. KG
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl203 Seiten
ISBN9783844426458
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Zwangsstörungen bei Kindern und Jugendlichen beinhalten meist multiple Zwangsgedanken und Zwangshandlungen und können sich als sehr komplex erweisen. Die Zwangssymptomatik stellt für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sowie auch für deren Bezugspersonen häufig eine extreme Belastung dar. In der Folge kann es zu starker Verzweiflung, zu Aggressionen sowie zu Beeinträchtigungen schulischer oder beruflicher Beziehungen sowie in Gleichaltrigen- oder auch Paarbeziehungen kommen. Der Leitfaden beschreibt praxisorientiert das diagnostische und therapeutische Vorgehen bei Zwangsstörungen im Kindes- und Jugendalter. Zunächst informiert der Band über den derzeitigen Stand der Forschung bezüglich der Symptomatik, Klassifikation, Epidemiologie, Differenzialdiagnose und Komorbidität, Pathogenese sowie des Verlaufs und der Therapie der Störung. Ausführlich werden Leitlinien zur Diagnostik und Verlaufskontrolle, zu Behandlungsindikationen und zur Therapie formuliert und ihre Umsetzung in die Praxis dargestellt. Diagnostische Verfahren und Interventionsprogramme, die in den verschiedenen Phasen der multimodalen Behandlung eingesetzt werden können, werden kurz und prägnant beschrieben. Materialien zur Diagnostik und Therapie sowie die Darstellung eines Fallbeispiels veranschaulichen das Vorgehen.

Kaufen Sie hier:

Horizontale Tabs

Leseprobe

|39|2 Leitlinien


2.1 Leitlinien zur Diagnostik und Verlaufskontrolle


Aufgrund ihrer Komplexität erfordern Zwangsstörungen eine umfassende Diagnostik. Diese ist in eine multimodale Verhaltens- und Psychodiagnostik eingebettet, deren Grundlage die im Leitfaden zur Diagnostik psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter (Döpfner & Petermann, 2012) beschriebene allgemeine Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen bildet. Tabelle 7 beinhaltet eine Übersicht über die Leitlinien zu Diagnostik und Verlaufskontrolle von Kindern und Jugendlichen mit Zwangsstörungen.

Tabelle 7: Übersicht über die Leitlinien zu Diagnostik und Verlaufskontrolle

L1

Exploration des Patienten, seiner Eltern und Erzieher/Lehrer/Ausbilder, gegebenenfalls auch anderer Familienangehöriger.

L1.1

Exploration und Beobachtung der aktuellen Zwangssymptomatik des Kindes/Jugendlichen.

L1.2

Exploration und Beobachtung komorbider Störungen und differenzialdiagnostische Abgrenzung.

L1.3

Exploration der Ressourcen, Interessen und Aktivitäten des Kindes/Jugendlichen.

L1.4

Exploration zum Entwicklungsstand bzw. im Schulalter zu den schulischen Leistungen des Kindes/Jugendlichen.

L1.5

Exploration des familiären und sozialen Hintergrunds.

L1.6

Exploration zur störungsspezifischen Entwicklungsgeschichte des Kindes/Jugendlichen (hauptsächlich Elternexploration).

L1.7

Exploration der Einstellungen zur Therapie.

L2*

Fragebogen- und Beobachtungsverfahren zur Verhaltens- und Psychodiagnostik.

L3*

Ergänzende psychologische Diagnostik.

L4

Somatische Diagnostik.

L5

Bedingungsanalyse.

L6

Integration der Ergebnisse der multimodalen Diagnostik, Definition der Behandlungsziele und Therapieplanung.

L7

Verlaufskontrolle und Qualitätssicherung.

Anmerkung: * = optionale, aber häufig notwendige diagnostische Maßnahmen

|40|2.1.1 Exploration des Patienten, seiner Eltern und Erzieher/Lehrer/Ausbilder, gegebenenfalls auch anderer Familienangehöriger

Leitlinie L1 gibt eine Übersicht über die Rahmenbedingungen der Exploration und die einzelnen Bereiche, über die in der Exploration des Patienten mit einer Zwangsstörung, seiner Eltern und Erzieher/Lehrer/Ausbilder, gegebenenfalls auch anderer Familienangehöriger, Informationen eingeholt werden sollen. Das Kind/der Jugendliche und seine Eltern werden zu allen Bereichen befragt. Die Exploration der Erzieher/Lehrer/Ausbilder und gegebenenfalls auch anderer Familienmitglieder bezieht sich nur auf diejenigen Bereiche, über die sie auch Auskunft geben können. Die Reihenfolge, in der die einzelnen Bereiche thematisiert werden, wird von verschiedenen Faktoren (insbesondere Problematik des Kindes/der Familie, einschließlich des damit zusammenhängenden Schamgefühls des Kindes, Schilderungen der Problematik durch das Kind bzw. die Eltern) beeinflusst und ist damit variabel. Die einzelnen Explorationsbereiche basieren auf den im Leitfaden zur Diagnostik psychischer Störungen im Kindes- und Jugendalter (Döpfner & Petermann, 2012) dargestellten allgemeinen Explorationsleitlinien bei Kindern und Jugendlichen mit psychischen Störungen.

Kinder und Jugendliche mit Zwangsstörungen zeigen sich in der Explorationssituation häufig als ängstlich und schamvoll und benötigen dadurch meist den „Schutz“ der Eltern. Überdies tendieren die Kinder und Jugendlichen dadurch, dass sie ihre Zwangssymptomatik oft als beschämend erleben, dann in der Exploration zur Dissimulation ihrer Problematik (Goletz & Döpfner, 2007). Dementsprechend empfiehlt es sich, den Erstkontakt (die Exploration) zunächst gemeinsam mit dem Kind/Jugendlichen und seinen Eltern zu beginnen. In der gemeinsamen Exploration kann überdies die Interaktion der Familienmitglieder (Kommunikationsstrukturen in der Familie), auch bezüglich der (Zwangs-)Problematik des Kindes/Jugendlichen, beobachtet werden. Gegebenenfalls kann dann im weiteren Verlauf des Erstkontaktes eine alleinige Exploration des Kindes/Jugendlichen oder eine alleinige Exploration mit den Eltern erfolgen. Bei einem jüngeren Kind empfiehlt es sich gegen Ende des Erstkontaktes, alleine mit dem Kind oder auch gemeinsam mit ihm und seinen Eltern zu spielen. Wünschen die Eltern eines jüngeren Kindes einen ersten Kontakt ohne Anwesenheit des Kindes, kann dies für die Exploration der Problematik des Kindes sinnvoll sein, besonders auch dann, wenn die Eltern ihr Kind noch nicht über den Grund des Aufsuchens informiert haben. Eltern eines Jugendlichen, der eine psychotherapeutische Behandlung oder auch einen Erstkontakt verweigert, können in Elterngesprächen, nach einer ersten Exploration, dahingehend beraten werden, wie sie den jugendlichen Patienten zu einer ersten Kontaktaufnahme (gegebenenfalls auch einem ersten telefonischen Kontakt) motivieren kön|41|nen. Auf Wunsch eines Jugendlichen kann der Erstkontakt auch ohne Anwesenheit der Eltern durchgeführt werden. Einen alleinigen ersten Kontakt wünschen sich Jugendliche insbesondere dann, wenn die Eltern die Inhalte der Zwangssymptomatik nicht im Detail erfahren sollen. Auch dabei können Schamgefühle oder Peinlichkeitserleben vor den Eltern oder einem Elternteil sowie auch eine belastete Beziehung des Jugendlichen zu beiden Elternteilen oder zu einem Elternteil bestimmend sein.

L1

Leitlinie 1: Exploration des Patienten, seiner Eltern und Erzieher/Lehrer/Ausbilder, gegebenenfalls auch anderer Familienangehöriger

1. Rahmenbedingungen für die Exploration der...

Weitere E-Books zum Thema: Nachschlagewerke - Ratgeber

Psychologie 2000

E-Book Psychologie 2000
Format: PDF

Der 42. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie bedurfte dank der bedeutungsträchtigen Jahreszahl keines besonderen Mottos – es war der Kongreß "Psychologie…

Psychologie 2000

E-Book Psychologie 2000
Format: PDF

Der 42. Kongreß der Deutschen Gesellschaft für Psychologie bedurfte dank der bedeutungsträchtigen Jahreszahl keines besonderen Mottos – es war der Kongreß "Psychologie…

Psychopharmakologie

E-Book Psychopharmakologie
Anwendung und Wirkungsweisen von Psychopharmaka und Drogen Format: PDF

Stürmische Neuentwicklungen der Neurowissenschaften erfordern eine entsprechend aufgearbeitete Darstellung der Psychopharmakologie. Die vorliegende zweite, überarbeitete und ergänzte Auflage des…

Psychopharmakologie

E-Book Psychopharmakologie
Anwendung und Wirkungsweisen von Psychopharmaka und Drogen Format: PDF

Stürmische Neuentwicklungen der Neurowissenschaften erfordern eine entsprechend aufgearbeitete Darstellung der Psychopharmakologie. Die vorliegende zweite, überarbeitete und ergänzte Auflage des…

Psychopharmakologie

E-Book Psychopharmakologie
Anwendung und Wirkungsweisen von Psychopharmaka und Drogen Format: PDF

Stürmische Neuentwicklungen der Neurowissenschaften erfordern eine entsprechend aufgearbeitete Darstellung der Psychopharmakologie. Die vorliegende zweite, überarbeitete und ergänzte Auflage des…

Ernährungspsychologie

E-Book Ernährungspsychologie
Eine Einführung Format: PDF

Essen und Trinken beherrschen unser Leben und unser Denken. Die Ernährungswissenschaft erforscht die nutritiven Lebensgrundlagen des Menschen und weiß inzwischen sehr genau, wie sich der…

Ernährungspsychologie

E-Book Ernährungspsychologie
Eine Einführung Format: PDF

Essen und Trinken beherrschen unser Leben und unser Denken. Die Ernährungswissenschaft erforscht die nutritiven Lebensgrundlagen des Menschen und weiß inzwischen sehr genau, wie sich der…

Weitere Zeitschriften

Menschen. Inklusiv leben

Menschen. Inklusiv leben

MENSCHEN. das magazin informiert über Themen, die das Zusammenleben von Menschen in der Gesellschaft bestimmen -und dies konsequent aus Perspektive der Betroffenen. Die Menschen, um die es geht, ...

aufstieg

aufstieg

Zeitschrift der NaturFreunde in Württemberg Die Natur ist unser Lebensraum: Ort für Erholung und Bewegung, zum Erleben und Forschen; sie ist ein schützenswertes Gut. Wir sind aktiv in der Natur ...

Courier

Courier

The Bayer CropScience Magazine for Modern AgriculturePflanzenschutzmagazin für den Landwirt, landwirtschaftlichen Berater, Händler und generell am Thema Interessierten, mit umfassender ...

Euphorion

Euphorion

EUPHORION wurde 1894 gegründet und widmet sich als „Zeitschrift für Literaturgeschichte“ dem gesamten Fachgebiet der deutschen Philologie. Mindestens ein Heft pro Jahrgang ist für die ...

Euro am Sonntag

Euro am Sonntag

Deutschlands aktuelleste Finanz-Wochenzeitung Jede Woche neu bietet €uro am Sonntag Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den Themen Geldanlage und Vermögensaufbau. Auch komplexe Sachverhalte ...